Neue Gemälde von Karl Hof er
karl hofer—berlin
»grotto roncscit«
merei das Eigentliche und Ganze zu ergreifen:
Man macht lieber Inventar als Hymnus, man
stellt fest, mit größter Zartheit des Gewissens
und mit äußerster Bestimmtheit des Blickes.
Hofer ist heute vielen ein Gewähr dafür, daß
es in der Kunst noch bauende, realisierende
Kräfte gibt. Es sind nicht die der Neuen Sach-
lichkeit, die schließlich das Totale der Men-
schensituation ebenso gut preisgibt wie der
subjektivisch schweifende Expressionismus. Es
sind die der geistig-religiösen Bestimmtheit, die
von der hohen geschöpflichen Einfügung her
wieder zu Welt und Wirklichkeit kommt.
Hofers Welt ist freilich eine frühe Welt;
eine junge, neue, beginnende Welt aus alter
Weisheit. Es ist das Wissen und das Stillesein
höherer Lebenszeit darin, wo die Sonne im Ze-
nith steht, wo der Mensch sich vereinfacht. Eine
Kindwerdung ereignet sich; ein Jungwerden ohne
Gebärden und Zurüstungen. Können Blumen,
Menschen, Häuser, Berge und Bäume einfacher
dastehen wie auf den Bildern dieses Malers?
Können sie nüchterner sein? Dinglicher, tatsäch-
licher, gegenwärtiger? Und können sie bei all die-
ser Bestimmtheit zärtlicher und liebender sein?
Gewiß kennt Hofers Welt nichts von vorder-
gründiger Fröhlichkeit. Es lebt sogar eine tiefe
Schwermut in ihr, die Trauer eines großen
Verzichtes, ein Blick für den vielen Tod in der
Welt, ein Zögern, ein geheimes Zagen vor den
Erscheinungen. Aber inmitten dieser dunklen
Elemente verlischt niemals ganz jenes ver-
schwiegene Lächeln, das sich oft gerade in
Hofers Graphik gezeigt hat. Das hat seinen
guten, tiefen Sinn. Jene Hand, von der oben
die Rede war, gibt sich ruhig und vollkommen
gefügt an die Wirklichkeit des harten Steines
hin. Aber die Wirklichkeit in den Dingen
gläubig anerkennen, heißt: mit seiner Liebe in
sie hinübergehen, ihnen freund sein, ihnen das
Dasein gönnen. Einem solchen Menschen wird
auch von den Dingen selber das Dasein gegönnt.
Sie lächeln ihm in seiner Schwermut zu; sie sen-
den ihm, während sein Auge auf allen Vergäng-
lichkeiten verweilt, immer wieder einen Strahl
Freude und Beruhigung ins Herz. wilh. michel.
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karl hofer—berlin
»grotto roncscit«
merei das Eigentliche und Ganze zu ergreifen:
Man macht lieber Inventar als Hymnus, man
stellt fest, mit größter Zartheit des Gewissens
und mit äußerster Bestimmtheit des Blickes.
Hofer ist heute vielen ein Gewähr dafür, daß
es in der Kunst noch bauende, realisierende
Kräfte gibt. Es sind nicht die der Neuen Sach-
lichkeit, die schließlich das Totale der Men-
schensituation ebenso gut preisgibt wie der
subjektivisch schweifende Expressionismus. Es
sind die der geistig-religiösen Bestimmtheit, die
von der hohen geschöpflichen Einfügung her
wieder zu Welt und Wirklichkeit kommt.
Hofers Welt ist freilich eine frühe Welt;
eine junge, neue, beginnende Welt aus alter
Weisheit. Es ist das Wissen und das Stillesein
höherer Lebenszeit darin, wo die Sonne im Ze-
nith steht, wo der Mensch sich vereinfacht. Eine
Kindwerdung ereignet sich; ein Jungwerden ohne
Gebärden und Zurüstungen. Können Blumen,
Menschen, Häuser, Berge und Bäume einfacher
dastehen wie auf den Bildern dieses Malers?
Können sie nüchterner sein? Dinglicher, tatsäch-
licher, gegenwärtiger? Und können sie bei all die-
ser Bestimmtheit zärtlicher und liebender sein?
Gewiß kennt Hofers Welt nichts von vorder-
gründiger Fröhlichkeit. Es lebt sogar eine tiefe
Schwermut in ihr, die Trauer eines großen
Verzichtes, ein Blick für den vielen Tod in der
Welt, ein Zögern, ein geheimes Zagen vor den
Erscheinungen. Aber inmitten dieser dunklen
Elemente verlischt niemals ganz jenes ver-
schwiegene Lächeln, das sich oft gerade in
Hofers Graphik gezeigt hat. Das hat seinen
guten, tiefen Sinn. Jene Hand, von der oben
die Rede war, gibt sich ruhig und vollkommen
gefügt an die Wirklichkeit des harten Steines
hin. Aber die Wirklichkeit in den Dingen
gläubig anerkennen, heißt: mit seiner Liebe in
sie hinübergehen, ihnen freund sein, ihnen das
Dasein gönnen. Einem solchen Menschen wird
auch von den Dingen selber das Dasein gegönnt.
Sie lächeln ihm in seiner Schwermut zu; sie sen-
den ihm, während sein Auge auf allen Vergäng-
lichkeiten verweilt, immer wieder einen Strahl
Freude und Beruhigung ins Herz. wilh. michel.
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