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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Rochowanski, Leopold W.: Gläser
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0207

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entw: oswald haerdtl—wien

»zierglaser und dosen«

GLÄSER

Ein schönes Glas . . . Dünne schlanke Glä-
ser . . . Gläser sind personifiziertes Raum-
gefühl. Wenn sie, wie aus hellem Licht geboren,
in helles Licht gestellt sind, werden sie zum
Rhythmusgeber eines Lichttanzes, oder sind wie
das Verweilen sich sammelnder Strahlen aus
dem beständigen Hinzittern von Lichtwellen,
wirken wie klare geläuterte Festtage, gehoben
aus dem hinfließenden Unendlich der Zeit.

Gläser, gefüllt mit edlem goldenen Wein,
gehalten von langen schmalen, in Liebe blühen-
den Frauenhänden: kristallisierte Akkorde.

Wer ist ihr Schöpfer? Ist es der Künstler
allein, der den Entwurf dazu schuf? Wird das
echte Bühnenwerk nicht erst zur Auferstehung
gebracht, wenn sich dem Dichter die Schau-
spieler verbinden? Bleiben bei einer Bühnen-
dichtung nicht Dichter und Darsteller gemein-
sam dem Gedächtnis unserer Gefühle erhalten?
Ebenso sehe ich Künstler und Glasbläser vor
mir. Müßte nicht — wenn wir nicht überhaupt

bei jedem vollbrachten Werk den Namensbesitz
unterordnen, die Namenlosigkeit aber darüber-
stellen wollen — der Name des Arbeiters, der
dem Glas seinen Atem lieh, neben den des
Künstlers gesetzt werden? —

Die Entwürfe zu den neuen Gläsern, Krügen,
Schalen und Dosen sind von Oswald Haerdtl.
Sie wurden aus Musselinglas frei geblasen.
Ihre Schönheit liegt in den reinen klingenden
Formen, die die wunderbarsten Gebäude für
Licht und Köstlichkeiten sind, beste Wahr-
machungen der an dieses Material gestellten
Forderungen. Da diese Gläser von dem Archi-
tekten Haerdtl stammen, geht der Gedanke so-
fort vom Glas zur Architektur, von dieser wieder
zurück und richtet plötzlich die Frage auf: Muß
ein Künstler, der solche Gläser entstehen läßt,
nicht auch ein guter Architekt sein? Und gleich
darauf noch die Frage: kann man einen Archi-
tekten nicht schon an einem einzigen Glas er-
kennen und erproben? .... l. w. rochowanski.
 
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