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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Rochowanski, Leopold W.: Das Ergebnis des Wettbewerbs: zur Erlangung von Entwürfen zu einem Völkerbundpalast in Genf
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0211

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DAS ERGEBNIS DES WETTBEWERBS

ZUR ERLANGUNG VON ENTWÜRFEN ZU EINEM NEUEN VÖLKERBUNDPALAST

IN GENF

Sechs Wochen angestrengter Arbeit hat die
Entscheidung im Wettbewerb um den Ent-
wurf für das Völkerbundgebäude in Genf in
Anspruch genommen. Aber nicht bloß Arbeit
hat es die Jury gekostet, um sich über die ein-
gelaufenen 470 Projekte zu informieren, auch
viele Kämpfe um das Künstlerische wurden
geführt und nicht immer ist es gelungen, den
Streit zwischen Nationalgefühl und Qualität,
zwischenKonservativismus und modernem Geist
zu Gunsten des letzteren zu entscheiden. Bei-
nahe wäre es wohl auch zu einem resultatlosen
Schluß und zur Ausschreibung einer neuen Kon-
kurrenz gekommen.

Eine große Last für alle, sowohl für die Künst-
ler, wie für die Mitglieder der Jury, waren die
unerhört komplizierten Ausschreibungsbeding-
ungen, in denen nicht bloß Zeichnungen des
Gebäudes, sondern an die fünfzig Details von
Grundrissen und Fassaden gefordert wurden.
Dies bedeutete für die sich bewerbenden Archi-
tekten eine maßlose Vergeudung von Arbeit,
die bei jedem viel Geld verschlang. Oberbaurat
Professor Josef Hoff mann aus Wien hatte
eine offene Konkurrenz vorgeschlagen, bei der
jeder Bewerber nur sein Bild, eine seiner besten
bisherigen Leistungen und eine Skizze des Pro-
jektes einreichen sollte, ein Weg, der viel besser,
einfacher und weniger kost spielig gewesen wäre.
Aber man verwarf diesen Vorschlag und blieb
bei dem alten System der geheimen Ausschrei-
bung und den erschwerenden Bedingungen,

Den Vorsitz in der Jury führte der belgische
Architekt Horta. Außer ihm waren noch
Frankreich, Spanien, England, Italien, Holland,
Schweden, die Schweiz und Österreich vertreten.
Deutschland fehlte, weil es zur Zeit der Fest-
legung der Jury dem Völkerbund noch nicht ange-
hörte. Bei den umfangreichen Prüfungsarbeiten
bildeten sich sehr bald zwei Gruppen. Jener,
die gegen alles veraltet Akademische, Unper-
sönliche, falsch Übernommene auftrat und das
Neue, Gute und Klare durchzusetzen be-
strebt war, gehörten Professor Josef Hoff-
mann, Dr. H. P. Berlage, Professor Tembom
aus Stockholm und Professor Moser aus Zürich
an. Diesen entschlossenen und bewußten Künst-
lern ist es auch gelungen, einen großen Teil
ihrer Ansichten zum Sieg zu verhelfen. Die
erste wichtige Entscheidung war die Festlegung
des Baugrundes. Während zuerst ein ganz un-
geeigneter Platz bestimmt worden war, ist der
jetzige ein idealer. In einem wunderbaren
alten Park am Genfer See, auf der Straße
nach Lausanne zu, wird das neue Gebäude
des Völkerbundes errichtet werden.

Die Austeilung — es war keine Preisver-
teilung im sonstigen Sinn —■ erfolgte in der
Weise, daß jeder der neun Preisrichter eine
Arbeit als die nach seinem Urteil beste be-
zeichnete. Dadurch wurden neun Künstler her-
vorgehoben und an die Spitze gestellt. Hierauf
nannte jeder der Preisrichter noch einmal je
eine Arbeit. Das ergab also neun weitere

XXX. Juni 1927. 7 '
 
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