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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Osborn, Max: Berliner Frühjahrs-Akademie
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0215

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BERLINER FRÜHJAHRS-AKADEMIE

VON MAX OSBORN

Max Liebermann, nunmehr seit fast sieben
Jahren Präsident der Berliner Akademie
der Künste — eine Herrschaftsdauer, die noch
nie dagewesen ist —, vor der Vollendung seines
achten Lebensdezenniums (im Juli) stehend, hat
zwar an den Vorbereitungen der diesmaligen
Frühjahrsausstellung nur geringen Anteil neh-
men können. Ein bedauerlicher Unfall, der
glücklicherweise ohne schlimmere Folgen blieb:
er hatte sich den rechten Arm verbrüht, fesselte
ihn ans Haus. Aber die Macht des persönlichen
Einflusses, die von ihm ausgeht, ist so gewaltig,
daß die Ausstellung der Akademie gleichwohl
völlig den Stempel trägt, den der gebieterische
Meister den Veranstaltungen am Pariser Platz
seit Jahr und Tag gegeben hat.

Das will bedeuten; es wird ein erheblicher
Reichtum entfaltet, es ist sorgsame Auswahl
getroffen, daß das Ganze ansehnlich Niveau hält,
aber es herrscht eine innere Uneinheitlichkeit,
die einen wahrhaft packenden Gesamteindruck

nicht aufkommen läßt. Liebermann blieb seiner
Überzeugung und Liebe nach immer noch der
Mann der alten Sezession aus den Tagen, da
man sich um den Impressionismus raufte —
indessen, es sollte ihm niemand nachsagen, er
kümmre sich nicht um die Jugend! So holte er
denn die Modernen, die nach ihm kamen, eifrig
heran. Aber so sonderbar, so sprunghaft, so
unsystematisch und mit so willkürlicher Be-
grenzung nach links, daß doch niemals ein rech-
tes Bild der Gegenwartsproduktion und der
Triebkräfte unserer Zeit zustande kam. Und
auf der anderen Seite rückten immer noch die
eingesessenen Akademiker deraltenundältesten
Schule an und machten von ihrem verbrieften
Recht, drei Werke juryfrei einzuschicken, einen
geradezu erbarmungslosen Gebrauch! Man kann
sich vorstellen, welch seltsame Salatmischungen
auf solche Weise serviert wurden.

So ist es auch diesmal. Man fühlt die Un-
sicherheit, die Zufälligkeit, die ihre Hand im

XXX. Juli 1927. 1
 
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