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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Ankwicz-Kleehoven, Hans: Künstler im Kunsthandwerk und in der Industrie: Die Ausstellung im Wiener Kunstgewerbemuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0250

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Künstler im Kunsthand'werk und in der Industrie

wurde in Vitrinen und Rahmen untergebracht,
vieles ohne isolierende Fassung einfach neben-
einander an der Wand befestigt. In sehr origi-
neller Weise stattete die „Wiener Werk-
stätte" ihren Raum mit Hunderten von Zeich-
nungen aus, die auf die mit kleinen Streifen
einer weiß-rot ombrierten Tapete verkleideten
Wände geklebt ein höchst abwechslungsreiches
Mosaik von Farben und Formen ergaben. Von
stärkster koloristischer Wirkung war auch die
Ausstellung der Fachklasse Professor Dr. Josef
Hoffmanns der Wiener Kunstgewerbeschule,
die auf links und rechts vom Eingang aufge-
stellten Scherwänden unzählige Stoffmuster-
und Kostümentwürfe dicht aneinandergereiht
hatte und so den eintretenden Besucher gleich
mit einer klangreichen Fanfare in modernster
Tonart empfing.

Im Mittelsaale sah man rechts Werkzeich-
nungen Professor Dr. Clemens Holzmeisters
zum Eingangsgitter am Salzburger Festspielhaus
und zu schmiedeeisernen Beleuchtungskörpern,
in der benachbarten Koje Entwürfe Professor
Dr. Peter Behrens' zu Eisenarbeiten für das
von ihm erbaute Salzburger Benediktinerkolleg
und das Glashaus des österreichischen Pavillons
in Paris 1925. An der gegenüberliegenden
Wand erging sich die vielseitige Begabung Pro-
fessor Dr. Oskar Strnads in Skizzen zu
Möbeln, Intarsien, Glasservicen und Theater-
dekorationen, die durch kleine Bühnenmodelle
ergänzt wurden, daneben führte Architekt Hugo
Gorge eine instruktive Auswahl von Entwürfen
zu seinen heute bereits weit über die Grenzen
Österreichs hinaus verbreiteten praktischen
Typenmöbeln aber auch zu Keramiken, Öfen
und Signeten vor. Im rückwärtigen Teil des
Saales hatte die Firma J. & L. Lobmeyr in
einer hohen Vitrine einige ihrer neuesten Edel-
gläser und rings um dieselben die Zeichnungen
der Künstler zur Ausstellung gebracht, von
denen Form oder Dekor der Gläser herrührt:
ein Musterbeispiel für das fruchtbare Zusam-
menwirken von Kunst und Industrie.

Im anschließenden Räume rechter Hand be-
wies die von Prof. Ferdinand Andri geleitete
„Freie Akademiker-Werkstätte" in ihren
Versuchen, die monumentale Wandmalerei aufs
neue zu beleben, moderne Gesinnung und tüch-
tiges handwerkliches Können; im Nebenraum
veranschaulichte Architekt Alexander Popp
an einer ganzen Reihe von Reklame-Projekten
für die Firma „Odol" in vorbildlicher Weise die
Vielgestaltigkeit künstlerisch einwandfreier Pro-
pagandamittel.

Sehr Interessantes boten der Plakatzeichner
Professor Julius Kling er und Architekt Ernst

Lichtblau, die sich in den äußeren rechten
Ecksaal teilten. Während unter den mit großer
Akkuratesse gezeichneten Entwürfen Licht-
blaus namentlich diejenigen für einen Hotel-
servierwagen, für Bungalow - Möbel und für
einen sehr zweckmäßig konstruierten Aus-
lagen-Bücherständer Erwähnung verdienen, sei
von Klinger, der sich auch mit einer um-
fänglichen Kollektion seiner stets geistreichen
und wirkungsvollen Plakate eingestellt hatte,
vor allem das hier erstmalig bekannt gemachte
„Zeichen-Esperanto" näher gewürdigt.
Es will gewisse in der ganzen Welt übliche
Avisi, wie z. B. „Verbotener Eingang", „Rau-
chen verboten", „Bitte kein Trinkgeld geben",
„Rechts gehen" und dergl. durch ganz ein-
fache, aber sinnreich erdachte farbige Zeichen
ersetzen, die, wenn sie einmal internationale
Geltung erlangt hätten, den Reisenden bis zu
einem gewissen Grade von der Kenntnis der
Landessprache unabhängig machen würden.
Unsere Abbildung zeigt in der linken Kolumne
die einprägsamen Zeichen für „Liftbenützung",
„Achtung, Stufe!" und „Geldwechsel", rechts
die durch einen Türausschnitt ohne und mit
Schiebegitter angedeuteten Avisi „Geöffnet",
„Geschlossen" und „Bis auf Widerruf geöffnet".
Der Sparsamkeit der Zeichnung entspricht die
Beschränkung auf ganz wenige Farben; außer
Schwarz, Weiß und Rot wird nur noch Gelb
und Grün verwendet.

Auf dem Felde der Plakatkunst, in deren
Bereich ja auch Klingers „Zeichen-Esperanto"
fällt, gab es dann noch allerhand tüchtige Lei-
stungen. Wir nennen da nur die Plakate Oskar
L a s k e s, die vielen guten Plakate aus der
Fachabteilung des Professors Berthold Löf f ler
der Wiener Kunstgewerbeschule — eines von
Wilhelm Trapp ist hier reproduziert — und
auch die Kollektion des Löffler-Schülers Joseph
Binder enthielt manch treffliches Blatt.

Der Tapetenerzeugung hatte seinerzeit Da-
gobert Peche von Wien aus neue Impulse ge-
geben, und noch heute wird dieser Zweig des
Fiächenschmuckes im Kreise der „Wiener
Werkstätte" mit Erfolg gepflegt. Eigene
Wege auf diesem Gebiete wandelt Richard
Teschner, der in seinen aparten Skizzen für
die Wiener Tapetenfabrik eine üppig spru-
delnde Phantasie verrät, die auch seinen übrigen
Entwürfen (z. B. für die Metallwarenfabrik
J. C. Klinkosch) besonderen Reiz verleiht.

Für die Bildwirkerei, die sich erst nach dem
Umsturz in Österreich eingebürgert hat, gibt
sich unter den Wiener Künstlern lebhaftes In-
teresse kund. Die Fachklasse Prof. Wilhelm
Müller-Hof mann der Wiener Kunstgewerbe-
 
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