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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Michel, Wilhelm: Die Kunst und die Machthaber
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0273

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Die Kunst und die Machthaber

m. lauger
majolika-
manufakt.
karlsruhe

fertige und gehorsame Imitation, die gesinnungs-
tüchtige Seichtheit, die Liebedienerei, den gut-
gläubigen Dilettantismus. In Rußland schmeichelt
man dem „Volk" wie früher irgend einem Poten-
taten. Vielleicht, sogar wahrscheinlich wird da-
durch ein praktischer, propagandistischer Zweck
erreicht. Aber Volk und Potentat sind betrogen,
wenn sie durch äußeren Druck, der nicht kon-
form mit den geheimen Tendenzen der
Zeit läuft, die Kunst für sich gewonnen zu
haben glauben. Ja, noch weiter kann man
gehen: Ist jene Konformität zwischen den
Wünschen der Machthaber und den lebenspen-
denden Tiefentendenzen gegeben, dann braucht
kein Druck ausgeübt zu werden, dann geschieht
ja freiwillig, was dem Machthaber dient. Ist

die Konformität nicht gegeben, dann hilft auch
der äußere Druck nichts. Mit andern Worten:
Wo auf die Kunst im Dienst irgend eines Macht-
interesses gedrückt wird, da hat der Macht-
haber sein Spiel schon verloren. Ihm stellt sich
vielleicht massenweise Kunstersatz zur Ver-
fügung, aber die Kunst geht ferne von seinen
Wegen und dient dem Geist, der sich nicht nach
Dekreten richtet. Dafür entfalten freilich Macht-
haber (einerlei, ob Volk oder Potentat) eine große
Fertigkeit, Kunstersatz für Kunst zu nehmen;
dialogisierte Leitartikel für Tragödien, Propa-
gandaplakate für Gemälde, historische Kostüm-
studien für Denkmäler; ein freundlicher Irrtum,
der sich in der Weltgeschichte wahrscheinlich
noch sehr oft wiederholen wird..... w. m.
 
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