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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Schrimpf, Georg: Eröffnungsfeier der Münchner Glaspalast-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0279

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ERÖFFNUNGSFEIER DER MÜNCHNER GLASPALAST-AUSSTELLUNG

Ami. Juni wurde in München die Glaspalast-
X~Y Ausstellung 1927 in feierlicher Weise er-
öffnet. Alle Behörden und alle in Betracht kom-
menden Gesellschaftskreise waren in großer
Zahl vertreten. Allgemeine Aufmerksamkeit
und lebhaften Beifall fand die Eröffnungsrede
des Präsidenten der Münchner Künstler-Ge-
nossenschaft, Professor Fritz Behn; ihr schloß
sich je eine Ansprache des Vertreters der öster-
reichischen Künstlerschaft, Professor Holz-
me ist er-Wien und des bayrischen Kultus-
ministers Dr. Goldenberg er an.

Die Rede Fritz Behns hatte nach dem
Bericht der „Münchner Neuesten Nachrichten"
folgenden Wortlaut:

Im Namen der Ausstellungsleitung derJahres-
Ausstellung, veranstaltet von der Münchner
Künstler-Genossenschaft und der Münchner
Sezession, heiße ich Sie zu dieser Eröffnungs-
feierlichkeit willkommen an dieser geweihten
Stätte der alten Tradition Münchner Kunst, die
wir verehren in ihren bedeutenden Meistern,
die Münchens Ruhm schufen. Ich sage alte
Tradition; das Gewicht liegt nicht auf dem
Worte „alt", sondern auf „Tradition"; Träger
der Tradition sollen vielmehr die Jungen sein,
so wie eine Verjüngung ausging von der Münch-
ner Sezession und wie jetzt eine Verjüngung
ausgeht von der Münchner Künstler-Genossen-
schaft. Das Alter zu gewinnen für die Jugend,
die Jugend zu gewinnen für die Tradition, das
soll unsere Aufgabe sein.

Diese Ausstellung soll hinweisen auf das
Wesen der Kunst. Kunstfertigkeit ist nicht
dasselbe wie Kunst; sie ist oft ihr Feind. Wir
haben es genug erlebt an dieser Stelle. Ge-
stalten ist das Problem, so, wie es die Alten
taten, so versucht es die Jugend heute. Phan-
tasie ist das Element der Kunst, nicht zufällige
Nachahmung der Natur, nicht Abbilden, sondern
Bilden; wir denken an Grünewald und an Dürer,
an Thomas und Marees, ich denke aber nicht
an Neger-Plastiken. Was heißen aber die Schlag-
worte, was „Impressionismus" oder „Expressio-
nismus", was „die anderen Ismen", als wenn
nicht jede hohe Kunst „Impressionismus" und
„Expressionismus" war, d. h. ein starker Ein-
druck, der stark ausgedrückt wurde. Heute tun
sie aber so, als hätten sie die Kunst damit er-
funden, und heute „Expressionismus " malen und
Impressionismus bildhauern ist noch lange keine
Kunst. Unendlich ist der Wirrwar der Schlag-

worte, angestiftet durch die viel zu vielen Schrei-
ber und Schreier aller dieser Unkünstler und
dilettantischen Literaten, die mehr wissen wollen
als unsere großen Künstler. Würden Bilder mit
der Feder und dem Mund gemalt, so hätten wir
die blühendste Epoche der Kunstgeschichte.
Wir weisen diese Literatur für den Künstler zu-
rück. Sie hat nur Unheil angerichtet; wir sind
krank davon. Das soll sich vor allem die Jugend
gesagt sein lassen. Intelligenz ist gut, Intellekt
ist schädlich. Der Künstler soll sein Herz
fragen, wenn er eines hat. Der Künstler soll
arbeiten und lernen und Respekt haben vor der
Natur und vor den großen Meistern. Was soll
das Geschwätz von Richtungen? Es gibt nur
Kunst, aber heute wird aus der Not eine Tu-
gend gemacht: Wer am wenigsten kann, gilt für
den großen Künstler; es bilden sich Gruppen,
Richtungen, die beschließen, ob so oder so ge-
malt werden soll. Es wird immer so viel von
„Fortschritt" und „Rückständigkeit" in der
Kunst gesprochen. In der Kunst gibt es keinen
Fortschritt; sie kann ein anderes Gewand be-
kommen im Wechsel der Zeiten, aber ihr Wesen
bleibt das gleiche. Wir sind daher nicht ver-
pflichtet, alles, was uns von den Aposteln als
letzte Mode gepriesen wird, auszustellen, nur
damit wir nicht rückständig erscheinen. Wenn
wir es trotzdem tun, so wollen wir durch das
Gegenbeispiel um so mehr auf die wirkliche hohe
Kunst hinweisen. Was wir wollen und was das
Nötigste ist und der Grund aller Traditionen,
das ist das Können, das Handwerk und die in-
nere Disziplin, ein ehrliches deutsches Hand-
werk, wie es die alten Meister kannten. Der
Herr Ministerpräsident hat diesen Gedanken in
seiner Rede anläßlich der Eröffnung der Hand-
werks-Ausstellung vorbildlich formuliert. Unser
Geist, verstört durch die Maschine, kann nur
lebendig bleiben durch die persönliche künst-
lerische Arbeit; aber anstatt der Arbeit, die die
Meister als Vorbild haben, wurde vom Literaten
das Wort „Individualität" erfunden, die dabei
verloren ging. „ Eigenheiten bleiben schon haften,
kultiviere Deine Eigenschaften". Es hat sich
bei dieser Ausstellung erwiesen, daß die Arbeiter
mit größter Begeisterung, ja mit Verzicht auf
Extralöhne ihre sehr dringlichen und genauen
Bauarbeiten ausführten; wir wollen ihnen dafür
danken, denn sie halfen mit an unserem Werk
wie die 14 Künstler, die gleich ihnen in ehr-
lichem Hand werk als Maler und Baumeister diese

XXX. Juli 1927. 8
 
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