LEOPOLD LEW—PARIS
»LANDSCHAFT« J926
LEOPOLD LEW
Der Augenblick scheint gekommen, da die
künstlerischen Bewegungen, die in Paris
seit 20 Jahren in stürmischer Folge einander
ablösten, ihre Ergebnisse zu zeitigen beginnen.
Fast alle sind sie entstanden im Widerspruch
zur Unordnung des Impressionismus. Sie haben
alle in mehr oder weniger paralleler Richtung
eine neue Ordnung, eine neue Regel aufzustellen
gesucht. In einem Augenblick, da dieses Stre-
ben endlich zum Erfolg führt, erlebt man Über-
raschungen: Manche der Revolutionäre von
gestern haben nur schmale Resultate aufzu-
weisen, wogegen Andere, die während der lau-
ten Kämpfe im Schatten der Eiferer standen,
nun als wahrhafte Spender neuer Dinge vor
uns treten. Ihnen hat sich die Zeit nicht mit
wechselnden Schlachtrufen, sondern mit stiller,
fördernder Arbeit gefüllt. So sind sie, treu
sich selbst und in Fühlung mit dem Geiste der
Zeit, ihren Weg gegangen und finden sich im
Augenblick der Ernte unvermutet mit manchen
Genossen zusammen, die eines andern Weges
kamen. Derain, Vlaminck, Friesz gehen vom
„Fauvismus" aus und gelangen heute zu ähn-
lichen Ergebnissen wie ein Leopold Levy, ob-
schon dieser ein konservatives Naturell war.
— Leopold Levy setzt heute in der französi-
schen Malerei die schöne malerische Tradition
der großen Landschafter fort, mit denen er
durch Geblüt und Begabung verbunden ist. Er
setzt diese Tradition fort: das heißt, er erneuert
sie aufgrund seiner starken und neuen Persön-
lichkeit. Zwar bewegt sich seine Malerei in
den Grenzen einer friedlichen und natürlichen
Ordnung, aber man bemerkt in ihr einen be-
freiten und gefestigten Geist.
Leopold Levys Anfänge fallen in jene Zeit,
da die stürmische Jugend der „Fauves", der
„Wilden", neue Wege jenseits des Impressio-
nismus zu suchen begann. Levy blieb damals
anscheinend abseits. Er ging in die Museen,
er durchforschte Leben und Werk der Klassiker
(z. B. Corots) und schuf sich so eine geistige
Grundlage, ein klares Gefühl für das, was der
stürmischen Zeit abging. So durchschritt er die
Periode der Verwirrungen mit Ruhe, ohne einen
Augenblick die Fühlung mit den wahrhaft Füh-
renden zu verlieren. Keine der Tagesbegeiste-
rungen fand in ihm einen blinden Akoluthen.
Er nahm niemals halb erkannte Wahrheiten,
XXX. August 1927. 2«
»LANDSCHAFT« J926
LEOPOLD LEW
Der Augenblick scheint gekommen, da die
künstlerischen Bewegungen, die in Paris
seit 20 Jahren in stürmischer Folge einander
ablösten, ihre Ergebnisse zu zeitigen beginnen.
Fast alle sind sie entstanden im Widerspruch
zur Unordnung des Impressionismus. Sie haben
alle in mehr oder weniger paralleler Richtung
eine neue Ordnung, eine neue Regel aufzustellen
gesucht. In einem Augenblick, da dieses Stre-
ben endlich zum Erfolg führt, erlebt man Über-
raschungen: Manche der Revolutionäre von
gestern haben nur schmale Resultate aufzu-
weisen, wogegen Andere, die während der lau-
ten Kämpfe im Schatten der Eiferer standen,
nun als wahrhafte Spender neuer Dinge vor
uns treten. Ihnen hat sich die Zeit nicht mit
wechselnden Schlachtrufen, sondern mit stiller,
fördernder Arbeit gefüllt. So sind sie, treu
sich selbst und in Fühlung mit dem Geiste der
Zeit, ihren Weg gegangen und finden sich im
Augenblick der Ernte unvermutet mit manchen
Genossen zusammen, die eines andern Weges
kamen. Derain, Vlaminck, Friesz gehen vom
„Fauvismus" aus und gelangen heute zu ähn-
lichen Ergebnissen wie ein Leopold Levy, ob-
schon dieser ein konservatives Naturell war.
— Leopold Levy setzt heute in der französi-
schen Malerei die schöne malerische Tradition
der großen Landschafter fort, mit denen er
durch Geblüt und Begabung verbunden ist. Er
setzt diese Tradition fort: das heißt, er erneuert
sie aufgrund seiner starken und neuen Persön-
lichkeit. Zwar bewegt sich seine Malerei in
den Grenzen einer friedlichen und natürlichen
Ordnung, aber man bemerkt in ihr einen be-
freiten und gefestigten Geist.
Leopold Levys Anfänge fallen in jene Zeit,
da die stürmische Jugend der „Fauves", der
„Wilden", neue Wege jenseits des Impressio-
nismus zu suchen begann. Levy blieb damals
anscheinend abseits. Er ging in die Museen,
er durchforschte Leben und Werk der Klassiker
(z. B. Corots) und schuf sich so eine geistige
Grundlage, ein klares Gefühl für das, was der
stürmischen Zeit abging. So durchschritt er die
Periode der Verwirrungen mit Ruhe, ohne einen
Augenblick die Fühlung mit den wahrhaft Füh-
renden zu verlieren. Keine der Tagesbegeiste-
rungen fand in ihm einen blinden Akoluthen.
Er nahm niemals halb erkannte Wahrheiten,
XXX. August 1927. 2«