Neue Werke -von Anton Hanak
knieende Frau das gerettete Mädchen und den
unwillig wegstrebenden Knaben, den die Gasse
der Großstadt schon verdorben hat; zwei sehr
verschiedene Seitenansichten ergeben sich, die
eine rund und sicher umschlossen, die andere
eher hinfällig. Vorn und rückwärls schmiegen
zwei Kinder sich an, verlassen und nun geborgen
auch sie, aber noch ohne Ahnung von ihrem
Geschick. Auch hier kommt die Gruppe rein
aus dem Felsblock hervor wie ein Gewächs.
Aber ein rhythmischer Schwung, herb und schön,
durchstürmt sie und entführt das Bild des All-
tags in die hymnische Sphäre des Künstlers.
Denn das ist die Sphäre dieser Kunst in ihrer
gegenwärtigen Reife: sie verbindet die melo-
dische Form und den sittlichen Gehalt ihrer
Werke zum Hymnus. War das nicht immer so?
Daß die Dreizahl, die hier im Bilde vorge-
bracht ist, aus dem früheren Wirken Hanaks
klar hervorgeht, wird man bei einem so orga-
nischen Gestälter nicht anders erwarten. Aber
näher besehen, zeigt sie sich doch weit abge-
rückt vom Bisherigen. Der soziale Gedanke —
in erhabener Wehmut bei dem Kriegergrabmal,
werktätig aufgerichtet und fruchtbar bei den
Statuen für das Haus der Arbeit, endlich liebe-
voll ausgebreitet bei der „Großen Mutter" ■—
er schließt jetzt eins ans andere. Gewiß, schon
früher war diese Kunst, die immer das Symbol
im Auge hatte, auch allumfassend im Gefühl
gewesen; doch erst jetzt ist unter den Nach-
wirkungen des furchtbaren Krieges jenes Gefühl
bewußt geworden und geklärt zur sozialen Idee:
dem Sinnbild des Schicksals der zahl- und namen-
losen Opfer folgt das der aufrechten zukunfts-
trächtigen Geschlechter, diesem das der hilf-
reichen Menschlichkeit. Die Humanität bleibt
unpolitisch und zeitlos, aber sie schöpft jetzt
aus den Quellen des Lebens. Daran hat — und
auch das unterscheidet die Gegenwart des Mei-
sters von seinen Vergangenheiten — das Milieu,
hat die Stadt Wien ihren Anteil. Nicht allein
weil sie ihm Aufgaben gestellt hat, sondern
weil sie damit auch seinem Empfinden eine be-
stimmte Richtung gewiesen: vom Mitleid zur
Fürsorge, oder von Trauer zu neuer Tat. Man
wird schon an unseren Bildern sehen, was das
für die neue Ausdruckskraft von Hanaks Wer-
ken bedeuten mag.
Und dieser innere Aufschwung hat dann auch
seine sinnfälligen Folgen. Für die weit aus-
greifenden Gedanken werden jetzt große und
größte Massen aufgeboten. Die Mitwirkung
der Architektur und der Gewänder wird wich-
tig, der Einzelfigur tritt die Gruppe mit voller
Bedeutung zur Seite. Rein und feierlich wie
kein anderer freier Künstler erlebt Anton Hanak
den tiefern Sinn der Zeit, und beschert uns als
ein Mann von ewiger Jugend das Gabenwunder
einer neuen großen Entwicklung. viennensis.
anton hanak.
»kriegergrabmal« rückwand
knieende Frau das gerettete Mädchen und den
unwillig wegstrebenden Knaben, den die Gasse
der Großstadt schon verdorben hat; zwei sehr
verschiedene Seitenansichten ergeben sich, die
eine rund und sicher umschlossen, die andere
eher hinfällig. Vorn und rückwärls schmiegen
zwei Kinder sich an, verlassen und nun geborgen
auch sie, aber noch ohne Ahnung von ihrem
Geschick. Auch hier kommt die Gruppe rein
aus dem Felsblock hervor wie ein Gewächs.
Aber ein rhythmischer Schwung, herb und schön,
durchstürmt sie und entführt das Bild des All-
tags in die hymnische Sphäre des Künstlers.
Denn das ist die Sphäre dieser Kunst in ihrer
gegenwärtigen Reife: sie verbindet die melo-
dische Form und den sittlichen Gehalt ihrer
Werke zum Hymnus. War das nicht immer so?
Daß die Dreizahl, die hier im Bilde vorge-
bracht ist, aus dem früheren Wirken Hanaks
klar hervorgeht, wird man bei einem so orga-
nischen Gestälter nicht anders erwarten. Aber
näher besehen, zeigt sie sich doch weit abge-
rückt vom Bisherigen. Der soziale Gedanke —
in erhabener Wehmut bei dem Kriegergrabmal,
werktätig aufgerichtet und fruchtbar bei den
Statuen für das Haus der Arbeit, endlich liebe-
voll ausgebreitet bei der „Großen Mutter" ■—
er schließt jetzt eins ans andere. Gewiß, schon
früher war diese Kunst, die immer das Symbol
im Auge hatte, auch allumfassend im Gefühl
gewesen; doch erst jetzt ist unter den Nach-
wirkungen des furchtbaren Krieges jenes Gefühl
bewußt geworden und geklärt zur sozialen Idee:
dem Sinnbild des Schicksals der zahl- und namen-
losen Opfer folgt das der aufrechten zukunfts-
trächtigen Geschlechter, diesem das der hilf-
reichen Menschlichkeit. Die Humanität bleibt
unpolitisch und zeitlos, aber sie schöpft jetzt
aus den Quellen des Lebens. Daran hat — und
auch das unterscheidet die Gegenwart des Mei-
sters von seinen Vergangenheiten — das Milieu,
hat die Stadt Wien ihren Anteil. Nicht allein
weil sie ihm Aufgaben gestellt hat, sondern
weil sie damit auch seinem Empfinden eine be-
stimmte Richtung gewiesen: vom Mitleid zur
Fürsorge, oder von Trauer zu neuer Tat. Man
wird schon an unseren Bildern sehen, was das
für die neue Ausdruckskraft von Hanaks Wer-
ken bedeuten mag.
Und dieser innere Aufschwung hat dann auch
seine sinnfälligen Folgen. Für die weit aus-
greifenden Gedanken werden jetzt große und
größte Massen aufgeboten. Die Mitwirkung
der Architektur und der Gewänder wird wich-
tig, der Einzelfigur tritt die Gruppe mit voller
Bedeutung zur Seite. Rein und feierlich wie
kein anderer freier Künstler erlebt Anton Hanak
den tiefern Sinn der Zeit, und beschert uns als
ein Mann von ewiger Jugend das Gabenwunder
einer neuen großen Entwicklung. viennensis.
anton hanak.
»kriegergrabmal« rückwand