Ausstellung »Neue Kunst« Darmstadt i()2>j
julius wolfgang schülein—münchen
sinnlichstem Weltinteresse stammt. Wenn sie
hält, was sie zunächst verspricht, so ist sie die
Ankündigung einer neuen Künstlerpersönlich-
keit von Rang und Wert.
Im übrigen begegnet man in der hessischen
Abteilung einer schönen Aufraffung zur Land-
schaft bei Carl Gunschmann, der ineinander
schmelzende grüne Massen, Laubwerk und Wie-
sengründe, mit den bestimmten, geometrischen
Formen von Architekturen fesselnd kontrastiert.
Ein Stilleben von Paul Thesing zeigt sehr
schöne Einzelheiten (Krug vor blauer Fläche),
schadet sich aber durch eine nicht ganz be-
herrschte Aufzählung kleiner Objekte. Theodor
Gebürsch (Mainz) hat in einem Frauenbildnis
eine gute kompositorische Linie gefunden. Aus
einem Bildnis „Mutter mit Kind" kommt Karl
Depperts Liebermann-Anekdote ernste,
karge Art dem Beschauer gelöster als sonst ent-
gegen. Richard Walter zeigt in einer Land-
schaft eine sympathische Farbenwelt. Von Georg
Breitwieser siehtmansaubere Aquarelle, Land-
schaf t und Architektur. Bemerkenswert ist ins-
besondere auch die plastische Abteilung. Well
Habicht bringt im Gipsmodell eine nicht ganz
lebensgroße Tänzerin. Er wagt dabei mit unzwei-
felhaftem Glück eine aufgelöste Form, eine freie,
schwungvolle Bewegung, die statuarische Quali-
tät mit einem intimen Reiz und interessantem
Umriß vereinigt. Durchaus bemerkenswert ist
ein Bildniskopf (Gips) von Ali Lichtenstein,
einen hessischen Prinzen darstellend; es ist
knappe, sichere Charakteristik, organisch und
illustrativ. Auch eine aufs feinste durchstudierte
Knabenstatuette in Wachs von derselben Künst-
lerin fällt sehr vorteilhaft auf., wilhelm michel.
*
1IEBERMANN-ANEKDOTE. EinKunstfreund
j fragte Max Liebermann: warum er so
wenig arbeite. Warum er nicht dies und jenes
male. Er erziele doch so schöne Preise und alle
seine Bilder würden glatt verkauft werden. An
seiner Zigarre kauend, antwortete der Befragte:
„Wissen Se, lieber Herr, det is nich so einfach.
Ick bin nämlich mit die Kunst nich verheiratet j
ick habe een Verhältnis mit ihr." —
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julius wolfgang schülein—münchen
sinnlichstem Weltinteresse stammt. Wenn sie
hält, was sie zunächst verspricht, so ist sie die
Ankündigung einer neuen Künstlerpersönlich-
keit von Rang und Wert.
Im übrigen begegnet man in der hessischen
Abteilung einer schönen Aufraffung zur Land-
schaft bei Carl Gunschmann, der ineinander
schmelzende grüne Massen, Laubwerk und Wie-
sengründe, mit den bestimmten, geometrischen
Formen von Architekturen fesselnd kontrastiert.
Ein Stilleben von Paul Thesing zeigt sehr
schöne Einzelheiten (Krug vor blauer Fläche),
schadet sich aber durch eine nicht ganz be-
herrschte Aufzählung kleiner Objekte. Theodor
Gebürsch (Mainz) hat in einem Frauenbildnis
eine gute kompositorische Linie gefunden. Aus
einem Bildnis „Mutter mit Kind" kommt Karl
Depperts Liebermann-Anekdote ernste,
karge Art dem Beschauer gelöster als sonst ent-
gegen. Richard Walter zeigt in einer Land-
schaft eine sympathische Farbenwelt. Von Georg
Breitwieser siehtmansaubere Aquarelle, Land-
schaf t und Architektur. Bemerkenswert ist ins-
besondere auch die plastische Abteilung. Well
Habicht bringt im Gipsmodell eine nicht ganz
lebensgroße Tänzerin. Er wagt dabei mit unzwei-
felhaftem Glück eine aufgelöste Form, eine freie,
schwungvolle Bewegung, die statuarische Quali-
tät mit einem intimen Reiz und interessantem
Umriß vereinigt. Durchaus bemerkenswert ist
ein Bildniskopf (Gips) von Ali Lichtenstein,
einen hessischen Prinzen darstellend; es ist
knappe, sichere Charakteristik, organisch und
illustrativ. Auch eine aufs feinste durchstudierte
Knabenstatuette in Wachs von derselben Künst-
lerin fällt sehr vorteilhaft auf., wilhelm michel.
*
1IEBERMANN-ANEKDOTE. EinKunstfreund
j fragte Max Liebermann: warum er so
wenig arbeite. Warum er nicht dies und jenes
male. Er erziele doch so schöne Preise und alle
seine Bilder würden glatt verkauft werden. An
seiner Zigarre kauend, antwortete der Befragte:
„Wissen Se, lieber Herr, det is nich so einfach.
Ick bin nämlich mit die Kunst nich verheiratet j
ick habe een Verhältnis mit ihr." —
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