Europäisches Kunstgew er he 1927
AUSSTELLUNGSRAUM GROSSBRITANNIEN
Dergestalt ausgeklärte Ergebnisse suchte man
vergeblich in Paris — von wenigen erdrückten
Ausnahmen abgesehen —, man bemerkte nur
verwaschene und überholte Spuren, die von
einem ersten Anlauf jener Bewegung herrühr-
ten. Deutschland stand bekanntlich außerhalb
des Ringes der in Paris konferierenden Nationen.
Es würde mit seiner zweifellos gegenwartsge-
mäßesten Produktion das große Thema in eine
andere Tonart hinübergenötigt haben. Da man
aber keine Veranlassung hatte, sich mit einem
Außenseiter zu vergleichen, so konstruierte man
bezeichnenderweise den übernationalen Maß-
stab für die Entwicklungsreife des „modernen"
Formausdruckes von der Ebene des spezifisch
französischen Problems aus, das als objektiven
Exponenten den historischen Kanon bot — die
dekadente Schönheit des klassizistischen Pro-
fils. Der russische Radikalismus wurde nur als
modisches Experiment eines Peripheriestaates
gewogen; Schwedens wahrhaft geläuterte Form-
kultur kam gegen den brandenden Ansturm der
„Auch-Modernen" nicht auf; Österreichs femi-
nin-kapriziöser Formgeist war nicht geeignet,
»EUROPÄISCHES KUNSTGEWERBE« LEIPZIG
den typisch deutschen „versachlichten" Form-
willen zu repräsentieren. Am deutschen Erfolge
in Monza aber konnte man in Paris die kultur-
politische Bedeutung der Abwesenheit dieses
Landes ermessen. Und man mußte zugeben:
der interessante Querschnitt blieb eben doch
fragmentarisch.
In Deutschland, wo man seit über zwanzig
Jahren kein ausländisches Kunstgewerbe mehr
gesehen hat, wartet man nun auf die große inter-
nationale Ausstellung in Berlin 1930! Diesem
noch in weitem Felde liegenden Ereignis ist nun
Prof. Dr. Richard Graul, der verdienstvolle
Direktor des Kunstgewerbe-Museums in Leip-
zig, mit der Ausstellung „Europäisches Kunstge-
werbe 1927" zuvorgekommen, die das Berliner
Resultat in zwar verkleinertem, aber sehr ein-
drücklichem Maßstabe vorwegzunehmenscheint j
vielleicht nicht ganz ausbalanciert in bezug auf
das deutsche Gewichtsverhältnis innerhalb des
Komplexes von 9 Auslandsstaaten und allzu
einseitig begrenzt in bezug auf die Repräsen-
tationitaliens durch Veninis edelgeformte mura-
neser Gläser. Die übrigen Nationen reden eine
AUSSTELLUNGSRAUM GROSSBRITANNIEN
Dergestalt ausgeklärte Ergebnisse suchte man
vergeblich in Paris — von wenigen erdrückten
Ausnahmen abgesehen —, man bemerkte nur
verwaschene und überholte Spuren, die von
einem ersten Anlauf jener Bewegung herrühr-
ten. Deutschland stand bekanntlich außerhalb
des Ringes der in Paris konferierenden Nationen.
Es würde mit seiner zweifellos gegenwartsge-
mäßesten Produktion das große Thema in eine
andere Tonart hinübergenötigt haben. Da man
aber keine Veranlassung hatte, sich mit einem
Außenseiter zu vergleichen, so konstruierte man
bezeichnenderweise den übernationalen Maß-
stab für die Entwicklungsreife des „modernen"
Formausdruckes von der Ebene des spezifisch
französischen Problems aus, das als objektiven
Exponenten den historischen Kanon bot — die
dekadente Schönheit des klassizistischen Pro-
fils. Der russische Radikalismus wurde nur als
modisches Experiment eines Peripheriestaates
gewogen; Schwedens wahrhaft geläuterte Form-
kultur kam gegen den brandenden Ansturm der
„Auch-Modernen" nicht auf; Österreichs femi-
nin-kapriziöser Formgeist war nicht geeignet,
»EUROPÄISCHES KUNSTGEWERBE« LEIPZIG
den typisch deutschen „versachlichten" Form-
willen zu repräsentieren. Am deutschen Erfolge
in Monza aber konnte man in Paris die kultur-
politische Bedeutung der Abwesenheit dieses
Landes ermessen. Und man mußte zugeben:
der interessante Querschnitt blieb eben doch
fragmentarisch.
In Deutschland, wo man seit über zwanzig
Jahren kein ausländisches Kunstgewerbe mehr
gesehen hat, wartet man nun auf die große inter-
nationale Ausstellung in Berlin 1930! Diesem
noch in weitem Felde liegenden Ereignis ist nun
Prof. Dr. Richard Graul, der verdienstvolle
Direktor des Kunstgewerbe-Museums in Leip-
zig, mit der Ausstellung „Europäisches Kunstge-
werbe 1927" zuvorgekommen, die das Berliner
Resultat in zwar verkleinertem, aber sehr ein-
drücklichem Maßstabe vorwegzunehmenscheint j
vielleicht nicht ganz ausbalanciert in bezug auf
das deutsche Gewichtsverhältnis innerhalb des
Komplexes von 9 Auslandsstaaten und allzu
einseitig begrenzt in bezug auf die Repräsen-
tationitaliens durch Veninis edelgeformte mura-
neser Gläser. Die übrigen Nationen reden eine