Europäisches Kunstgewerbe 192J
»EUROPÄISCHES KUNSTGEWERBE«
»DANISCHE SILBER-ARBEITEN«
eindeutig klare Sprache und enthüllen ohne
irreführenden Ehrgeiz nach „letzter", radika-
ler Modernität verborgenste Wesenszüge, unge-
schminkte Werkbekenntnisse. Mag auch der
Zwang zu einer internen Einfügung der Abtei-
lungen in die schlichten Räume des neu erbau-
ten Grassimuseums zu einer maßvolleren und
auch verbindlicheren Gebärde nationaler Dar-
stellung geführt haben — man kann sich auch
bei absoluter Betrachtung der Darbietungen
nicht der Erkenntnis verschließen, daß das Kunst-
gewerbe des Auslandes nur die Existenz einer
Schaustellung, nicht aber ihren Effekt wollte.
Dieser Unterschied zwischen Leipzig 1927 und
Paris 1925, der ganz sinnfällig in Erscheinung
tritt, nährt die Hoffnung auf eine wachsende
Angleichung des geistigen Prinzipes, das als ge-
klärtere Erkenntnis den neuen Ausstellungs-
willen befruchtet.
Frankreich, um das aktuellste Problem zu-
erst zu berühren, zeigt den Geschmack von
gestern, die vornehme, ein wenig resignierte
Eleganz einer dekorativen Harmonie, die sich
dem lebensnotwendigen Fortschritt entgegen-
stemmt. Was man an jüngsten Formgebilden
sieht — einen schwarzpolierten Schreibtisch
von Charreau — ist ein grundsätzlicher Fehl-
treffer: Steinkonstruktion, totenhaft starr. Alles
übrige (hier nenne ich vor allem die plastisch
ornamentierten Gläser von Lalique) ist über-
betonte Dekoration, dekorative Meditation. Der
Fortschritt geht aber allein von der Konstruk-
tion aus! Belgien, das Land Van de Veldes,
enttäuscht durch eine dekorative Stilistik, über
die es in Wirklichkeit hinausgewachsen ist.
Holland zeigt sich wesentlich beweglicher;
doch hat es hier noch nicht den reinen Ton ur-
sprünglicher Schöpferkraft gefunden, der seiner
Architektur die Prägnanz absoluter Zeiterfühlt-
heit gibt. England verhält sich kühl und tem-
peramentlos. Man spürt hier nicht den leben-
digen Atem einer Entwicklung. Die Form er-
starrt in Solidität. Das schweizer Kunstge-
werbe tangiert romanische und germanische
Formgehalte, durchstählt sie aber mit der männ-
lichen Kraft eines geraden Volkscharakters.
»DANISCHE SILBER ARBEITEN« AUF DER AUSSTELLUNG EUROPÄISCHES KUNSTGEWERBE—LEIPZIG
342
»EUROPÄISCHES KUNSTGEWERBE«
»DANISCHE SILBER-ARBEITEN«
eindeutig klare Sprache und enthüllen ohne
irreführenden Ehrgeiz nach „letzter", radika-
ler Modernität verborgenste Wesenszüge, unge-
schminkte Werkbekenntnisse. Mag auch der
Zwang zu einer internen Einfügung der Abtei-
lungen in die schlichten Räume des neu erbau-
ten Grassimuseums zu einer maßvolleren und
auch verbindlicheren Gebärde nationaler Dar-
stellung geführt haben — man kann sich auch
bei absoluter Betrachtung der Darbietungen
nicht der Erkenntnis verschließen, daß das Kunst-
gewerbe des Auslandes nur die Existenz einer
Schaustellung, nicht aber ihren Effekt wollte.
Dieser Unterschied zwischen Leipzig 1927 und
Paris 1925, der ganz sinnfällig in Erscheinung
tritt, nährt die Hoffnung auf eine wachsende
Angleichung des geistigen Prinzipes, das als ge-
klärtere Erkenntnis den neuen Ausstellungs-
willen befruchtet.
Frankreich, um das aktuellste Problem zu-
erst zu berühren, zeigt den Geschmack von
gestern, die vornehme, ein wenig resignierte
Eleganz einer dekorativen Harmonie, die sich
dem lebensnotwendigen Fortschritt entgegen-
stemmt. Was man an jüngsten Formgebilden
sieht — einen schwarzpolierten Schreibtisch
von Charreau — ist ein grundsätzlicher Fehl-
treffer: Steinkonstruktion, totenhaft starr. Alles
übrige (hier nenne ich vor allem die plastisch
ornamentierten Gläser von Lalique) ist über-
betonte Dekoration, dekorative Meditation. Der
Fortschritt geht aber allein von der Konstruk-
tion aus! Belgien, das Land Van de Veldes,
enttäuscht durch eine dekorative Stilistik, über
die es in Wirklichkeit hinausgewachsen ist.
Holland zeigt sich wesentlich beweglicher;
doch hat es hier noch nicht den reinen Ton ur-
sprünglicher Schöpferkraft gefunden, der seiner
Architektur die Prägnanz absoluter Zeiterfühlt-
heit gibt. England verhält sich kühl und tem-
peramentlos. Man spürt hier nicht den leben-
digen Atem einer Entwicklung. Die Form er-
starrt in Solidität. Das schweizer Kunstge-
werbe tangiert romanische und germanische
Formgehalte, durchstählt sie aber mit der männ-
lichen Kraft eines geraden Volkscharakters.
»DANISCHE SILBER ARBEITEN« AUF DER AUSSTELLUNG EUROPÄISCHES KUNSTGEWERBE—LEIPZIG
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