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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Michel, Wilhelm: "Die Landschaft ist ein Seelenzustand"
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0401

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WILHELM KOHLHOFF—BERLIN

GEMÄLDE »UBERFAHRT«

„DIE LANDSCHAFT IST EIN SEELENZUSTAND"

A ls der Genfer Philosoph undMystiker Amiel
X~\ vor mehreren Jahrzehnten den Satz prägte:
„Die Landschaft ist ein Seelenzustand", sprach
er einen Grundgedanken des impressionistischen
Idealismus aus. Das Wort „Landschaft" in dem
angeführten Satze ist in einem doppelten Sinne
gemeint. Es bezeichnet erstens die Landschaft
als Naturgegebenheit und zweitens die Land-
schaft als Motiv und Objekt künstlerischer Dar-
stellung. Aber beidemale will der Satz sagen,
daß das Wesentliche an der Landschaft die be-
stimmte Seelenschwingung sei, die das Er-
blicken und künstlerische Gestalten eines land-
schaftlichen Gefüges begleitet.

Was ist vom heutigen Standpunkt aus zu
diesem Satze zu sagen?

Er enthält ohne Zweifel eine wichtige Teil-
Wahrheit. Alle sinnlichen Eindrücke treffen
den Menschen nicht als einen bloßen Registrier-
Apparat, sondern sie begegnen in ihm einem
mitschwingenden Element; ja einem Element,

das nicht nur mitschwingt, sondern auch so
viel eigene Schwingung hat, daß sich Objek-
tives und Subjektives darin nicht immer genau
trennen lassen. Es gibt ohne Zweifel einen
wesentlichen subjektiven Bestandteil in allem,
was wir von der Welt sehen, hören und wissen.

Wenn also ein Mensch sagt, die Landschaft
ist ein Seelenzustand, so stellt er eine Wahr-
heit, mindestens eine Teil-Wahrheit fest. Aber
er tut zugleich noch etwas anderes: er zieht diese
Teil-Wahrheit in sein Bewußtsein und zwar so,
daß sie das Bewußtsein völlig ausfüllt. Wer sich
selbst vorsagt: die Landschaft ist ein Seelenzu-
stand, der drängt eben dadurch die objektiven
Bestandteile des landschaftlichen Wesens in den
Hintergrund. Er erklärt dadurch, daß er sich
nur mit der Spiegelung der Landschaft, mit
der durch sie erregten Seelenschwingung ab-
geben und die Frage nach dem realen An-Sich
der Landschaft beiseite schieben wolle. Er zieht
sich auf eine Gegebenheit in seinem Ich zurück
 
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