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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 60.1927

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Schürer, Oskar: Modernes Sammlertum
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https://doi.org/10.11588/diglit.9255#0413

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R. CH. ANDERSEN—WIEN GEMÄLDE »STILLEBEN«

MODERNES SAMMLERTUM

Sicher war es reines Genießertum, was das
Sammeln von Kunstwerken begründete. Die
ersten Kunstkammern der Fürsten und Mäzene
häuften Schätze um Schätze und Ehrgeiz des
Besitzes stritt oft mit dem Verständnis der Aus-
wahl. Bestimmte Vorlieben brachten dann schon
ein aktiveres Moment ins Sammlertum. Und
immer, wenn es um zeitgenössische Kunst ging,
stieß ein aktiver Sammlertypus kühn vorwärts,
schuf dem Neuen Basis und Resonanz, woran
die Zeit dann heranreifen konnte zu bewußtem
Verstehen ihrer selbst.

Um solch aktives Sammlertum muß es auch
heute wieder vor allem zu tun sein. Passiver
Sammeleifer mag seine Sondergelüste pflegen,
mag in Scherben und Fetzen Vollständigkeit
erjagen oder — besser — in Meisterwerken,
die die Zeit längst in unanfechtbare Neutralität
hinaufgehoben hat, das ewige Gut der Kunst-
welt wahren. Der kämpfende Sammler aber ist
Gewähr der Zukunft. Ihm ist aufgegeben, Zeit-
launen und Zeittaten zu sondern, jene zu ver-
werfen, diese zu halten, bis die Allgemeinheit
erkennt, in wessen Geist sie sich spiegelt.

Die großen Impressionisten-Sammler waren
solche Kämpfer. Auch der Expressionismus hat
seine Sammler gefunden. Immer wirkte das
Objekt auf den Charakter der Sammlung zurück.
So bargen die Sammler der letzten Generation
unter den Werken ihrer Zeitgenossen gerne
solche längstverklungener Epochen, in denen
die lebende Kunst ein ihr Wahlverwandtes ent-
deckte. Da hängen neben frühen Heckeis die
mittelalterlichen Tafeln, neben Paul Klee alt-
persische Miniaturen. Das Ewige expressioni-
stischen Weltgefühls sollte erwiesen werden, Be-
rechtigung wie Stoßkraft des Neuen erweisend,

Solche Erweiterung des Sammeins dämpfte
aber ihre Aktivität doch in etwas wieder ab.
Die Schwungweite der angeschlagenen Rhyth-
men absorbierte ihre Stoßkraft. Schon drohte
wieder höchstes Genießertum, schon schwand
der Elan des Nur-Heute. Solange die expres-
sionistischen Impulse noch kraftvoll vorwärts
stießen, war solche Einstellung günstig. Heute,
in der etwas unsicheren Situation werdender
Kunst, zeigen sich deutlicher die in solchem
Sammlertum lauernden Gefahren.
 
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