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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0061
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Iii. Die Gruppe des Bildes von Kamuliana.

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Der ältere Bericht stammt aus der Zeit, bald nach 560 und
vor 574. Er ist uns leider nur in verstümmelter Gestalt durch
eine syrische Übersetzung erhalten. Hier steht die wunderbare
Entstehung des Bildes in engstem Zusammenhang mit einer Be-
kehrungsgeschichte: Eine heidnische Frau, namens Hypatia, will
an Christus nicht glauben, wenn sie ihn nicht sehen kann —
ein charakteristischer Zug echt griechischer Auffassung.1) Da
findet sie eines Tages in einem Bassin ihres Parkes ein auf Lein-
wand gemaltes Bild, das sie sofort — wie, ist nicht gesagt —
als ein Bild Christi erkennt.2) Es bekundet seinen wunderbaren
Charakter alsbald dadurch, dass es, aus dem Wasser gezogen,
sich trocken erweist, und, in das Gewand der Frau gehüllt, hier
einen treuen Abdruck hinterlässt.

Wann diese Geschichte spielt, ist nicht gesagt. Vielleicht,
dass der jetzt verlorene Eingang genauere Aufschlüsse gewährte.
Hier war sicherlich auch der Mann näher bezeichnet, der sich
um Hypatias Bekehrung bemühte. Daraus, dass eine Heidin
auftritt, darf man nicht ohne weiteres auf vorkonstantinische
Zeit schliessen: es gab gerade in Kleinasien bis unter Justinian
eine wohlorganisierte heidnische Hierarchie mit zahlreichen An-
hängern, namentlich unter dem Landvolke.3) Der jüngere Be-
richt nennt die Zeit Diokletians, aber es ist bekannt, dass auf
diese späterhin alles gehäuft wurde, was mit Christenverfolgungen
zusammenhing; und wenn daneben dort der Zeit des Theodosios I.
und des Gregor von Nyssa Erwähnung geschieht, so haben wir
oben gesehen, wie bereit man im 6. Jahrhundert war. dieser
klassischen Zeit griechischer Theologie Geschichten von Wunder-
bildern zuzuschieben.4) Wir können auf dieses Zeugnis hin das
Alter des Bildes von Kamuliana unmöglich bestimmen: genug,
dass es in der Zeit Justinians vorhanden war, und man sich seine

1) Treffend hat E. Schwarzlose in diesem Sinne Joh. 12 20 als Motto
seiner Schrift über den griechischen Bilderstreit, 1S90, vorangestellt. S.
dort S. 237.

2) Als Parallele dazu kann man die Erzählung des Varro bei Apuleius
de magia oratio ed. Bipont. 1788, II, 47 vergleichen (cf. J. Burckhardt, die
Zeit Konstantins des Grossen2 1880, 224).

3) s. Geizer bei Krumbacher2 940.

4) s. Kap. II S. 35.
 
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