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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0063
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III. Die Gruppe des Bildes von Kamuliana.

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Der wesentliche Ertrag" dieser Geschichte ist der, dass man
zur Zeit Justinians von mehreren (mindestens drei) wunderbar
entstandenen Christusbildern wusste. Ihre Fundorte lagen dicht-
bei einander, in Kappadokien und in dem angrenzenden Pontos.
Die theologisch beeinflusste Legende suchte diese in etwas ratio-
nalisierender Art auf ein Original mit zwei wunderbar entstan-
denen Kopien zurückzuführen: als Original galt das Bild von
Kamuliana. Vielleicht darf man auch darauf hinweisen, dass
der Erzähler die Bezeichnung „Achiropoi'itos" als eine Besonder-
heit der Gegend von Diobulion hervorhebt. Das klingt fast so
als sei dieser Name, ■— und damit vielleicht auch die darin
liegende Vorstellung — zu seiner Zeit noch nicht allgemein ge-
läufig gewesen.

Ganz anderer Art ist der jüngere Bericht, eine unter dem
Kamen Gregors von Nyssa (f nach 394) gehende Festpredigt aus der
Zeit zwischen 600 und 750, eher gegen Ende dieser Zeit verfasst:
Er ist dem älteren durchweg unterlegen in Geschlossenheit der
Komposition, wie in Anschaulichkeit der geschichtlichen Situation.
Steht dort das politische Bild im Vordergrund des Interesses, so
vertritt die jüngere Darstellung die Überlieferung von Kaisareia.
Sie kennt nur ein Bild, das in Kamuliana zur Zeit Diokletians
(284—305) wunderbar entstanden, unter Theodosios I. (379—395)
wunderbar wieder aufgefunden und nach Kaisareia gebracht
worden ist. Hier wird es zur Zeit des A'erfassers noch verehrt:
indem er davon redet, kann er auf dasselbe hinweisen, wie es
vor den Augen seiner Zuhörer steht.

Die Entstehung des Bildes ist mangelhaft motiviert und
im Geschmacke einer späteren Zeit höchst grotesk ausgemalt:
Bassa, als Christin Aquilina genannt, die Gemahlin des heid-
nischen Präfekten (τοπάρχης) von Kamuliana, mit dem für ge-
schichtliche Überlieferung höchst bedenklichen Namen Kamulos.
ist im Herzen Christin, während ihr Mann die Christen eifrig-
verfolgt. Sie wünscht sich die Taufe, aber wagt aus Furcht vor
dem Gatten nicht ihr Christentum öffentlich zu bekennen. Da-
raufhin wird sie einer Christuserscheinung gewürdigt: man er-
wartet, behufs wunderbar von Christus selbst zu vollziehender
Taufe; aber davon verlautet nichts. Vielmehr zielt die stark an
Göttererscheinungen der antiken griechischen Mythologie er-
innernde Christophanie lediglich hin auf die Herstellung des
 
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