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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0082
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ν. Dobschütz, Christusbilder.

dem Hauptthor einer dortigen Kirche erzählte man sich, damals
sei hier ein Götzentempel gewesen, und jenes Thor habe sich
vor dem ankommenden Jesus verschlossen, ihm den Eintritt
wehrend: noch jetzt stehe es daher verschlossen, und niemand ver-
möge es zu öffnen.1) In derselben Kirche zeigte man nun auch ein
Linnen-Gewand (pallium lineum), in dem angeblich Jesus sein An-
gesicht abgewischt hatte. Offenbar ist dabei an das Jesuskind
gedacht, und dies pallium gehört vielleicht zu den Windeln,
von denen die Kindheitsevangelien allerlei Wunder zu erzählen
wissen.2) Dies Tuch sollte den Abdruck der Züge Jesu bewahren,
und wurde demgemäss an bestimmten Festtagen von den Gläubigen
verehrt.3) Unser Berichterstatter, ■— der einzige, der davon er-

hier berührten Geschichten von Memphis. Allerdings weiss das arabische
Kindheitsevangelium c. 25 (Tischendorf, Evang. apocr.2 193), dass Jesus in
Ägypten zahlreiche Wunder that quae neque in evangelio infantiae neque
m evangelio perfecto scripta reperiuntur. Der künftige Bearbeiter der Kind-
heitsevangelien wird zu untersuchen haben, ob derartige Erzählungen
spätere lokale Nachtriebe der Legende sind — das ist das wahrscheinliche

— oder ob darin sich alte Stoffe erhalten haben. Bei Ps.-Matthaeus 222 wird
nur die Stadt Sotinen (?) im Gau Hermopolis (weit nilaufwärts, in der
Mitte zwischen Memphis und Theben, gemeint ist aber wohl Heliopolis
im Norden von Memphis) genannt. Der Araber lässt die h. Familie viele
Städte Ägyptens durchziehen, bis sie schliesslich nach Memphis kommen,
und hier den Pharao sehen (!). Zu Memphis zeigte man auch später noch
den Palast des Pharao, in dem Joseph (d.h. der Erzvater) ein und ausging
(s. Petrus Diaconus [c. 1140] de locis sanctis, ed. Gamurrini mit S. Hilarii
tractatus ... et S. Silviae Aquitanae peregrinatio ad loca sancta 1S87, p. 135

— wahrscheinlich nach dem Bericht der aquitanischen Pilgerin von c. 380).
Bemerkenswert ist übrigens, dass gegen Ende des 4. Jahrhunderts die
Lokalisierung der Kindheitsgeschichte in Ägypten noch kaum begonnen
zu haben scheint. Die aquitanische Pilgerin erwähnt nur alttestamentliche
Reminiszenzen.

1) Wie die ganze apokryphe Geschichte Jesu in Ägypten, so wird
auch dieser Zug aus einer Prophetenstelle herausgesponnen sein: vielleicht
ist an Ezech. 442 gedacht. Doch scheint die Vorstellung hier eine andere.

2) Vgl. bes. Evang. inf. arab. 29 (Tischendorf, Evang. apocr.2 195).
Die Windeln Jesu gehören später mit zu den höchsten Reliquien von By-
zanz; s. ζ. B. Georgios Kedr. II 516 (= Belege zu Kap. V 78e). Antonios
von Novgorod (Riant II 219); das Limburger Reliquienkreuz.—Nik. Müller,
RE3 IV 0744 übersetzt: linnener Mantel: pallium kann aber jede Decke,
auch selbst Lappen sein. Ev. inf. arab. 29 zeigt, dass man aus einer
fasciola (Windel) auch eine mhucala (Hemd) machen kann.

3) Zu singulis ternporibus ist zu vergleichen Beilage III. § 7. —
 
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