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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0184
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164

ν. Dobschütz, Christusbilder.

in der Liturgie verwendete Hymnen.') Sie mögen aus demselben
Kreise stammen, dem wir auch jenen liturgischen Entwurf ver-
danken. Ein kurzes Kathisma feiert den Glauben Abgars, der
auf die Kunde von Christi Wundern zu ihm sandte und dann
im Bilde seinen Gott und Herrn selbst erkannte und verehrte.
Ein dreistrophiger Gesang für den Abendgottesdienst giebt
dem Gefühl heiligen Schauers vor dem unbegreiflichen Mysterion
Ausdruck, dass Erdgeborene mit Augen schauen dürfen das Ant-
litz dessen, vor dem Cherubim und Seraphim ihr Angesicht
verhüllen. Unwürdig zu schauen, wäre die schwerste Sünde.
Aber obwohl immer von Schauen die Rede ist: dass die Gemeinde
das Bild wirklich gesehen habe, ist nicht gesagt; es lag ver-
mutlich im h. Schrein, oder war umhüllt mit heiligen Decken.
Auf das Schauen des Glaubens kommt es an, auf das Begrüssen
[άϋπάζεϋϋ'αι), das Anbeten (προΰκννείν). Der hier zum Schluss
angeschlagene Ton, der in der Erscheinung des Bildes das Mys-
terion der Menschwerdung zur Geltung bringt, klingt dann in
vollen Akkorden weiter in dem grossen Kanon für die Haupt-
liturgie, der auf das Akrostichon

Οης έχοφράγιομα ϋώτερ όψεως οέβω
den Abdruck deines Angesichts, ο Heiland, bet' ich an
aufgebaut ist. In immer neuen Wendungen werden hier die
Gedanken durchgeführt, dass Christus, der Mensch gewordene
göttliche Logos, ehe er in den Himmel zurückkehrte, in diesem
Bilde der Menschheit ein Unterpfand seiner gottmenschlichen
Eigenschaften hinterliess; dass es eine besondere göttliche Fügung
sei, dass durch die besondere Frömmigkeit des Kaisers dieser
Schatz den Händen der Ungläubigen entrissen und für die Haupt-
stadt des Reiches gewonnen sei; ward zu Jerusalem Christus von
dem gottlosen Volke der Juden gekreuzigt, so wird um so eifriger
von dem frommen Volke der Hauptstadt sein Bild verehrt; dessen
Einzug unter Teilnahme des ganzen hohen Klerus und des Kaiser-
hauses ist ein Gegenbild zu der Einholung der Bundeslade, da
der königliche Psalmensänger vor dem Heiligtum hertanzte.
Nun ist die Stadt, sind die Könige der göttlichen Hilfe gewiss.
Aber auch seine Heilkräfte wird das Bild dem gläubigen Volke
von Konstantinopel spenden, wie einst zu Edessa.

1) s. 59 (Π Φ).
 
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