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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0239
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VI. Die Veronica-Legende.

219

könnte sich den Vorgang nach der Analogie dessen denken, was
wir von dem Palladion im Vestatempel zu Rom erfuhren.^ Vor-
handen war da zunächst die vielleicht von gelehrter Kombination
geschaffene Uberlieferung, das Palladion sei nach Rom gebracht,
im Tempel der Vesta werde es bewahrt. So begegnen wir der
bestimmten Behauptung des Vorhandenseins eines Palladion in
diesem Heiligtume zu einer Zeit, für die wir bestimmt nachweisen
können, dass in dem Tempel nichts ausser dem h. Feuer bewahrt
wurde. Weiterhin aber hat der immer allgemeiner werdende
Glaube, der die festeste dogmatische Form annahm, dahin ge-
wirkt, dass wirklich solch ein Bild im Vestatempel Aufstellung
fand: was unter Augustus noch fehlte, war unter Elagabal sicher
vorhanden.

Im Fall der Veronica scheint es doch anders gegangen zu
sein: es ist sehr zu vermuten, dass schon länger ein Christusbild
vorhanden war, das man nur nachträglich erst mit der Veronica-
legende in Verbindung brachte. Bereits 705 hatte Papst Johann VII.
in der Basilica S. Peters auf der rechten Seite das Oratorium
der Gottesmutter eingerichtet, später nach der dort aufgestellten
Krippe S. Maria ad Praesepe genannt, es mit prächtigen Mosaiken
und in Gold und Silber gearbeiteten Bildern der Väter, die rechts
und links Aufstellung fanden, geschmückt. Von dem Veronica-
bilde ist in der gleichzeitigen Quelle, dem Papstbuche,2j nicht
die Rede. Erst der päpstliche Notar unter Paul V., Jacob
Grimaldi, scheint in einem anlässlich der Überführung des h.
Bildes in die neue Peterskirche am 21. März 1606 abgefassten
Instrument,3) das genaue Angaben über die Geschichte des Bildes
und über seine Aufbewahrung in der alten Basilica enthält, den
Altar mit dem prächtigen marmornen Ciborium, in welchem das
h. Bild lag, auf Johann VII. (705) zurückgeführt zu haben. Die
Konsekration dieses Altares ward freilich zugleich mit der des
Altares der Maria ad Praesepe am 23. Nov. gefeiert.4) Aber das
beweist nicht, dass beide aus der gleichen Zeit stammen. That-

1) s. S. 9. A. 4.

2) s. 4 und 22 c; unbrauchbar als Beleg für älteren Kultus der Veronica
ist auch 7.

3) abgedruckt bei Bzovius ad a. 1216.

4) s. 11.
 
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