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ν. Dobschütz, Christusbilder.
5. Jahrhunderts ein natürliches Christusbild auf. Von der Mitte
des 6. Jahrhunderts an herrscht in der griechischen Abgarlegende
der Gedanke des wunderbar entstandenen Christusbildes, das an
die Stelle des Christusbriefes tritt. Die Veronicalegende will da-
gegen die Bestrafung des Pilatus erklären: daher erzählt sie von
der Krankheit des Kaisers Tiberius, von seinem Verlangen Jesus
zu sehen, von dem vergeblichen Suchen seiner Boten, bis sie bei
Veronica, der von Jesus geheilten Blutfiüssigen, ein Christusbild
finden, das diese aus dankbarer Liebe sich hat malen lassen, endlich
von der Heilung des Kaisers durch gläubige Verehrung des Bildes
und von der Bestrafung des Pilatus, gelegentlich auch der Juden.
Das Christusbild hier stammt nicht aus der syrischen Abgar-
legende, sondern aus der Legende von Paneas.
Andererseits lassen sich die Parallelen zwischen beiden
Legenden in ihrer weiteren Entwickelung viel weiter durchfuhren,
als Grimm auf Grund der ihm bekannten Quellen ahnen konnte.
Die sämtlichen Elemente der Legende: Anlass der Botschaft,
Krankheit des Kaisers, Art der Heilung, Entstehung des Bil-
des u. s. w. werden in ganz ähnlicher Weise in beiden Legenden
variiert.1) Um nur einzelne Beispiele zu nennen: bei Abgar wie
bei Tiberius erscheint als Krankheit am häufigsten Aussatz;
aber daneben auch andere Krankheiten. Dem Podagra Abgars
entspricht die Lähmung des Tiberius beim sog. Regenbogen.2)
Wie dort neben dem Fürsten Abdu bar Abdu Heilung erfährt, so
hier in einer jungen Form Volusian der Kaiserbote.3) Tiberius
verspricht nach einer der ältesten Formen der Veronicalegende
als Lohn für seine Heilung die Hälfte des Reiches, dasselbe hat
die jüngste Form der Abgarlegende bei dem Jesuiten Xavier,4)
beide natürlich aus Mark. 623; denn wenn auch Xavier die
Veronicalegende kannte, so doch kaum in jener alten Form,
ebensowenig wie in der Fassung des wilden Mannes. Und doch
berührt sich der Jesuit des 16. Jahrhunderts mit dem deutschen
Dichter des 12. in dem Gedanken, dass der Meister bei mehr-
maligem vergeblichen Versuche Jesum zu malen stets glaubt, es
getroffen zu haben, bis ihn ein Vergleich mit dem Original
seines Irrtums belehrt.5) Wie der cwilde Mann' auf den Gedanken
1) vgl. S. 127 ff. mit S. 242 ff.
3) vgl. V 3 u. a. mit VI 112 d.
5) vgl. V 109 mit VI 23.
2) vgl. V 20. 41. 69 a mit VI 74.
4) vgl. VI 3 (Tisch.2 479) mit V 109.
ν. Dobschütz, Christusbilder.
5. Jahrhunderts ein natürliches Christusbild auf. Von der Mitte
des 6. Jahrhunderts an herrscht in der griechischen Abgarlegende
der Gedanke des wunderbar entstandenen Christusbildes, das an
die Stelle des Christusbriefes tritt. Die Veronicalegende will da-
gegen die Bestrafung des Pilatus erklären: daher erzählt sie von
der Krankheit des Kaisers Tiberius, von seinem Verlangen Jesus
zu sehen, von dem vergeblichen Suchen seiner Boten, bis sie bei
Veronica, der von Jesus geheilten Blutfiüssigen, ein Christusbild
finden, das diese aus dankbarer Liebe sich hat malen lassen, endlich
von der Heilung des Kaisers durch gläubige Verehrung des Bildes
und von der Bestrafung des Pilatus, gelegentlich auch der Juden.
Das Christusbild hier stammt nicht aus der syrischen Abgar-
legende, sondern aus der Legende von Paneas.
Andererseits lassen sich die Parallelen zwischen beiden
Legenden in ihrer weiteren Entwickelung viel weiter durchfuhren,
als Grimm auf Grund der ihm bekannten Quellen ahnen konnte.
Die sämtlichen Elemente der Legende: Anlass der Botschaft,
Krankheit des Kaisers, Art der Heilung, Entstehung des Bil-
des u. s. w. werden in ganz ähnlicher Weise in beiden Legenden
variiert.1) Um nur einzelne Beispiele zu nennen: bei Abgar wie
bei Tiberius erscheint als Krankheit am häufigsten Aussatz;
aber daneben auch andere Krankheiten. Dem Podagra Abgars
entspricht die Lähmung des Tiberius beim sog. Regenbogen.2)
Wie dort neben dem Fürsten Abdu bar Abdu Heilung erfährt, so
hier in einer jungen Form Volusian der Kaiserbote.3) Tiberius
verspricht nach einer der ältesten Formen der Veronicalegende
als Lohn für seine Heilung die Hälfte des Reiches, dasselbe hat
die jüngste Form der Abgarlegende bei dem Jesuiten Xavier,4)
beide natürlich aus Mark. 623; denn wenn auch Xavier die
Veronicalegende kannte, so doch kaum in jener alten Form,
ebensowenig wie in der Fassung des wilden Mannes. Und doch
berührt sich der Jesuit des 16. Jahrhunderts mit dem deutschen
Dichter des 12. in dem Gedanken, dass der Meister bei mehr-
maligem vergeblichen Versuche Jesum zu malen stets glaubt, es
getroffen zu haben, bis ihn ein Vergleich mit dem Original
seines Irrtums belehrt.5) Wie der cwilde Mann' auf den Gedanken
1) vgl. S. 127 ff. mit S. 242 ff.
3) vgl. V 3 u. a. mit VI 112 d.
5) vgl. V 109 mit VI 23.
2) vgl. V 20. 41. 69 a mit VI 74.
4) vgl. VI 3 (Tisch.2 479) mit V 109.