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Dobschütz, Ernst von
Christusbilder: Untersuchungen zur christlichen Legende — Leipzig, 1899

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https://doi.org/10.11588/diglit.4919#0980
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326**

ν. Dobschütz, Christusbilder.

Thatsächlich haben wir verschiedene französische Übersetzungen
(φ1 belgisch, φ2"6 französisch), während ($lab und ε1 die Verbrei-
tung in Nieder-, Mitteldeutschland und England schon für das
14. Jahrhundert beweisen; es kann demnach keinem Zweifel unter-
liegen, dass dieses Stück im 14. Jahrh. anonym, nur mit der
wohl fictiven Quellenangabe: „aus den römischen Annalen"
umlief.

Den Namen Lentuhis finden wir zuerst sicher bezeugt um
1440 bei Laue. Valla. Doch können wir nach der viel behan-
delten, schwer lesbaren Unterschrift in e1 bis auf 1421 zurück-
gehen: sie besagt jedenfalls, dass dieser Brief mit dem Namen
des Lentulus in der Überschrift im Jahre 1421 von einem uns
leider sonst völlig unbekannten Jacolus (Jacobus) Colonna ge-
funden wurde. Die naheliegende Vermutung, diesen Mann für
die Fälschung verantwortlich zu machen, hat bereits Gablee
(1. c. II 687) mit der richtigen Bemerkung zurückgewiesen: dann
müsste die gleiche Unterschrift sich auch in anderen als dieser
einen — und fügen wir hinzu, sehr minderwertigen — Hand-
schrift finden. Sie ist nicht anders zu beurteilen als die Unter-
schrift in xe, welche uns durch Erwähnung des Antonio von
Budrio, eines bekannten Rechtsgelehrten zu Ferrara und Bologna
(f 1408), noch etwas weiter hinaufführt. Es sind Spuren der
humanistischen Zeit, welche mit dem litterarischen Entdeckungs-
eifer auch die peinliche Sorge um Wahrung der Entdeckerehre
und Priorität brachte.

Darnach scheint die in den anderen Rezensionen vorliegende
Brielforin mitsamt dem Namen des Lentulus eine von dem ita-
lienischen Humanismus in seinen Anfangsstadien ausgegangene
Umbildung der älteren annalistischen Form zu sein.1) Woher
man dabei den Namen des Lentulus, der sich in der jüdischen
Geschichte der Zeit Jesu nirgends findet, genommen hat, wissen
wir nicht; dass der in der apokryphen Litteratur so häufig und
in allen erdenkbaren Entstellungen vorkommende Name des

1) Insoweit bat der Rezensent in GGA 1820 No. 132 Sp. 1319 mit
seinen feinen Bemerkungen über humanistische Fälschungen recht, welche
Gabler veranlassten, seine 1819 (II 672 f.) ausgesprochene Datierung auf das
12.-14. Jahrhundert 1822 (II 686) abzuändern in das 15. Jahrhundert.
Aber es gilt das nicht für das Stück selbst, sondern nur für diese brief-
liche Einkleidung.
 
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