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ANTONIO CANOVA.
Pfyche« geäufsert habe, er müffe hch hüten, ein "antiker Berninia zu werden.
In den fpäteren Werken hat er nach der Anficht Ouatremeres diefe Gefahr fo
völlig vermieden, dafs er ihm vielmehr als der wahre "continuateur de l'antique^
erfcheint. In der That aber, fafst man den Gefammtcharakter feiner Kunft ins
Auge, fo möchte man wohl fagen, dafs er etwas wie ein "antiker Bernini^ geworden
fei; man würde an der Wahrheit nicht allzuweit Vorbeigehen, wenn man behauptete,
dafs lieh der Einhufs der alten Kunft bei Canovahauptfächlich in einer Ermäfsigung
und Milderung von Eigenfchaften zeige, die er mit dem Charakter derBcrninifchen
Epoche gemein habe. Entfcheidend war für feine Richtung, nach den mehr oder
weniger autodidaktifchen Arbeiten der kurzen venezianifchen Periode, allerdings
das Studium der antiken Plaftik, die aus ihren Vorbildern abgeleitete Lehre von
den idealen Forderungen der Kunft, die Lehre von der Schönheit als oberflen
Kunftgefetzes. In manchen feiner erften römifchcn Werke ift er mit dem Streben
nach einfacher Schönheit der Antike näher gekommen, als in den meiften feiner
fpäteren Arbeiten. Mit einer ungewöhnlichen formalen Begabung und einer be-
weglichen Leichtigkeit, wie he nicht feiten als der Vorzug des italienifchen Kunft-
naturells erfcheint, aber zugleich auch mit einer gewiffen Aeufserlichkeit eignete
er fleh in jenen Werken den Formencharakter antiker Vorbilder an. Mit der Art,
wie Winckelmann die Antike auffafste, oder, wie man auch fagen kann, mit der
deutfehen Auffaffung der klaffifchen Kunft hatte Canova auch in jenen Werken
wenig gemein; von der inneren Schlichtheit, von der Naivetät, die Winckelmann an
der Antike am höchften fchätzte und als den eigentlichen Wefenskern ihrer
Schönheit anfah, blieb Canova faft immer weit entfernt.
Von pohtiv beftimmendem Einhufs auf fein Verhältnis zum klaffifchen Alter-
thum war jene verwandtfchaftliche Beziehung zur Berninifchen Epoche. Für die
deutfehe Kultur war die Antike damals eine neu entdeckte Welt, eines der
Elemente, in denen he fich neu verjüngte. Winckelmann trat der Antike mit ganz
frifchem Auge, gewiffermafsen vorausfetzungslos, mit der Begeifterung eines ganz
jugendlichen Empfindens gegenüber. In Italien dagegen hatte fich, als Canova
auftrat, von der Art, wie die Barockzeit der alten Kund gegenüber empfand, in
der allgemeinen geifligen Atmofphäre noch immer etwas erhalten, es lag in ihr
noch etwas von der Stimmung, in welcher Coypel in feinen Discurfen über
Bernini fchrieb: "Er ih es, der in feine Werke ein Feuer, ein Leben, eine Wahr-
heit des Eleifches gebracht hat, wie man es feiten in der Antike findet, und ein
graziöfes, lebhaftes und malerifchesWefcn, welches er Correggio und Parmegianino
ablernte«. Man verurtheilte die Barockkund, war aber gleichwohl noch bis zu
gewiffem Grade in ihrer Anfchauungsweife befangen. Bei Canova's Werken, und
zwar befonders bei denen, welche damals den gröfsten Beifall fanden, hat man
deutlich genug die Empfindung, als fei ihm die Antike, obfehon er he reiner
aufzufaffen wufste, als Bernini und feine Schule, doch auch zu kühl, nicht weich
und graziös genug erfchienen, und mit Recht hat man den malerifchen Zug in
feiner Plaflik als befonders charakteriflifch hervorgehoben.
Eine Eigentümlichkeit, die den Meihern der Barockzeit entfehieden fremd
war, ih der in Canova's Werken fo häufig hervortretende Hang zur Sentimenta-
lität, der ihn vollkommen als Kind feiner Zeit erfcheinen läfst, Die Neigung
ANTONIO CANOVA.
Pfyche« geäufsert habe, er müffe hch hüten, ein "antiker Berninia zu werden.
In den fpäteren Werken hat er nach der Anficht Ouatremeres diefe Gefahr fo
völlig vermieden, dafs er ihm vielmehr als der wahre "continuateur de l'antique^
erfcheint. In der That aber, fafst man den Gefammtcharakter feiner Kunft ins
Auge, fo möchte man wohl fagen, dafs er etwas wie ein "antiker Bernini^ geworden
fei; man würde an der Wahrheit nicht allzuweit Vorbeigehen, wenn man behauptete,
dafs lieh der Einhufs der alten Kunft bei Canovahauptfächlich in einer Ermäfsigung
und Milderung von Eigenfchaften zeige, die er mit dem Charakter derBcrninifchen
Epoche gemein habe. Entfcheidend war für feine Richtung, nach den mehr oder
weniger autodidaktifchen Arbeiten der kurzen venezianifchen Periode, allerdings
das Studium der antiken Plaftik, die aus ihren Vorbildern abgeleitete Lehre von
den idealen Forderungen der Kunft, die Lehre von der Schönheit als oberflen
Kunftgefetzes. In manchen feiner erften römifchcn Werke ift er mit dem Streben
nach einfacher Schönheit der Antike näher gekommen, als in den meiften feiner
fpäteren Arbeiten. Mit einer ungewöhnlichen formalen Begabung und einer be-
weglichen Leichtigkeit, wie he nicht feiten als der Vorzug des italienifchen Kunft-
naturells erfcheint, aber zugleich auch mit einer gewiffen Aeufserlichkeit eignete
er fleh in jenen Werken den Formencharakter antiker Vorbilder an. Mit der Art,
wie Winckelmann die Antike auffafste, oder, wie man auch fagen kann, mit der
deutfehen Auffaffung der klaffifchen Kunft hatte Canova auch in jenen Werken
wenig gemein; von der inneren Schlichtheit, von der Naivetät, die Winckelmann an
der Antike am höchften fchätzte und als den eigentlichen Wefenskern ihrer
Schönheit anfah, blieb Canova faft immer weit entfernt.
Von pohtiv beftimmendem Einhufs auf fein Verhältnis zum klaffifchen Alter-
thum war jene verwandtfchaftliche Beziehung zur Berninifchen Epoche. Für die
deutfehe Kultur war die Antike damals eine neu entdeckte Welt, eines der
Elemente, in denen he fich neu verjüngte. Winckelmann trat der Antike mit ganz
frifchem Auge, gewiffermafsen vorausfetzungslos, mit der Begeifterung eines ganz
jugendlichen Empfindens gegenüber. In Italien dagegen hatte fich, als Canova
auftrat, von der Art, wie die Barockzeit der alten Kund gegenüber empfand, in
der allgemeinen geifligen Atmofphäre noch immer etwas erhalten, es lag in ihr
noch etwas von der Stimmung, in welcher Coypel in feinen Discurfen über
Bernini fchrieb: "Er ih es, der in feine Werke ein Feuer, ein Leben, eine Wahr-
heit des Eleifches gebracht hat, wie man es feiten in der Antike findet, und ein
graziöfes, lebhaftes und malerifchesWefcn, welches er Correggio und Parmegianino
ablernte«. Man verurtheilte die Barockkund, war aber gleichwohl noch bis zu
gewiffem Grade in ihrer Anfchauungsweife befangen. Bei Canova's Werken, und
zwar befonders bei denen, welche damals den gröfsten Beifall fanden, hat man
deutlich genug die Empfindung, als fei ihm die Antike, obfehon er he reiner
aufzufaffen wufste, als Bernini und feine Schule, doch auch zu kühl, nicht weich
und graziös genug erfchienen, und mit Recht hat man den malerifchen Zug in
feiner Plaflik als befonders charakteriflifch hervorgehoben.
Eine Eigentümlichkeit, die den Meihern der Barockzeit entfehieden fremd
war, ih der in Canova's Werken fo häufig hervortretende Hang zur Sentimenta-
lität, der ihn vollkommen als Kind feiner Zeit erfcheinen läfst, Die Neigung