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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Luecke, Hermann: Bertel Thorwaldsen: geb. 1770 in Kopenhagen, gest. 1844 daselbst
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0076
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BERTEL THORWALDSEN.

Von dem Bifchof Münter in Kopenhagen war er an den dänifchen Archäo-
logen Zoega empfohlen, der fchon feit Jahren in Rom lebte und bekanntlich zu
den hervorragendflen Alterthumskundigen jener Zeit gehörte; bei ihm und in
feiner Familie fand Thorwaldfen freundliche Aufnahme. Von der künfUerifchen
Begabung feines jungen Landsmannes gewann Zoega bald eine gute Meinung;
über die geringe Bildung deffelben war er aber höchlich erftaunt. In einem Briefe
vom 4. Okt. 1793 fchreibt er an Münter: aUnfer Landsmann Thorwaldfen . . . ift
ein vortrefflicher Artilt, von vielem Gefchmack und Gefühl, aber gar zu unwiffend
in Allem, was aufserhalb der Kunft liegt. Incidenter gefprochen; ifl es von der
Akademie fehr fchlecht überlegt, die Leute fo roh nach Italien zu fchicken, wo
ihnen eine Malle Zeit verloren gehen mufs, um Dinge zu erlernen, ohne welche
he ihren hiehgen Aufenthalt nicht gehörig nutzen und welche he leichter und
fchneller hätten erlernen können, bevor he hch auf die Reife begaben. Ohne
ein Wort Italienifch oder Franzöhfch zu wiffen, ohne die geringhe Kenntnifs von
Gefchichte und Mythologie, wie ih es möglich, dafs ein KünfHer hier lo hudiere,
wie er es follte? Befonders ein Bildhauer, der hch doch nur an die Antike halten
kann. Ich verlange nicht, dafs ein Ktinhler gelehrt fei, ich wünfche es nicht
einmal; aber einen ungefähren Begriff mufs er doch von den Namen und der
Bedeutung der Dinge haben, die er lieht.«
Ohne Zweifel hat Thorwaldfen im Verkehr mit Zoega manche folcher ))Be-
griffew hch angeeignet, auch waren ihm fpäter bei feinen Arbeiten die kritilchen
Winke des fcharfhnnigen Archäologen öfters von Nutzen. Lebendiger aber
wirkten die Anregungen, die er von anderer Seite emphng. Bald nach feiner
Ankunft in Rom ward er mit Carftens bekannt, delfen Namen er feit der Zeit,
wo jener in Kopenhagen feine fchickfalfchwere KünfUerlaufbahn begann, in
pietätvoller Erinnerung hatte. Der Umgang mit ihm war nur von kurzer Dauer,
denn fchon nach einem Jahre (23. Mai 1798) Harb Carhens; doch war diefer Um-
gang, wie hch aus Thorwaldfens eigenen Aeufserungen entnehmen läfst, ein-
hufsreich für feine ganze Entwicklung. Durch Carhens gewann er zuerh eine
lebendige Fühlung mit der künhlerifchen Geihesrichtung der Zeit, er ward für
ihn der eigentliche Vermittler jenes neuerwachten Clafhcismus, jener Begeihe-
rung für die Antike, die hch feit Whnckelmanns Auftreten der gelammten Kunlt-
welt wie ein neuer Glaube bemächtigt hatte. Von Carhens' Zeichnungen und
Aquarellen gelangten mehrere in Thorwaldfens Behtz; er hat he jederzeit hoch-
gehalten und mehrere derfelben forgfältig kopirt. In der Verehrung für ihn
begegnete er hch mit einem jungen deutfchen Künhler, der ungefähr gleich-
zeitig mit Thorwaldfen nach Rom gekommen war, mit Jofeph Koch, der fpäter
im Gebiete der Landfchaftsmalerei eine fo hervorragende Bedeutung erlangen
follte. Koch, wie Thorwaldfen, ein Kind des Volkes — er hammte aus einer
Bauernfamilie in Tirol — fchlols hch ihm freundfchaftlich an und längere Zeit
haben beide in der Via felice als gute Kameraden in einer gemeinfchaftlichen
Wohnung gehauh.
Nächh der Ausführung einiger Marmorbüften, für die Thorwaldfen die Mo-
delle von Kopenhagen mitgebracht hatte, befchäftigten ihn zu diefer Zeit haupt-
fächlich Kopien nach der Antike, unter Anderem, bezeichnend für die damalige
 
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