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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0113
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JUGEND UND LEHRJAHRE.

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Male von kunhverhändiger Seite gewürdigt. Selvino hielt ihn bald reif, nach
den damals üblichen Zeichenvorlagen von Demarteau fchwere Mutter mit Licht
und Schatten zu kopiren, rühmte hch feines Erfolges gegen den Mitgehülfen
der Werkftatt, Godecharles, und diefer trug den Ruhm des Lehrers wie des
Schülers in das Taffaert'fche Haus.
Frau Felicite Taffaert, eine geborene Pariferin, ftand felbft der Ausübung der
Zeichen- und Malkunft nicht fern. Sie unterrichtete ihre eigenen Töchter und
einen Sohn, die als Paftellmalerinnen beziehungsweife Kupferhecher fpäter lieh
einen Namen erwarben. Damals aber fand die Mutter die LeiRungen ihrer Kinder
weit zurückflehend hinter denen des jungen Schadow, deffen freundliches Wefen
die «fehr vornehm thuende Frau" soweit anzog, dafs he den Eltern vorfchlug,
er folle tagsüber in ihrem Haufe leben, ihren eigenen Zeichenunterricht geniefsen
und zugleich als Gefellfchafter und Spielgenoffe der Kinder dienen, damit diefe
die wenn auch fehr abfcheuliche doch nützliche deutfehe Sprache von ihm er-
lernten. Wie weit das letztere gelang, ih zweifelhaft; hcher aber, dafs der Knabe
auf diefem Wege der franzöhfchen Sprache fo vollkommen mächtig ward,
wie es jene Zeit als unerläfsliche Signatur der Bildung erheifchte. Sein Haupt-
tagewerk behänd jedoch Jahr aus Jahr ein im Zeichnen, hauptfächlich nach Boucher,
den die Lehrerin für den gröfsten Künhler nicht blofs feiner Zeit hielt. Die
praktifche Richtung diefer unausgefetzten Uebung zielte ohne Zweifel darauf ab,
dafs Schadow lieh dereinh der Kupferhecherkunh zu widmen haben würde.
Allein er war auch dann und wann in die Bildhauerwerkhatt Taffaert's ge-
kommen und fah hier die fortfehreitenden Arbeiten an den Marmorblöcken, aus
welchen die Statuen von Keith und Seidlitz für den Wilhelmsplatz in Berlin her-
vorgingen. Kein Wunder, dafs allein fchon die Neuheit der hierbei zu Tage
tretenden technifchen Handfertigkeiten den Knaben reizte, auch in diefen die
eigene Kraft zu erproben, welche für den Zeichenhift in der That fchon bis zur
Meiherfchaft ausgebildet war. Datirt er felbh doch feinen öffentlichen Ruhm als
Zeichner von dem Zeitpunkt, als er in der Darheilung der Ruinen des ein-
gehürzten Thurmes der von Gontard erbauten neuen Kirche alle Konkurrenten,
Dilettanten wie anerkannte Künhler, übertraf. Als man dem Siebzehnjährigen
nunmehr die Wahl liefs, ob er hch im Fortgenufs des Unterrichtes der Frau
Taffaert für einen künftigen Beruf vorbereiten oder aber die Bildhauerkunh er-
lernen wollte, entfehied, er hch leicht für die letztere.
Erlernen war hier der richtige Ausdruck; denn der Unterricht ging —
was übrigens nicht weiter zu beklagen ih — keinen Schritt über das Handwerk
hinaus. Nach feinen eigenen Worten behänd fein Tagewerk jetzt darin, nach
Gips zu zeichnen, Thon zu kneten, zu bofhren, Formen in Gips auszugiefsen, zu
repariren, in Marmor zu ebauchiren, zu fchleifen, und dazwifchen auszufegen, ein-
zuheizen und Frühhück zu holen. Auch die bezahlten Gehülfen der Werkhatt
hatten felbhverhändlich keine andere Aufgabe, als die technifche Ausführung der
Taffaert'fchen Entwürfe bis zu einem gewihen Punkte hin, von wo ab der Meiher
die Vollendung übernahm. Was fonh von diefem in Betreff der Kunh zu er-
lernen war und fomit auch in Schadow's theoretifches Kunhbewufstfein einge-
phanzt ward, behänd in der Anhcht, dafs es nur acht bis neun meiherhafte
 
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