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CHRISTIAN DANIEL RAUCH. 1804—1830.
beiden gäbe es mittelmäfsige, von Canova felbh fchlechte Arbeiten diefer Gattung,
fo dafs es mit beiden immerhin ein Waghück bliebe.
Die in Berlin eintrehende Königin-Bühe gab die Entfcheidung zu Gunhen
Rauch's fo weit, dafs diefer zur Rückkehr aus Rom aulgefordert wurde, um in
mündlicher Abrede fowie durch plafbfche Skizzen den Verfuch einer Verhändigung
in Betreff der Intentionen des Königs zu machen. Am 26. Januar erhielt Rauch
die Nachricht, am 2. Februar brach er das römifche Zelt ab und betrat nach
kurzem Aufenthalt in Wien im HumboldtTchen Haufe Berlin am 3. März 1811
— ein anderer, als er es vor fechs Jahren verlaffen.
Als ein anderer ward er auch wieder aulgenommen, zumal am königlichen
Hofe, wo ihm das Vertrauen entgegenkam, er würde die Hoffnungen rechtfertigen,
welche in ihn gefetzt waren. Gleichwohl, um ganz licher zu gehen, wurden auch
jetzt noch Entwürfe von anderen Bildnern gewünfcht, und gelangten, gefordert
und ungefordert, in grofser Anzahl an den König; darunter auch ein Entwurf von
Schadow, von welchem Abgüffe im Hohenzollern-Mufeum, fowie im Behtz der
Frau Eugenie Schadow noch vorhanden lind. Andere unbenannte Entwürfe lieht
man noch in der Modellfammlung der königlichen Porzellanfabrik. Nur der
Schadow'fche Entwurf hätte fonderlich von der technifchen Seite her in Kon-
kurrenz treten können; von kompolitioneller Seite aber gewifs nicht, obwohl
gerade das darin vorherrfchte, was dem Gefühl des Königs zumeih entlprechen
mochte, eine naive Natürlichkeit. Die Königin ruht mit erhöhtem Oberkörper in
einem langen, hochgegürteten Gewände auf einem Ruhebette; von einem einfachen
Reifen um das Haupt gehalten fällt ein langer Schleier mantelartig über die linke
Seite und über beide Arme bis zu den Knieen. Die Gewandung fchmiegt hch in
edlem Wurfe den Formen des Körpers an, in deffen Haltung und Lage das
fchlummernde Weib zu einem fall hausmütterlichen Ausdruck gelangt. Wenn der
mantelartige Schleier nun noch etwas nonnenhaltes hinzuthat, fo war diefe Auf-
ladung dem Könige noch immer nicht fchlicht und einlach genug, da er im Bilde
nur die Gattin fehen wollte. Obwohl damit lur die künftlerifche Aulgabe das
richtige nicht zu treffen war, ging Rauch gleichfalls darauf ein, den fchlichteflen
Entwurf der fchlummernden Frau, zugleich aber auch die Ichlafende Königin Mo
grandios wie möglich" zu bilden; und da er dabei mit den Zügen der Gattin
die Hoheit der Königin und den Liebreiz des Weibes zu verbinden fuchte, fprach
das vollkommenere Kunhwerk fo beredt, dafs der König erkannte, dies fei gerade
das, was feinem Sinne vorgefchwebt habe. Das hauptfchmückende Diadem ifl der
einzige Hinweis auf die Königinwürde; ein Sterbehemd, am Hälfe anfchliefsend,
dann ohne weitere Umgürtung weit über die Füfse hinabwallend, die Aermel nur
den Oberarm bedeckend, das ilt die einfache Gewandung der apf reichlaltigem
Bahrtuch hingeltreckten fchönen Gehalt (f. Abbildung S. 43).
In diefem Werke kam zum erhen Male zum hchtlichen Ausdruck der Gegen-
fatz, oder fagen wir lieber die Steigerung der Stilweife Schadow's im RauchTchen
Stile von der Naturwirklichkeit zur Kunhwahrheit, wie he an fpäteren Werken
noch offener zu Tage zu legen ih. Das ideale Moment der Kunhwahrheit kann
zu einem in Worten undehnirbaren Etwas werden, nur dem formfühlenden Auge
erkennbar wie hier, wo der Beheller jede Einzelheit vorgefchrieben hatte; das
CHRISTIAN DANIEL RAUCH. 1804—1830.
beiden gäbe es mittelmäfsige, von Canova felbh fchlechte Arbeiten diefer Gattung,
fo dafs es mit beiden immerhin ein Waghück bliebe.
Die in Berlin eintrehende Königin-Bühe gab die Entfcheidung zu Gunhen
Rauch's fo weit, dafs diefer zur Rückkehr aus Rom aulgefordert wurde, um in
mündlicher Abrede fowie durch plafbfche Skizzen den Verfuch einer Verhändigung
in Betreff der Intentionen des Königs zu machen. Am 26. Januar erhielt Rauch
die Nachricht, am 2. Februar brach er das römifche Zelt ab und betrat nach
kurzem Aufenthalt in Wien im HumboldtTchen Haufe Berlin am 3. März 1811
— ein anderer, als er es vor fechs Jahren verlaffen.
Als ein anderer ward er auch wieder aulgenommen, zumal am königlichen
Hofe, wo ihm das Vertrauen entgegenkam, er würde die Hoffnungen rechtfertigen,
welche in ihn gefetzt waren. Gleichwohl, um ganz licher zu gehen, wurden auch
jetzt noch Entwürfe von anderen Bildnern gewünfcht, und gelangten, gefordert
und ungefordert, in grofser Anzahl an den König; darunter auch ein Entwurf von
Schadow, von welchem Abgüffe im Hohenzollern-Mufeum, fowie im Behtz der
Frau Eugenie Schadow noch vorhanden lind. Andere unbenannte Entwürfe lieht
man noch in der Modellfammlung der königlichen Porzellanfabrik. Nur der
Schadow'fche Entwurf hätte fonderlich von der technifchen Seite her in Kon-
kurrenz treten können; von kompolitioneller Seite aber gewifs nicht, obwohl
gerade das darin vorherrfchte, was dem Gefühl des Königs zumeih entlprechen
mochte, eine naive Natürlichkeit. Die Königin ruht mit erhöhtem Oberkörper in
einem langen, hochgegürteten Gewände auf einem Ruhebette; von einem einfachen
Reifen um das Haupt gehalten fällt ein langer Schleier mantelartig über die linke
Seite und über beide Arme bis zu den Knieen. Die Gewandung fchmiegt hch in
edlem Wurfe den Formen des Körpers an, in deffen Haltung und Lage das
fchlummernde Weib zu einem fall hausmütterlichen Ausdruck gelangt. Wenn der
mantelartige Schleier nun noch etwas nonnenhaltes hinzuthat, fo war diefe Auf-
ladung dem Könige noch immer nicht fchlicht und einlach genug, da er im Bilde
nur die Gattin fehen wollte. Obwohl damit lur die künftlerifche Aulgabe das
richtige nicht zu treffen war, ging Rauch gleichfalls darauf ein, den fchlichteflen
Entwurf der fchlummernden Frau, zugleich aber auch die Ichlafende Königin Mo
grandios wie möglich" zu bilden; und da er dabei mit den Zügen der Gattin
die Hoheit der Königin und den Liebreiz des Weibes zu verbinden fuchte, fprach
das vollkommenere Kunhwerk fo beredt, dafs der König erkannte, dies fei gerade
das, was feinem Sinne vorgefchwebt habe. Das hauptfchmückende Diadem ifl der
einzige Hinweis auf die Königinwürde; ein Sterbehemd, am Hälfe anfchliefsend,
dann ohne weitere Umgürtung weit über die Füfse hinabwallend, die Aermel nur
den Oberarm bedeckend, das ilt die einfache Gewandung der apf reichlaltigem
Bahrtuch hingeltreckten fchönen Gehalt (f. Abbildung S. 43).
In diefem Werke kam zum erhen Male zum hchtlichen Ausdruck der Gegen-
fatz, oder fagen wir lieber die Steigerung der Stilweife Schadow's im RauchTchen
Stile von der Naturwirklichkeit zur Kunhwahrheit, wie he an fpäteren Werken
noch offener zu Tage zu legen ih. Das ideale Moment der Kunhwahrheit kann
zu einem in Worten undehnirbaren Etwas werden, nur dem formfühlenden Auge
erkennbar wie hier, wo der Beheller jede Einzelheit vorgefchrieben hatte; das