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Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

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Eggers, Friedrich: Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch
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https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0189
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SOCKEL DES FRIEDRICHS-DENKMALS.

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dafs die heutzutage förmlich in Schwung gekommenen Verflöfse dagegen eben
nur durch den bemerkten Charakter allen Epigonenthums begreiflich werden.
Die einfachen Regeln, welche aus Rauch's Werken von der Scharnhorft-Statue an
bis zum Friedrichs-Denkmal zu abftrahiren find, lauten: qualitativ (d. h. natürlich
nicht in Rücklicht auf Tüchtigkeit der Kompohtion oder gar der Ausarbeitung, fon-
dern in Rücklicht auf die Bedeutlamkeit) hat lieh das Piedeltal der Statue unter-
zuordnen, quantitativ darf es nicht gleichwerthig fein, fondern ilt entweder auch
unterzuordnen, oder hat die Statue erheblich zu übertreffen, insbefondere, wenn
es lieh darum handelt, folche in weiter Ferne hchtbar zu machen. Erhält das
Piedeltal zu diefem Zweck eine Gliederung, welche in hch architektonifch fchöne
Verhältniffe aufweilt und ebenfo in fchönem Verhältniffe zur Höhe der Statue
Iteht, fo giebt die Höhe der einzelnen Glieder den Mafsltab für die figürliche
Plaltik, der mithin verfchieden grofs lein kann. Es giebt daher keinen unbegrün-
deteren Tadel, als den befonders von Architekten erhobenen (weil er für ihre
Kunlt gilt), dafs nämlich an einem und demfelben Werke keine verfchiedenen
Mafsltäbe zur Geltung kommen dürften. Die Konfequenz diefes für die mit
Architektur verbundene Plaltik widerlinnigen Gefetzes lieht man an den Denk-
mälern unterer Tage, an welchen koloffale Sockelhguren die Wirkung der Statue
felbft vollltändig tödten, oder mindeltens die unzuläflige Folge haben, dafs die
Statue kleiner und unbedeutender erfcheint, als fie wirklich ilt. Alles Proportionale
am ganzen Aufbau des Friedrichs-Denkmals ilt aber gerade fehr glücklich ge-
lungen, da die unbefangene Anfchauung alles in Einklang ergiebt mit den optifchen
Gefetzen, welche die günltiglte Anlicht eines Gegenltandes bedingen, foweit diefe
abhängt von der Gröfse des Objekts und dem Abltande des Befchauers. Die
Konltatirung der Thatfache mag hier genügen.'")
Das Piedeltal gliedert lieh zuerlt durch einen unteren Sockel von Granit mit
einer Bronce-Bekrönung, deren Seitenflächen als Infchriftstafeln dienen. Hierauf
ruht der Hauptkern des Piedeltals, der von den Rundfiguren und Reliefs der
Männer und Helden der Friedrichszeit umgeben ilt. Der obere Theil endlich,
durch kräftige Gelimfe nach oben und unten begrenzt, wirkt friesartig, mit Relief-
bildern kleineren Mafsftabes, welche, zwifchen den allegorifchen Eckfiguren lieh
erltreckend, das Leben des Königs zu erzählen haben. Was in Betreff der
plaltifchen Kompohtion gerade diefe Reliefs fo ungemein liebenswürdig macht,
ilt die urwüchfige Naivetät, mit welcher Rauch die Darltellung des Ueber-
linnlichen den poetilchen Vorltellungskreifen aller Zeiten und Völker entnimmt
und die heterogenlten mythifchen Gebilde in unmittelbare Beziehung zu ganz
realiftifcher Gegenwart fetzt. Ilt die Geburt eines Menfchen, wenn man von
der Storchlegende für Kinder ab lieht, naiver darftellbar als in diefer Weife: zwei
Engel chriltlicher Vorltellungsweife in langen Gewändern fchweben von oben links
her herab und bringen ein auf den Armen des einen fitzendes, nur mit Hemd
bekleidetes Knäblein dem Königspaare, welches rechts unten auf dem Throne
Platz genommen hat; der König in voller Uniform und felbft mit dem Hermelin-
mantel angethan, die Hände dankbar faltend, die Königin im Morgengewand, die
Arme dem Ankömmling freudig entgegenltreckend; vor ihnen aber in der unteren
Ecke links lagert die antiker Vorftellung entnommene allegorifche weibliche Figur
 
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