Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Dohme, Robert
Kunst und Künstler des Mittelalters und der Neuzeit: Biographien u. Charakteristiken (4,1): Kunst und Künstler der ersten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts — Leipzig, 1886

DOI Artikel:
Luecke, Hermann: Asmus Jakob Carstens: geb. bei Schleswig den 10. Mai 1754, gest. in Rom den 25. Mai 1798
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.36323#0295
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
SEINE ART ZU KOMPONIREN.

27

nicht nöthig hatte, an den Hauptfachen viel zu ändern, er fpottete über die da-
mals übliche Komponirmethode, die eines umfländlichen Apparates von Thon-
modellen, Wachsfiguren, Gliedermännern, Beleuchtungskäffen u. f. w. bedurfte und
fetzte während feines Aufenthaltes in Florenz einen deutfchen Maler, den er dort
kennen lernte, in Erflaunen, indem er in feiner Gegenwart eine hgurenreiche
Kompohtion, die er fchon längere Zeit im Kopfe hatte, den Kampf der Kentauren
und Lapithen, völlig frei, ohne jedes Hilfsmittel, aufzeichnete. Im Charakter des
Ganzen, das einheitlich aus feiner Phantahe hervorging, liegt in der Regel der
bedeutendfte Vorzug feiner Werke, während im Einzelnen oft auch die beften mit
auffälligen Mängeln behaftet find. In der Ausführung blieb Carflens gewiffer-
mafsen auf halbem Wege flehen. Obfchon er nicht, wie er von Manchen be-
zeichnet wurde, ein blofser Skizzirer war, ifl er doch niemals zu jener Durch-
bildung aller Theile der Kompohtion, zu jener Formvollendung vorgedrungen, die
als die höchffe.Blüthe des künfflerifchen Geifies erfcheint. Auch in feinen reihten
Werken iff eine volle Herrfchaft über die technifchen Mittel, eine volle Kenntnifs
des Organismus der menfchlichen Geftalt und der Gefetze der perfpektivifchen
Wirkung zu vermiffen ; auch hier mangelt der Formengebung, der Bewegung der
Linien das tiefe Lebensgefühl, das in den ftilvollen Formen feiner grofsen Vorbilder
entzückt. Der Kontur, auf den er den Hauptaccent legte, ifl von einer gewiffen
Härte feiten ganz frei. Zuweilen hat man den Eindruck, als fei bei der Ausführung
die Hand des Künftlers fchwer geworden, fo dafs he die Lebendigkeit des erften
Entwurfs nicht mehr völlig erreichte. Manche Skizzen, namentlich die S. 13 in
Holzfchnitt reproducirte, «Helena, Priamos und die Aelteften auf dem fkäifchen
Thor", hnd in der That mit einer überrafchenden lebendigen Leichtigkeit und Be-
ffimmtheit entworfen und gewähren hinfichtlich der Behandlungsweife ein Intereffe,
das den ausgeführten Kompohtionen nicht in gleichem Mafse eigen ifl.
Die Farbe war Carftens ein faff völlig fremdes Element. Auf dem Wege
feiner künfflerifchen Entwickelung hatte hch ihm für die Ausbildung im Kolorit
freilich fehr wenig Gelegenheit geboten, aber wäre dies auch in höherem Grade
der Fall gewefen, hätte er auch durch Aufträge für Malereien mehr Anlafs er-
halten, eine folche Ausbildung zu fuchen, hcher hätte ihm die Farbe ffets nur
als etwas Nebenfächliches gegolten. Die Form war ihm Hauptfache, ja, man kann
fagen, feine Art, künftlerifch zu fehen und zu denken, hatte etwas vorwiegend
Plaftifches, nicht blos in Bezug auf die einzelnen Gehalten, gewiffermafsen auch
in der Kompofitionsweife, die fleh mitunter dem Charakter des Reliefs nähert.
Wie früher, hat er hch auch fpäter zuweilen in plaflifchen Arbeiten verfucht, von
denen uns eine, das fchöne Modell der hngenden Parze (S. 2p), erhalten iff.
Die Kompohtionen, die Carftens 1795 in Rom ausffellte und die wenigen,
die noch in den zwei folgenden Jahren entffanden, jene Arbeiten, in denen das
höchffe Refultat feines künfflerifchen Strebens enthalten iff, hnd gröfstentheils
fchlichte, mit der Feder, der Kreide oder dem Röthel ausgeführte Zeichnungen,
nur wenige hnd leicht aquarellirt oder in Sepia getufcht — unfeheinbare und doch
bedeutende Blätter, trotz ihrer Mängel, die fchon damals nicht unerkannt blieben. '&)
Von dem eklektifchen Charakter, der früheren Arbeiten des Künftlers eigen
war, iff in diefen Blättern nichts mehr vorhanden. Wohl iff die Herkunft der
 
Annotationen