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noch direkt auf dem Steinsockel. Um 1430 traten erstmals Fußschwellen auf. Sie lagen zunächst noch zwischen
Eck- und Bundständem. Fußstreben wurden als zusätzliche Winkelversteifungen angebracht. Vor allem seit dem
mittleren 15. Jh. gab es Fußwinkelhölzer und -streben in friesartiger Reihung in den Brüstungs-
feldern. Auch dreiviertel- oder geschoßhohe Streben wurden zur Queraussteifung verwandt. Sie wurden, da sie
eine höhere Aussteifungswirkung hatten, nur an den Bund- und Eckständern angebracht (Abb. 18, 20, 22).
Daneben blieb die Fußwinkelreihung zwar noch erhalten, jedoch primär zur Dekoration.
Seit dem mittleren 16. Jh. gab es keine wesentlichen, konstruktiven Veränderungen mehr, dafür jedoch bei den
Schmuckformen, die der Mode folgten. Bestimmendes Merkmal seit dieser Zeit war die Mannverstrebung an
Bund- und Eckständern, die besonders in der Spätphase des 18. Jh. lebhaft gestaltet wurde (Abb. 9, 10, 11, 14, 17,
23,25, 29). Die friesartige Reihung der schrägen oder gebogenen Streben in den Brüstungsfeldern behielt man bis
ins 17. Jh. als Schmuckform bei (Abb. 16, 19, 20, 27, 28) und versah Rähmbereich, Eckpfosten und vereinzelt das
gesamte Fachwerkgerüst mit Schnitzornamentik. Insgesamt wurde jedoch die dekorative Gestaltung des Fach-
werks immer schlichter. Seit dem frühen 19. Jh. gab es keine Geschoßvorkragung mehr, auf Schnitzornamentik
und Schmuckstreben wurde ganz verzichtet. Vor allem im 19. Jh. wurden Fachwerkbauten auf Grund von Feuer-
schutzverordnungen und aus Repräsentationsgründen als Putzbauten konzipiert, um den teureren Steinbau vor-
zutäuschen; sie wurden in schlichter, klassizistischer Weise gestaltet. Erst seit dem ausgehenden 19. Jh. und vor
allem im frühen 20 Jh. erfuhr das Fachwerk eine romantisierende Neubelebung. Das Fachwerk wurde jedoch
meist nur als dekoratives Bretterfachwerk vorgeblendet.
Neben dieser nur knapp angesprochenen Entwicklung des hessisch-fränkischen Fachwerks kennzeichnen den
Fachwerkbau regionale Unterschiede. In „der Schwalm“, wo die Lebensbedingungen hart waren, war auch das
Fachwerk insgesamt zurückhaltender gestaltet. Man hielt hier auch wesentlich länger an älteren Konstruktions-
und Schmuckformen fest. Das gleiche besagt auch das zähe Festhalten an Mundart, Tracht und Brauchtum.
Zusätzlich gab es noch ein zeitliches Gefalle zwischen den Städten und den Dörfern des Gebietes bei der Über-
nahme neuer Formen.
Die ältesten Fachwerkbauten in „der Schwalm“ sind dreigeschossige Ständerbauten des 16. Jh. mit Rähmfassade
im obersten Geschoß und zweigeschossige Ständerbauten der 1. Hälfte 17. Jh. mit in Rähmbauweise aufgesetztem
zweitem Obergeschoß (Abb. 15, 18, 19, 21). Der Rähmbereich ist schlicht ausgebildet mit abgerundeten Balken-
köpfen und gekehlten Viertelstäben als Füllhölzem. Als Querverstrebung trat noch bis ins frühe 17. Jh. die
sogenannte „Alsfelder Strebe“ auf, die die Ständer noch überblattete (Abb. 18,22). Noch bis um 1700 herrschte in
den Städten die Mischbauweise vor, oft mit straßenseitiger Rähmfassade (Abb. 24). Daneben gab es in dieser Zeit
auch reine Rähmbauten (Abb. 25). Eine lebhafte, dekorative Fachwerkausbildung setzte erst im 17. Jh. ein. Zwar
hatte es vereinzelt im 16. Jh. Reihung von Fuß- und Brüstungsstreben gegeben (Abb. 19, 26, 28), doch erst im 17.
Jh. und frühen 18. Jh. wurde sie charakteristisches Merkmal der Bürgerhäuser. Der Rähmbereich wurde kräftig
geschnitzt, die Balkenköpfe erhielten Röllchen, Schwell- und Rähmbalken Zahnschnitte, Klötzchenfriese oder
andere Profilierungen, Elemente der Renaissanceomamentik, der feudalen und bürgerlichen Hochkultur (Abb.
25, 30, 32). Die Mannverstrebung trat in den Städten „der Schwalm“ erst seit dem ausgehenden 17. Jh. auf.
Die wenigen in den Dörfern erhaltenen Fachwerkbauten des 17. Jh. sind demgegenüber noch reine Ständerbauten
(Abb. 8, 12). Die Ständerbauweise hielt sich in den Dörfern vereinzelt sogar noch bis ins 18. Jh.
Nicht nur das Fachwerkgefüge und seine Ornamentik zeichnen sich durch eine regionale Prägung aus, sondern
auch einzelne Architekturelemente wie Hauseingänge, Inschriften, Fenster, Gefachbehandlung und Materialien.
Während bei einigen der ältesten Bauten Türgewände aus der Erbauungszeit erhalten sind, stammen die ältesten
Türblätter erst aus dem 17. Jh. Anfangs glichen sich die Eingänge von Bauern- und Bürgerhäusern. Noch im
späten 16. Jh. wurden sie in spätgotischer Form mit Spitzbogen ausgeführt, Schnitzornamentik, Inschriftbalken
mit Erbauungsdatum und horizontal geteiltem Türblatt. Im 17. Jh. gab es bereits differenziertere
Erscheinungsformen. Während sie in den Städten repräsentativ in den Formen der Renaissance und des aufkom-
menden Barock gestaltet wurden, lösten in den Dörfern lediglich rundbogige Türrahmen die spitzbogigen ab. Seit
dem 18. Jh. erhielten die Hauseingänge ein Oberlicht, der rundbogige Rahmen wurde rechteckig bzw. segmentbo-
gig (Abb. 34, 35). Seit dem ausgehenden 18. Jh. wurden die Eingänge der Bauernhäuser dekorativ gestaltet mit
klassizistischem Abdeckgesims unter dem Oberlicht, Säulen mit Pilastern auf den Türpfosten und Inschrift auf
dem Türsturz. Seit dieser Zeit traten bei den Bauernhäusern häufig Inschriftsteine im Sockel auf, mit dem Namen
des Erbauers und dem Baudatum (Abb. 38). Auf dem Rähmbalken des Erdgeschosses wurden zusätzlich Inschrif-
ten mit Bibelversen aufgebracht. Erst aus dieser Zeit sind Kratz- und Stipputze überkommen, vereinzelt auch
Gefachbemalungen (Abb. 36).
Im 19. Jh. hatte überall die Hartdeckung mit Ziegeln, vor allem Biberschwanz, S- oder Hohlpfanne und Brettzie-
gel, die Stroheindeckung der Dächer abgelöst.
Bis ins 17. Jh. waren die Fenster Schiebefenster. Das einfache Schiebefenster war in einen feststehenden Teil und

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