I, TERRITORIALE ENTWICKLUNGSGESCHICHTE
Aus der vor- und frühgeschichtlichen Zeit gibt es in „der Schwalm“ bisher nur spärliche archäologische Funde.
Das hierauf gestützte Geschichtsbild hat deshalb z. T. hypothetischen Charakter.
Die verschiedenen vorgeschichtlichen Entwicklungsphasen kennzeichnet der Wechsel im Siedlungsverhalten.
Einfluß hierbei hatten vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse. Ackerbauern siedelten bevorzugt in den
Niederungen mit ihren fruchtbaren Lößböden, Jäger auf den waldreichen Höhen. Daneben bestimmten auch
Faktoren wie das Schutzbedürfnis oder die Nähe des lebensnotwendigen Wassers den Ort der Niederlassung. Ent-
scheidenden Einfluß auf die Besiedelung des Gebiets hatte auch die Wegsamkeit des Geländes. Die alten Fern-
straßen waren meist Höhenwege und mieden die stark versumpften und dicht verwachsenen Niederungen.
Die frühen Bewohner „der Schwalm“ waren Jäger, Fischer und Sammler. Die Entwicklung zu planmäßigem
Ackerbau und die Domestizierung von Wildtieren setzte hier wie im übrigen Mitteleuropa um 4000 v. Chr. ein
und erreichte Hessen von Südosten her. Die Ackerbauern bevorzugten zunächst tiefliegende Lößböden. Sie
bewohnten dorfartige Siedlungen, wechselten jedoch in bestimmtem Turnus zwischen mehreren Wohnplätzen,
da die Böden durch einseitige Bewirtschaftung und mangels Dünger schnell erschöpft waren.
In der Jungsteinzeit (4000 - 1800 v. Chr.) wurden nicht mehr ausschließlich die Niederungen besiedelt, sondern
auch die Höhen, vermutlich u. a. wegen der besseren Verteidigungsmöglichkeit.
In der Hügelgräberbronzezeit (1800 - 1000 v. Chr.) wurden die Höhen noch stärker bevorzugt. Erstmals wurden
Pferde gezähmt, die wesentliche Voraussetzung für alle Wanderbewegungen der Folgezeit. Man bezog im Berg-
land gelegene Höhlen, wie z. B. bei Ibra belegt.
Zur Zeit der Umenfelderkultur (1200 - 800 v. Chr.) verlagerten sich die Siedlungen wieder mehr in die frucht-
baren Talauen. Einige Funde aus dieser Zeit auf markanten Berghöhen lassen jedoch darauf schließen, daß das
Sicherheitsbedürfnis dazu führte, die Befestigungen auf Höhen beizubehalten. Die Funde bei der Landsburg sind
ein Beleg dafür.
Aus der nachfolgenden Hallstattkultur, der keltischen Latenezeit, der römischen Kaiserzeit und der
Völkerwanderungszeit gibt es bislang nur spärliche Funde. In den letzten vorchristlichen Jahrzehnten ließen sich
neue germanisch-chattische Bevölkerungsgruppen in Nordhessen, vor allem im Raum Fritzlar, nieder. In der
römischen Kaiserzeit standen die Chatten im Mittelpunkt der Kämpfe zwischen Römern und Germanen. Litera-
rischen Nachrichten zufolge zog im Jahre 15 nach Chr. der römische Feldherr Germaniens mit seinen Legionen
von Mainz über die Wetterau durch „die Schwalm“ bis in das Zentrum des chattischen Siedlungsraumes.
Die frühgeschichtliche germanisch-chattische Besiedlung Nordhessens läßt sich durch Fundstellen vor allem bei
Fritzlar verläßlich nachweisen. Die Siedlungen entstanden gewöhnlich am unteren Teil feuchter Hänge, in Fluß-
nähe oder am Mündungsdreieck von Bächen. Während der Völkerwanderungszeit kam es in Nordhessen zu einer
Siedlungsverdünnung.
Entscheidende Veränderungen brachte die fränkische Zeit. Das fränkische Reich gewann sukzessiv Einfluß im
hessischen Raum, das heißt zunächst in den südlichen Landesteilen und später in den nördlichen. Während das
südwestliche Hessen bereits im 4. Jh. und 5. Jh. nach verstärkter Besiedelung mit Franken in den
fränkischen Staatsverband integriert werden konnte, wurde das chattisch bestimmte Nordhessen erst später am
Ende des 7. Jh. eingegliedert. Auch hier kam es zu einer fränkischen Besiedelung, allerdings nicht im
gleichen Umfang wie im Süden Hessens. Nordhessen wurde vor allem durch Aufsicht von einigen wenigen militä-
rischen und wirtschaftlichen Stützpunkten aus, wie z. B. der Büraburg bei Fritzlar, der Kesterburg bei Marburg,
der Amöneburg, in das fränkische Reich eingegliedert. Offensichtlich wurden diese Befestigungswerke auch zur
Abwehr der Sachsen errichtet, die den nordhessischen Raum um 700 bedrängten. Vor allem im 8. Jh. ent-
standen weitere, kleinere Befestigungsanlagen auf breiten, steil abfallenden Bergspomen in der Nähe von
wichtigen Furten. Sie zogen sich wie ein Netz über das Land.
Parallel zur politischen Durchdringung erfolgte die kirchliche Durchdringung Nordhessens, die Christiani-
sierung. Beide Prozesse ergänzten und stützten sich. Die Christianisierung Nordhessens und der damit einher-
gehende Aufbau einer kirchlichen Verwaltung erfolgten unter Bonifatius im 8. Jh. Durch dauerhafte Einrichtun-
gen wie Bistümer, Klöster und Pfarreien wurde die Missionierung gesichert. So gründete Bonifatius 741 in der
Nähe von Fritzlar das Missionszentrum Büraberg. Die Legende berichtet vom Fällen der Donareiche, womit
Bonifatius im chattischen Kemgebiet die Ohnmacht der germanischen Götter und die Macht des Christentums
demonstriert haben soll. Die Nachfolge für Büraberg traten im späten 8. Jh. St. Peter in Fritzlar für Niederhessen
und St. Stephan in Mainz für Oberhessen an. Die ersten Taufkirchen entstanden anfangs meist an den königlichen
Etappenstationen. Sie bildeten den Kem für den Aufbau einer Pfarrorganisation (z. B. Treysa). Vom Bistum
Büraberg aus wurden die Benediktinerklöster Fulda und Hersfeld gegründet, die in „der Schwalm“ großen Ein-
fluß gewannen und eine außerordentlich hohe wirtschaftliche Blüte erreichten. Beide erhielten nach kurzer Zeit
den Status von Reichsklöstem.
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Aus der vor- und frühgeschichtlichen Zeit gibt es in „der Schwalm“ bisher nur spärliche archäologische Funde.
Das hierauf gestützte Geschichtsbild hat deshalb z. T. hypothetischen Charakter.
Die verschiedenen vorgeschichtlichen Entwicklungsphasen kennzeichnet der Wechsel im Siedlungsverhalten.
Einfluß hierbei hatten vor allem die wirtschaftlichen Verhältnisse. Ackerbauern siedelten bevorzugt in den
Niederungen mit ihren fruchtbaren Lößböden, Jäger auf den waldreichen Höhen. Daneben bestimmten auch
Faktoren wie das Schutzbedürfnis oder die Nähe des lebensnotwendigen Wassers den Ort der Niederlassung. Ent-
scheidenden Einfluß auf die Besiedelung des Gebiets hatte auch die Wegsamkeit des Geländes. Die alten Fern-
straßen waren meist Höhenwege und mieden die stark versumpften und dicht verwachsenen Niederungen.
Die frühen Bewohner „der Schwalm“ waren Jäger, Fischer und Sammler. Die Entwicklung zu planmäßigem
Ackerbau und die Domestizierung von Wildtieren setzte hier wie im übrigen Mitteleuropa um 4000 v. Chr. ein
und erreichte Hessen von Südosten her. Die Ackerbauern bevorzugten zunächst tiefliegende Lößböden. Sie
bewohnten dorfartige Siedlungen, wechselten jedoch in bestimmtem Turnus zwischen mehreren Wohnplätzen,
da die Böden durch einseitige Bewirtschaftung und mangels Dünger schnell erschöpft waren.
In der Jungsteinzeit (4000 - 1800 v. Chr.) wurden nicht mehr ausschließlich die Niederungen besiedelt, sondern
auch die Höhen, vermutlich u. a. wegen der besseren Verteidigungsmöglichkeit.
In der Hügelgräberbronzezeit (1800 - 1000 v. Chr.) wurden die Höhen noch stärker bevorzugt. Erstmals wurden
Pferde gezähmt, die wesentliche Voraussetzung für alle Wanderbewegungen der Folgezeit. Man bezog im Berg-
land gelegene Höhlen, wie z. B. bei Ibra belegt.
Zur Zeit der Umenfelderkultur (1200 - 800 v. Chr.) verlagerten sich die Siedlungen wieder mehr in die frucht-
baren Talauen. Einige Funde aus dieser Zeit auf markanten Berghöhen lassen jedoch darauf schließen, daß das
Sicherheitsbedürfnis dazu führte, die Befestigungen auf Höhen beizubehalten. Die Funde bei der Landsburg sind
ein Beleg dafür.
Aus der nachfolgenden Hallstattkultur, der keltischen Latenezeit, der römischen Kaiserzeit und der
Völkerwanderungszeit gibt es bislang nur spärliche Funde. In den letzten vorchristlichen Jahrzehnten ließen sich
neue germanisch-chattische Bevölkerungsgruppen in Nordhessen, vor allem im Raum Fritzlar, nieder. In der
römischen Kaiserzeit standen die Chatten im Mittelpunkt der Kämpfe zwischen Römern und Germanen. Litera-
rischen Nachrichten zufolge zog im Jahre 15 nach Chr. der römische Feldherr Germaniens mit seinen Legionen
von Mainz über die Wetterau durch „die Schwalm“ bis in das Zentrum des chattischen Siedlungsraumes.
Die frühgeschichtliche germanisch-chattische Besiedlung Nordhessens läßt sich durch Fundstellen vor allem bei
Fritzlar verläßlich nachweisen. Die Siedlungen entstanden gewöhnlich am unteren Teil feuchter Hänge, in Fluß-
nähe oder am Mündungsdreieck von Bächen. Während der Völkerwanderungszeit kam es in Nordhessen zu einer
Siedlungsverdünnung.
Entscheidende Veränderungen brachte die fränkische Zeit. Das fränkische Reich gewann sukzessiv Einfluß im
hessischen Raum, das heißt zunächst in den südlichen Landesteilen und später in den nördlichen. Während das
südwestliche Hessen bereits im 4. Jh. und 5. Jh. nach verstärkter Besiedelung mit Franken in den
fränkischen Staatsverband integriert werden konnte, wurde das chattisch bestimmte Nordhessen erst später am
Ende des 7. Jh. eingegliedert. Auch hier kam es zu einer fränkischen Besiedelung, allerdings nicht im
gleichen Umfang wie im Süden Hessens. Nordhessen wurde vor allem durch Aufsicht von einigen wenigen militä-
rischen und wirtschaftlichen Stützpunkten aus, wie z. B. der Büraburg bei Fritzlar, der Kesterburg bei Marburg,
der Amöneburg, in das fränkische Reich eingegliedert. Offensichtlich wurden diese Befestigungswerke auch zur
Abwehr der Sachsen errichtet, die den nordhessischen Raum um 700 bedrängten. Vor allem im 8. Jh. ent-
standen weitere, kleinere Befestigungsanlagen auf breiten, steil abfallenden Bergspomen in der Nähe von
wichtigen Furten. Sie zogen sich wie ein Netz über das Land.
Parallel zur politischen Durchdringung erfolgte die kirchliche Durchdringung Nordhessens, die Christiani-
sierung. Beide Prozesse ergänzten und stützten sich. Die Christianisierung Nordhessens und der damit einher-
gehende Aufbau einer kirchlichen Verwaltung erfolgten unter Bonifatius im 8. Jh. Durch dauerhafte Einrichtun-
gen wie Bistümer, Klöster und Pfarreien wurde die Missionierung gesichert. So gründete Bonifatius 741 in der
Nähe von Fritzlar das Missionszentrum Büraberg. Die Legende berichtet vom Fällen der Donareiche, womit
Bonifatius im chattischen Kemgebiet die Ohnmacht der germanischen Götter und die Macht des Christentums
demonstriert haben soll. Die Nachfolge für Büraberg traten im späten 8. Jh. St. Peter in Fritzlar für Niederhessen
und St. Stephan in Mainz für Oberhessen an. Die ersten Taufkirchen entstanden anfangs meist an den königlichen
Etappenstationen. Sie bildeten den Kem für den Aufbau einer Pfarrorganisation (z. B. Treysa). Vom Bistum
Büraberg aus wurden die Benediktinerklöster Fulda und Hersfeld gegründet, die in „der Schwalm“ großen Ein-
fluß gewannen und eine außerordentlich hohe wirtschaftliche Blüte erreichten. Beide erhielten nach kurzer Zeit
den Status von Reichsklöstem.
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