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runde Vorlagen auf. Dadurch setzt sich der litur-
gisch bedeutsamere östliche Kirchenabschnitt
vom übrigen Langhaus ab. Eine weitere Auftei-
lung bewirken die beiden mächtigen, die Turm-
last aufnehmenden Pfeiler des westlichen Jo-
ches.
Außer einem Hochaltar sind im 16. Jh. noch elf
Nebenaltäre nachweisbar, die an den Mittel-
schiffspfeilern sowie in den Seitenschiffen auf-
gestellt waren. Von dem Hochaltar hat sich
noch die gotische Mensaplatte aus Solling-
sandstein erhalten. Das prächtige Barockreta-
bel schuf 1694 der Heiligenstädter Bildschnit-
zer Johann Andreas Gröber, der u. a. auch den
1688 vollendeten Altar der Probsteikirche St.
Cyriakus in Duderstadt fertigte, der in seiner
architektonischen Komposition dem Mündener
Retabel ähnelt. Der etwa 12 m hohe dreigeteilte
Altar ist durch gedrehte korinthische Säulen,
die mit reichen plastischen Blumen- und
Fruchtgirlanden umrahmt sind, die einen ge-
sprengten Segmentgiebel über der Gebälk-
zone tragen, gegliedert. Etwa 50 Jahre vor Auf-
stellung des barocken Retabels schuf der thü-
ringische Orgelbaumeister Chr. Weiß aus
Schwarza 1643/45 den reich gegliederten re-
präsentativen Orgelprospekt, der ein Gegenge-
wicht zum Hochaltar setzt und zugleich den
Beginn zur Barockisierung der Hallenkirche bil-
det.
Erhalten hat sich eine von H. Horbusch 1493
gefertigte spätgotische Sandsteinkanzel am
südlichen Pfeiler des Mittelschiffes, deren Kor-
pus von einem gewundenen achteckigen Pfei-
ler getragen wird.
Zu den herausragenden Ausstattungsstücken
der Kirche gehören auch die reliefierte Bronze-
tür einer Sakramentsnische um 1400 sowie der
1392 von Meister Nikolaus von Stettin gegos-
sene Taufkessel, ein Bronzeguß von hoher
künstlerischer Qualität. (Er schuf auch die
Glocke der Klosterkirche zu Bursfelde und die
Glocke der Kirche zu Bühren, um 1350.) Der
zylindrische, nach unten konisch sich verjün-
gende Kessel ruht auf einem von vier liegenden
Löwen gebildeten Untersatz, auf die vier Dra-
chenreiter herabschießen. Heiligengestalten
unterWimpergen umschließen die Kesselwan-
dung. Zudem haben sich zahlreiche Epitaphien
und Grabplatten im Kirchenraum erhalten. Her-
vorhebenswert sind die ursprünglich im Mittel-
schiff aufgestellte Sandsteintumba des Herzog
Wilhelm d. J. von Braunschweig-Lüneburg von
1494 - eine lebensgroße Figur in voller Rüstung
mit Schwert und Wappenschild, die aus gelbli-
chem Juramarmor gefaßte Epitaphplatte für
Herzog Erich I., die Loy Hering aus Eichstätt/
Bayern um 1530 fertigte sowie das 1976 restau-
rierte Bildepitaph des Burckhard Mitthoff.
Nachdem 1826 zunächst der Chor restauriert
und Ende des 19. Jh. das Maßwerk und Ge-
wände erneuert wurde, erfolgte 1972-76 eine
vollständige Innenraumrestaurierung. Dabei
wurde die Architekturfarbigkeit des frühen
16. Jh. (dat. 1519) weitgehend wieder herge-
stellt, die vorzügliche Anna-Selbdritt-Darstel-
lung oberhalb der Orgel freigelegt und die
Schlußsteine, die u.a. eine Verkündigung, Pieta
und Auferstehung zeigen, von späteren Über-
malungen befreit.

St. Ägidienkirche
Das einschiffige, mit einer Holztonne über-
spannte Langhaus der Ägidienkirche ist der
Nachfolgebau einer wohl um 1150 auf einem
überschwemmungsfreien Hügel im Südosten
der Stadt errichteten und später erweiterten
Kapelle. Ausgrabungen im Kirchenschiff legten
1964 Architekturrudimente eines „kapellenarti-
gen rechteckigen Vorgängerbaues” frei (ca. 6
x 9 m), dessen Datierung jedoch nicht gesi-
chert ist. Als bei Bestürmung der Stadt durch
Soldaten Tillys 1626 der nahegelegene Pulver-
turm explodierte, wurden auch wesentliche
Teile der Kirche zerstört. Erst 1684 entstand
unter Einbeziehung der noch erhaltenen spät-
gotischen Architekturrelikte in Chor und Ka-
pelle ein auf einem Sockel ruhender schlichter
Bruchsteinbau, der von einem hohen, weithin
sichtbaren Oktogonalturm überragt wird. In-
schrifttafeln am Westportal und oberhalb des
Triumphbogens erinnern an die Zerstörung und
Instandsetzung der Kirche. An der Nordseite
des plattgeschlossenen Altarraumes tritt die
mit kurzen schlichten Eckstrebepfeilern gesi-
cherte, heute als Sakristei genutzte Kapelle mit
%-Schluß aus dem Baukörper vor. Die in das

Langhaus eingebundene Sakristei bildet zu-
gleich das Untergeschoß des Turmes. Der bis
zur Hälfte des Chordaches reichende spätgoti-
sche massive Turm wurde 1729 um zwei vorkra-
gende verschieferte Fachwerkgeschosse und
eine barocke Haube erhöht und korrespondiert
so mit der Hauptkirche der Stadt, der St. Blasii-
kirche.
Wie die Kapelle so ist auch der schlichte Altar-
raum rippengewölbt und mit Strebepfeilern
(wohl noch 14. Jh.) gesichert. Ein spätgoti-
sches Kreuzrippengewölbe mit Pelikanschluß-
stein überspannt den eingezogenen Chor, der
um einige Stufen über das Niveau des Lang-
hauses erhoben ist. Hervorhebenswert ist der
Flügelaltar aus dem frühen 16. Jh. (restauriert
1965/66), der wohl durch die sog. Donauschule
inspiriert sein dürfte. Die Haupttafel stellt die
Kreuzigung Christi dar; Grablegung und Aufer-
stehung, Verkündigung und Anbetung der Heili-
gen Drei Könige, Geburt Christi und seine Dar-
stellung im Tempel finden sich auf den Seiten-
flügeln. Die Predella trägt eine Abendmahldar-
stellung wohl aus der Zeit um 1700.
1965/66 fanden im Innern umfangreiche Um-
bauten statt: So wurden die Emporen entfernt

St. Ägidien, Blick von Nordosten


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