rung der Fassade. Obgleich man die mächtigen
Ausladungen der Oberstöcke erheblich redu-
zierte und die Knaggen durch kurze Konsolen
ersetzte, steigern die schattenbildenden Vor-
kragungen der Oberstöcke die plastische Wir-
kung des Baukörpers. Neben der rein konstruk-
tiven Veränderung erfuhr das Schnitzwerk zu
jener Zeit seine reichste Ausprägung. Offenbar
verstärkte sich auch der hessische Einfluß auf
die Gestaltung der Fachwerkbauten, wie die
wohl aus dem Nordhessischen adaptierten
Fischgratmotive der Gebälkzonen Ende des
16. Jh. zeigen. An die Stelle der kurzen, anein-
andergereihten Kreuzverstrebungen in den
Brüstungsgefachen, die sich in ihren unter-
schiedlichen Erscheinungsformen zu einem
Leitmotiv der Fassadengestaltung entwickel-
ten, treten die mehr oder weniger regelmäßig
angeordneten Fußbänder, die häufig nicht mehr
in einem echten Dreiecksverband mit Schwelle
und Ständer verzapft sind, sondern Schwelle
und Brüstungsriegel verbinden. Darüber hin-
aus erscheinen reiche, differenzierte Verzierun-
gen von klassischer Strenge wie Volutenkonso-
len mit Kerbstechereien, profilierte Gesimse mit
Perlstab, Eierstab, Zahnfriesleisten sowie der
steigende und fallende Karnies. Zugleich greift
man auch auf Diamantquaderungen, flach an-
gelegte Pilaster und Halbsäulen zurück. Immer
wieder wird die Vorbildlichkeit und Formenviel-
falt der zeitgenössischen Steinarchitektur ge-
sucht und auf die Fachwerkbaukunst übertra-
gen.
Eine deutliche Reduktion der Schmuck- und
Zierform läßt sich bereits am Ende der 3. Bau-
periode feststellen, die zugleich den Übergang
zum Barock dokumentiert.
Eine Besonderheit stellen die zwischen Stock-
schwelle und Brustholz eingefügten geschnitz-
ten Brüstungstafeln dar, die in Münden erst-
mals 1574 am Fachwerkbau Vor der Burg 15
nachweisbar sind. Die völlig unkonstruktiven
Brüstungsplatten sind jeweils in paarweise an-
geordnete Blendarkaden aufgelöst, die sich in
der Brüstungszone zu einem durchlaufenden,
friesartigen Band vereinigen. Um die plastische
Wirkung zu erhöhen, wurden den Bogenstel-
lungen Kämpfer aufgenagelt. Es kommt jedoch
nicht zur Aufnahme figürlicher Darstellungen
mit biblischem oder antik-mythologischem In-
halt in den Brüstungstafeln, wie wir sie vor al-
lem in der 2. Hälfte des 16. Jh. in Hildesheim,
Einbeck, Braunschweig, Goslar, Göttingen und
Duderstadt (nach 1600) finden. Die Tendenz zu
mehr Flächigkeit fand ihre Entsprechung im
konstruktiven Aufbau, dergestalt, daß die Vor-
kragungen der Oberstöcke zusehends verrin-
gert werden.
Ein nicht minder bedeutsames gestalterisches
Element ist der wohl aus dem Fränkischen
adaptierte Fenstererker (Mühlenstraße 11, Zie-
gelstraße 2), eine in Balkenstärke ausladende
Fenstergruppe, die offenbar die Repräsenta-
tionsräume am Außenbau hervorheben soll.
Der dreigeschossige, giebelständig zur Müh-
lenstraße ausgerichtete Eckbau Nr. 11 zeigt bei-
spielhaft den am Außenbau in Erscheinung tre-
tenden Fenstererker, der offenbar, wie der in-
schriftlich datierte Sockelstein ausweist, 1581
in den älteren Kern des Hauses eingebunden
wurde. Die Erkervorkragung, akzentuiert durch
Mühlenstraße 11, Ansicht, Details, Stadtarchiv Münden (Bauaufnahme 0. Budde, um 1920)
Kirchplatz 7, ehern. Pfarrhaus St. Blasii, 158 (1), Schmuckform (1. OG)
Vor der Burg 15, 1574, Eckausbildung
Vor der Burg 15, dekorativer Eckständer
157
Ausladungen der Oberstöcke erheblich redu-
zierte und die Knaggen durch kurze Konsolen
ersetzte, steigern die schattenbildenden Vor-
kragungen der Oberstöcke die plastische Wir-
kung des Baukörpers. Neben der rein konstruk-
tiven Veränderung erfuhr das Schnitzwerk zu
jener Zeit seine reichste Ausprägung. Offenbar
verstärkte sich auch der hessische Einfluß auf
die Gestaltung der Fachwerkbauten, wie die
wohl aus dem Nordhessischen adaptierten
Fischgratmotive der Gebälkzonen Ende des
16. Jh. zeigen. An die Stelle der kurzen, anein-
andergereihten Kreuzverstrebungen in den
Brüstungsgefachen, die sich in ihren unter-
schiedlichen Erscheinungsformen zu einem
Leitmotiv der Fassadengestaltung entwickel-
ten, treten die mehr oder weniger regelmäßig
angeordneten Fußbänder, die häufig nicht mehr
in einem echten Dreiecksverband mit Schwelle
und Ständer verzapft sind, sondern Schwelle
und Brüstungsriegel verbinden. Darüber hin-
aus erscheinen reiche, differenzierte Verzierun-
gen von klassischer Strenge wie Volutenkonso-
len mit Kerbstechereien, profilierte Gesimse mit
Perlstab, Eierstab, Zahnfriesleisten sowie der
steigende und fallende Karnies. Zugleich greift
man auch auf Diamantquaderungen, flach an-
gelegte Pilaster und Halbsäulen zurück. Immer
wieder wird die Vorbildlichkeit und Formenviel-
falt der zeitgenössischen Steinarchitektur ge-
sucht und auf die Fachwerkbaukunst übertra-
gen.
Eine deutliche Reduktion der Schmuck- und
Zierform läßt sich bereits am Ende der 3. Bau-
periode feststellen, die zugleich den Übergang
zum Barock dokumentiert.
Eine Besonderheit stellen die zwischen Stock-
schwelle und Brustholz eingefügten geschnitz-
ten Brüstungstafeln dar, die in Münden erst-
mals 1574 am Fachwerkbau Vor der Burg 15
nachweisbar sind. Die völlig unkonstruktiven
Brüstungsplatten sind jeweils in paarweise an-
geordnete Blendarkaden aufgelöst, die sich in
der Brüstungszone zu einem durchlaufenden,
friesartigen Band vereinigen. Um die plastische
Wirkung zu erhöhen, wurden den Bogenstel-
lungen Kämpfer aufgenagelt. Es kommt jedoch
nicht zur Aufnahme figürlicher Darstellungen
mit biblischem oder antik-mythologischem In-
halt in den Brüstungstafeln, wie wir sie vor al-
lem in der 2. Hälfte des 16. Jh. in Hildesheim,
Einbeck, Braunschweig, Goslar, Göttingen und
Duderstadt (nach 1600) finden. Die Tendenz zu
mehr Flächigkeit fand ihre Entsprechung im
konstruktiven Aufbau, dergestalt, daß die Vor-
kragungen der Oberstöcke zusehends verrin-
gert werden.
Ein nicht minder bedeutsames gestalterisches
Element ist der wohl aus dem Fränkischen
adaptierte Fenstererker (Mühlenstraße 11, Zie-
gelstraße 2), eine in Balkenstärke ausladende
Fenstergruppe, die offenbar die Repräsenta-
tionsräume am Außenbau hervorheben soll.
Der dreigeschossige, giebelständig zur Müh-
lenstraße ausgerichtete Eckbau Nr. 11 zeigt bei-
spielhaft den am Außenbau in Erscheinung tre-
tenden Fenstererker, der offenbar, wie der in-
schriftlich datierte Sockelstein ausweist, 1581
in den älteren Kern des Hauses eingebunden
wurde. Die Erkervorkragung, akzentuiert durch
Mühlenstraße 11, Ansicht, Details, Stadtarchiv Münden (Bauaufnahme 0. Budde, um 1920)
Kirchplatz 7, ehern. Pfarrhaus St. Blasii, 158 (1), Schmuckform (1. OG)
Vor der Burg 15, 1574, Eckausbildung
Vor der Burg 15, dekorativer Eckständer
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