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stiess bedeutend mit der Zunge an und sah
ästhetische Jünglinge bei sich. Um Bildung zu
markieren, zeigte die Dame den Jünglingen stets
die knidische Vase. Also die Jünglinge vergli-
chen kunstgewerblich die Dame mit der Vase.
Der Pot hatte unbedingt die Form eines schlan-
ken Weibes, die Dame zog dabei den kürzeren
und kam mit ihrer Liebe zur Kunst nicht auf
ihre Kosten. Diese Vase ruinierte mich fast,
meine Sinne waren ziemlich abstrakt gestimmt.
Ich suchte wochenlang nach der Frau, welche
die Proportionen der Vase habe. Selbstverständ-
lich vergeblich. Höchstens die Puppe in Euphe-
mias billiger Erstarrnis. Aber das stimmte alles
nicht. Im Traum stieg ich zur Vase und zer-
brach sie regelmässig. Das Gefäss machte mich
zum Klassizisten, zum symmetrisch geteilten
Stilisten. Da fand ich’s. Die Symmetrie ist wie
die platonische Idee eine tote Ruhe. Böhm sagte
mal, ich sollte mir ein Bein amputieren. Das war
brutal, aber ganz richtig. Doch die Sache war
mir damals nicht klar, die Symmetrie ist lang-
weilig wie Mechanik. Zuletzt liess ich mir die
knidische Vase schenken. Damit war der Dame
des Hauses und mir gedient. Nach einer ziem-
lich schlimmen Nacht schlug ich den Topf ent-
 
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