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Ein reicher Aiann.
zwar damals schon nach Kulmbach, Erlangen, Manchen und
Nürnberg floß, gegenwärtig aber in hundertfach größeren Sum-
men, eben seit dem Entstehen der Waldschlößchenbrauerei,
nach Bayern geht. —
In einem der traulich-dunklen und während der schwülen
Sommertage so angenehm kühlen Zimmer dieser Chiapone'schen
Handlung saßen im Juli des Jahre 1829, Vormittags zwölf
; Uhr, drei Gäste an einem Tische mit dem Reste eines Gabelfrüh-
stücks der pikantesten Auswahl beschäftigt, während inehrere
leere Weinflaschen bewiesen, daß es an dem nöthigen Durste
dabei nicht gefehlt. — Zwei derselben, ein alter Cavallerie-
Oberst und ein Rittergutsbesitzer aus der nächsten Umgebung
Dresdens schienen mit dem feurigen Rebensäfte der stärksten
Burgunderweine schon lange vertraut zu sein, denn der hoch-
rothe Teint ihrer Wangen und Schläfe fing nachgerade an
in der Gegend der Nasenflügel sich ins Violette zu versenken,
während der Dritte, welchen die beiden andern Doktor nannten,
dem äußern Ansehen nach ein starker Fünfziger, in seinem
faltenreichen grangelben Gesicht noch keinen Anflug von der
Röthe des genossenen Weines zeigte.
Die Gläser dieser drei Gäste waren leer und der Doctor
wollte eben ausstehen und sich entfernen, als der Besitzer der
Handlung, der alte Chiapone, auf einen Wink des Obristen
mit einer frischen Flasche sich näherte.
„Ich glaubte, es wäre für heute genug," bemerkte der
Doctor, seinen Platz wieder einnehmend.
„Dieser Chambertin mag den Schluß bilden," entgegnete
der Obrist, während Chiapone demselben die entkorkte Flasche
reichte und dessen Diener die leeren Teller und Flaschen ent-
fernten und frische Gläser brachten.
„Aber Ihr Herren! bedenkt doch bei dieser glühenden
! Sonnenhitze — wir müssen heute achtundzwanzig Grad im
Schatten haben —- diesen vollen schweren Wein, das heißt
ja fast absichtlich dem Schlagfluß sich aussetzen," rief der
! Doctor, war aber demohngeachtet der erste, welcher das frisch-
gefüllte Glas an den Mund setzte und prüfend schlürfte.
„Ta hätte der Herr Doctor bei der ersten Flasche warnen
sollen, aber nicht bei der letzten," fügte lachend der Ritter-
gutsbesitzer hinzu.
„A propos Chiapone!" rief der Obrist, sich zu diesem
wendend, „wer ist denn das Snbject, welches seit einiger
Zeit täglich hier einkehrt?"
„Ein starker großer Mann mit einem braunen Jagd-
hund?" frug dieser zurück und rieb lächelnd sich die Hände.
„Ja, eben der!"
„Das soll ein reicher Mann sein jetzt, und früher ge-
wesen sein ein ganz armer Teufel," entgegnete der alte
j Italiener.
„Ich habe von diesem Menschen in der neuern Zeit
. mehrmals sprechen hören," bemerkte der Doctor. „Er soll durch
eine unerwartete Erbschaft plötzlich in Besitz eines Vermögens
von oirea 50,000 Thalern gekommen sein."
„Ein merkwürdiger Kerl," fügte der Rittergutsbesitzer
hinzu. „Ich habe noch nie einen Menschen so leidenschaftlich
pariren sehen, als diesen Kauz. Gestern Abend z. B. traf
ich ihn nach Schluß des Theaters auf dem linkischen Bade,
tvo er mit einem Artillerieoffizier Billard spielte. Er parirte
auf jeden Ball und verlor fast jedesmal. Wenn er das Ding
so forttreibt, wird der Reichthum nicht von langer Tauer sein." |
„Geld will einen klugen Herrn haben und für solche
Menschen, wie dieser, ist Reichthum Unglück!" schaltete der
Doctor halb ärgerlich ein. „Mir ist dieser Mann sehr gleich-
gültig und seiner plumpen Manieren wegen zuwider; aber
es empört mich jedesmal, wenn ich ihn nur frühstücken sehe. j
Meine Herren! Wie trinkt dieser Mensch z. B. eine Flasche
Geisenheimer; wie verzehrt er ein Stück Rheinlachs oder eine
Portion Caviar? Nicht wie ein nur einigermaßen gebildeter
Mann. Nein, er säuft den edelsten Wein hinunter wie ein Schiffs-
zieher, und frißt die feinsten Delikatessen hastig wie ein Neu-
seeländer, als wenn er acht Tage gehungert hätte."
„Aber solche Gäste, das ist die richtige Art Krebse für
Euch," brummte der Obrist, zu Chiapone gewendet. „So
ein Kerl verpraßt in einem Tage mehr, als ein vernünftiger
Millionär in einem Monate anständig verzehrt."
„O mein gnädiger Herr Obrist," entgegnete der alte
Italiener, der sich selbst sehr gern den armen Chiapone
nannte, aber ein sehr wohlhabender Mann war, dessen Auf-
merksamkeit gegen seine Gäste immer unterwürfiger wurde,
je höhern Standes dieselben waren oder je bedeutender deren
Zeche wurde. „Ich verdiene gern, denn der arme Chiapone
hat zu decken viel Risico und viel Verlust. Allein ich möchte i
nicht zu viel der Art Gäste haben, denn diese würden zuletzt
mir verdrängen die noblen Herrschaften, welche wie Sie mich
täglich beehren und erhöhen das Renvmöe meiner Firma. Und
dann sein Hund, o diese Bestia hat mir schon viel Aerger
-" Ein Geräusch, wie das eines herabfallenden und
zerspringenden Porzellangefäßes vom Berkanfslokale her unter-
brach Chiapone's Rede, und als dieser die Thür des Zimmers
öffnete, um nachzusehen, wer der Urheber dieses Schadens
sei, fuhr ein großer brauner Jagdhund dicht an ihm vorbei,
einen halben gebratenen Fasan, der auf dem Büffet para-
dirt hatte, in der Schnauze, und lagerte sich mit seiner Beute
unter dem letzten Tische des Zimmers, während der Diener
Chiapone's bestürzt die Scherben der Glasglocke, welche den
Braten bedeckt und die Schüssel von feinem Meißner Porzellan,
worauf derselbe gelegen, vom Boden auflas.
Ein großer starker Herr — dem Anschein nach einige
fünfzig Jahr alt init etwas aufgedunsenem Gesicht, großen,
glanzlosen Augen und aufgeworfenen Lippen, fein aber
geschmacklos gekleidet und mit Ringen, Berlvques und großer
breitgliedriger goldner Uhrkette überladen, folgte dem Hunde
und verbeugte sich halb verlegen, halb mürrisch gegen die
Anwesenden.
„Ah Herr Sippmar," rief Chiapone, auf dessen Stirn zwar
schon eine Zornwolke aufgestiegen war, die aber, als er sah, daß
der Zerstörer der Hund dieses Herrn gewesen, bei Anblick des
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Ein reicher Aiann.
zwar damals schon nach Kulmbach, Erlangen, Manchen und
Nürnberg floß, gegenwärtig aber in hundertfach größeren Sum-
men, eben seit dem Entstehen der Waldschlößchenbrauerei,
nach Bayern geht. —
In einem der traulich-dunklen und während der schwülen
Sommertage so angenehm kühlen Zimmer dieser Chiapone'schen
Handlung saßen im Juli des Jahre 1829, Vormittags zwölf
; Uhr, drei Gäste an einem Tische mit dem Reste eines Gabelfrüh-
stücks der pikantesten Auswahl beschäftigt, während inehrere
leere Weinflaschen bewiesen, daß es an dem nöthigen Durste
dabei nicht gefehlt. — Zwei derselben, ein alter Cavallerie-
Oberst und ein Rittergutsbesitzer aus der nächsten Umgebung
Dresdens schienen mit dem feurigen Rebensäfte der stärksten
Burgunderweine schon lange vertraut zu sein, denn der hoch-
rothe Teint ihrer Wangen und Schläfe fing nachgerade an
in der Gegend der Nasenflügel sich ins Violette zu versenken,
während der Dritte, welchen die beiden andern Doktor nannten,
dem äußern Ansehen nach ein starker Fünfziger, in seinem
faltenreichen grangelben Gesicht noch keinen Anflug von der
Röthe des genossenen Weines zeigte.
Die Gläser dieser drei Gäste waren leer und der Doctor
wollte eben ausstehen und sich entfernen, als der Besitzer der
Handlung, der alte Chiapone, auf einen Wink des Obristen
mit einer frischen Flasche sich näherte.
„Ich glaubte, es wäre für heute genug," bemerkte der
Doctor, seinen Platz wieder einnehmend.
„Dieser Chambertin mag den Schluß bilden," entgegnete
der Obrist, während Chiapone demselben die entkorkte Flasche
reichte und dessen Diener die leeren Teller und Flaschen ent-
fernten und frische Gläser brachten.
„Aber Ihr Herren! bedenkt doch bei dieser glühenden
! Sonnenhitze — wir müssen heute achtundzwanzig Grad im
Schatten haben —- diesen vollen schweren Wein, das heißt
ja fast absichtlich dem Schlagfluß sich aussetzen," rief der
! Doctor, war aber demohngeachtet der erste, welcher das frisch-
gefüllte Glas an den Mund setzte und prüfend schlürfte.
„Ta hätte der Herr Doctor bei der ersten Flasche warnen
sollen, aber nicht bei der letzten," fügte lachend der Ritter-
gutsbesitzer hinzu.
„A propos Chiapone!" rief der Obrist, sich zu diesem
wendend, „wer ist denn das Snbject, welches seit einiger
Zeit täglich hier einkehrt?"
„Ein starker großer Mann mit einem braunen Jagd-
hund?" frug dieser zurück und rieb lächelnd sich die Hände.
„Ja, eben der!"
„Das soll ein reicher Mann sein jetzt, und früher ge-
wesen sein ein ganz armer Teufel," entgegnete der alte
j Italiener.
„Ich habe von diesem Menschen in der neuern Zeit
. mehrmals sprechen hören," bemerkte der Doctor. „Er soll durch
eine unerwartete Erbschaft plötzlich in Besitz eines Vermögens
von oirea 50,000 Thalern gekommen sein."
„Ein merkwürdiger Kerl," fügte der Rittergutsbesitzer
hinzu. „Ich habe noch nie einen Menschen so leidenschaftlich
pariren sehen, als diesen Kauz. Gestern Abend z. B. traf
ich ihn nach Schluß des Theaters auf dem linkischen Bade,
tvo er mit einem Artillerieoffizier Billard spielte. Er parirte
auf jeden Ball und verlor fast jedesmal. Wenn er das Ding
so forttreibt, wird der Reichthum nicht von langer Tauer sein." |
„Geld will einen klugen Herrn haben und für solche
Menschen, wie dieser, ist Reichthum Unglück!" schaltete der
Doctor halb ärgerlich ein. „Mir ist dieser Mann sehr gleich-
gültig und seiner plumpen Manieren wegen zuwider; aber
es empört mich jedesmal, wenn ich ihn nur frühstücken sehe. j
Meine Herren! Wie trinkt dieser Mensch z. B. eine Flasche
Geisenheimer; wie verzehrt er ein Stück Rheinlachs oder eine
Portion Caviar? Nicht wie ein nur einigermaßen gebildeter
Mann. Nein, er säuft den edelsten Wein hinunter wie ein Schiffs-
zieher, und frißt die feinsten Delikatessen hastig wie ein Neu-
seeländer, als wenn er acht Tage gehungert hätte."
„Aber solche Gäste, das ist die richtige Art Krebse für
Euch," brummte der Obrist, zu Chiapone gewendet. „So
ein Kerl verpraßt in einem Tage mehr, als ein vernünftiger
Millionär in einem Monate anständig verzehrt."
„O mein gnädiger Herr Obrist," entgegnete der alte
Italiener, der sich selbst sehr gern den armen Chiapone
nannte, aber ein sehr wohlhabender Mann war, dessen Auf-
merksamkeit gegen seine Gäste immer unterwürfiger wurde,
je höhern Standes dieselben waren oder je bedeutender deren
Zeche wurde. „Ich verdiene gern, denn der arme Chiapone
hat zu decken viel Risico und viel Verlust. Allein ich möchte i
nicht zu viel der Art Gäste haben, denn diese würden zuletzt
mir verdrängen die noblen Herrschaften, welche wie Sie mich
täglich beehren und erhöhen das Renvmöe meiner Firma. Und
dann sein Hund, o diese Bestia hat mir schon viel Aerger
-" Ein Geräusch, wie das eines herabfallenden und
zerspringenden Porzellangefäßes vom Berkanfslokale her unter-
brach Chiapone's Rede, und als dieser die Thür des Zimmers
öffnete, um nachzusehen, wer der Urheber dieses Schadens
sei, fuhr ein großer brauner Jagdhund dicht an ihm vorbei,
einen halben gebratenen Fasan, der auf dem Büffet para-
dirt hatte, in der Schnauze, und lagerte sich mit seiner Beute
unter dem letzten Tische des Zimmers, während der Diener
Chiapone's bestürzt die Scherben der Glasglocke, welche den
Braten bedeckt und die Schüssel von feinem Meißner Porzellan,
worauf derselbe gelegen, vom Boden auflas.
Ein großer starker Herr — dem Anschein nach einige
fünfzig Jahr alt init etwas aufgedunsenem Gesicht, großen,
glanzlosen Augen und aufgeworfenen Lippen, fein aber
geschmacklos gekleidet und mit Ringen, Berlvques und großer
breitgliedriger goldner Uhrkette überladen, folgte dem Hunde
und verbeugte sich halb verlegen, halb mürrisch gegen die
Anwesenden.
„Ah Herr Sippmar," rief Chiapone, auf dessen Stirn zwar
schon eine Zornwolke aufgestiegen war, die aber, als er sah, daß
der Zerstörer der Hund dieses Herrn gewesen, bei Anblick des
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