©ein Leb
■ Farmerfamilie! Der Mann wusch sich nebst seinen Söhnen,
! und setzte sich dann mit der Einladung an mich: „Kommen
1 Sie zum Nachtessen!" an den Tisch, der reichlich bedeckt war
mit geröstetem Schweinespeck, süßen Kartoffeln, gedampften Aepfeln,
Käse, Butter, verschiedenen Sorten Eingemachtes, Melasses,
warmem Maisbrod und Torten.
„Trinken Sie Thee mit Milch und Zucker?" waren die
ersten und letzten an mich gerichteten Worte der Hausfrau, die
neben ihrem Manne hinter einer gewaltigen Theekanne saß, und
nachdem dieser das Tischgebet gesprochen hatte, die Tassen herum-
reichte. „Help your seif!“ rief mir der Farmer zu, und schweig-
sam ging das Mahl vor sich.
Nach Tisch setzten wir uns alle um den Kamin, und blick-
ten da eine Viertelstunde lang in die Kohlen, ohne den Mund
zu öffnen. Mit den Worten: „Kann ich hier übernachten?"
eröffnete ich das Gespräch, und mit einem „Ja" beschloß der
Farmer daffelbe.
Zu meiner Freude erklangen jetzt Geigentöne vor dem Hause,
und als ich in's Freie trat, erblickteich vor einer der bretternen
Hütten einen Neger, der lustig d'rauf los fidelte, während zwei
andre schwarze Bursche mit den Füßen den Takt dazu stampften
und eines jener Negerlicdcr sangen, die im Munde Aller in den
Vereinigten Staaten sind. Ein Vers dieses Negerliedes lautet
wörtlich in deutscher Uebersetzung also:
Es war ein alter Neger, mit Namen Onkel Fritze,
Und er starb, es ist schon lange, lang' gescheh'n.
Er hatte keine Wolle aus seines Kopfes Spitze,
Wo sie sonst doch, die Wolle, ist zu seh'n,
Er hatte keine Zähne, zum Brodbeißcn nütze.
Und so ließ er den Maiskuchen steh'n.
Weh! weh! weh!
Leg' die Hacke und die Schaufel hin, und geh'
Aus der Geige und des Fidelbogens Näh'!
Er konnte nimmer schaffen, der arme, alte Fritze —
Er ist hin, wohin die guten Neger geh'n!
Diese Sklaven sind immer wohlausgelegt, und werden na-
mentlich in Kentucky, wo sie auch vom Gesetz etwas beschützt
sind, gut von ihren Herrn behandelt, sind selten ohne etwas
Taschengeld, das sie von ihren Gebietern jedes Neujahr unv
oft von Gästen, denen sie die Stiefel wichsen, erhalten, und
auch auf unerlaubte Weise zu erlangen wissen.
Nach erquickendem Schlaf in einem jener vortrefflichen Fe-
derbetten, die bei den amerikanischen Farmern zu Hause sind,
und einem vortrefflichen Frühstück, erwartete ich den Hausherrn
gesprächiger zu finden, als ich nach meiner Schulvigkeit frug,
aber ich irrte mich, denn seine einzige Antwort war: „Nichts."
Ich machte ihm ein Geschenk aus meinen Waaren unv bot ihm
andere zum Verkauf an, was er jedoch abschlug; überhaupt
machte ich in vielversprechenden Gebäud e n weniger Geschäfte, als
in unansehnlichen Häusern; natürlicher Weise! denn wären die
Wohlhabenden nicht vorsichtiger im Geldausgebcn, alö die weni-
ger Bemittelten, wie gäbe es Reiche und Arme?
Von Haus zu Hause ziehend schlug ich mit abwechselndem
Glücke meine Waaren los, und saß am zweiten Abende am
n mache». 19
Herde eines Farmers, der nicht zu den schweigsamen, sondern
zu jenen fraglustigen Aankees gehörte, deren eben so zudring-
liche, als lächerliche Wißbegicrve Alles übertrifft.
„Welche Religion haben Sic?" war eine seiner ersten
Fragen.
„Ich bin ein Protestant!" antwortete ich, „und verkaufe
Gebetbücher für alle Sekten; wünschen Sie eines?"
„Wie, doch keine für Katholiken?" frug er.
„Gewiß!" versicherte ich, „sehenSie, welche schöncnEinbände!"
„Ich bin ein Presbyterianer!" rief er eifrig, „und Sie
als Protestant, was beinahe eben soviel ist, sollten die Sünde
fürchten, durch Verbreitung katholischer Schriften dem römischen
Götzen zu dienen, ja Sie sollten vielmehr nach Kräften seine
Kirche zu untergraben suchen!"
„Jeder nach seinen Kräften!" antwortete ich, „ich muß
als Pcvlar mein Leben machen, Sie hingegen sind ein vermög-
licher, unabhängiger Gutsbesitzer, und in Ihrer Macht steht es
nun, ein doppelt schönes Werk zu vollbringen, wenn Sie mir
all' die Bücher abkaufen und verbrennen!"
Sein Fanatismus war plötzlich abgcknhlt, und ohne das
doppelt schöne Werk zu vollbringen, stellte er hundert Fragen >
an mich, wie ick sic fast in jedem Hause zu beantworten hatte, !
z. B. ob ich Amerika und Maisbrod liebe, ob Deutschland un-
ter englischer Oberherrschaft stehe, welche religiöse Sekten und j
Landesprodukte es hervorbringe, ob man dort Eisenbahnen und
Zündhölzchen kenne? und hundert weitere Fragen, die man mir
sonst seltener vorlegte, ncmlich, „was ich werth sei," (wie viel
Vermögen ich besitze), wann ich heirathen wolle, und ob ich auch
schon den Schluchzer gehabt hätte? Nichts weniger als Ucber- >
treibung! Ach! ein solcher Peiniger fragt nach Allein, nur
Nichts nach dem Denken, und ihrer Fragen sind so viele und
so betäubend dumme, daß man sie nicht mehr alle hören, ge-
schweige behalten kann! Mehr als einmal frugen mich sonst
vernünftige Aankee's im vollsten Ernst, als ich mit Landsleuten
Deutsch sprach, „ob wir uns denn wirklich auch gut verstehen J
könnten?"
Einige Zeit vor dem Schlafengehen sang er mit Weib
und Kind religiöse Lieder mit vieler Geschicklichkeit durch die '
Nase, und forderte dann auch mich auf, ein deutsches Kirchen-
lied hören zu lasten. Ich entschuldigte mich mit meiner Un-
kenntniß, allein er hielt das für Blödigkeit, und drang so
lange in mich, bis ich in der Verzweiflung das Lied: „Zu Olym-
pias festlichen Gelagen" zum Besten gab, was auch mit großer
Andacht ausgenommen wurde, und nur dann, als mich fröhlich
erwachende Erinnerungen zu einem: „Zum Zipfel, zumZapfel,
zum Kellerloch'nein!" fortrissen, schüttelte der Farmer bedächtig '
das Haupt und meinte, solche Lieder müßten viel langsamer
und würdevoller gesungen werden.
Nach dem Singen beobachtete er einen andern religiösen
Gebrauch, der von den Gliedern verschiedener Sekten befolgt
wird, er las ncmlich erst einige Stellen aus der Bibel vor,
kniete dann, während zugleich seine Familie daffelbe that, vor
seinen Stuhl, über dessen Sitz er den Kopf beugte, und betete
laut mit Inbrunst und Andacht.
■ Farmerfamilie! Der Mann wusch sich nebst seinen Söhnen,
! und setzte sich dann mit der Einladung an mich: „Kommen
1 Sie zum Nachtessen!" an den Tisch, der reichlich bedeckt war
mit geröstetem Schweinespeck, süßen Kartoffeln, gedampften Aepfeln,
Käse, Butter, verschiedenen Sorten Eingemachtes, Melasses,
warmem Maisbrod und Torten.
„Trinken Sie Thee mit Milch und Zucker?" waren die
ersten und letzten an mich gerichteten Worte der Hausfrau, die
neben ihrem Manne hinter einer gewaltigen Theekanne saß, und
nachdem dieser das Tischgebet gesprochen hatte, die Tassen herum-
reichte. „Help your seif!“ rief mir der Farmer zu, und schweig-
sam ging das Mahl vor sich.
Nach Tisch setzten wir uns alle um den Kamin, und blick-
ten da eine Viertelstunde lang in die Kohlen, ohne den Mund
zu öffnen. Mit den Worten: „Kann ich hier übernachten?"
eröffnete ich das Gespräch, und mit einem „Ja" beschloß der
Farmer daffelbe.
Zu meiner Freude erklangen jetzt Geigentöne vor dem Hause,
und als ich in's Freie trat, erblickteich vor einer der bretternen
Hütten einen Neger, der lustig d'rauf los fidelte, während zwei
andre schwarze Bursche mit den Füßen den Takt dazu stampften
und eines jener Negerlicdcr sangen, die im Munde Aller in den
Vereinigten Staaten sind. Ein Vers dieses Negerliedes lautet
wörtlich in deutscher Uebersetzung also:
Es war ein alter Neger, mit Namen Onkel Fritze,
Und er starb, es ist schon lange, lang' gescheh'n.
Er hatte keine Wolle aus seines Kopfes Spitze,
Wo sie sonst doch, die Wolle, ist zu seh'n,
Er hatte keine Zähne, zum Brodbeißcn nütze.
Und so ließ er den Maiskuchen steh'n.
Weh! weh! weh!
Leg' die Hacke und die Schaufel hin, und geh'
Aus der Geige und des Fidelbogens Näh'!
Er konnte nimmer schaffen, der arme, alte Fritze —
Er ist hin, wohin die guten Neger geh'n!
Diese Sklaven sind immer wohlausgelegt, und werden na-
mentlich in Kentucky, wo sie auch vom Gesetz etwas beschützt
sind, gut von ihren Herrn behandelt, sind selten ohne etwas
Taschengeld, das sie von ihren Gebietern jedes Neujahr unv
oft von Gästen, denen sie die Stiefel wichsen, erhalten, und
auch auf unerlaubte Weise zu erlangen wissen.
Nach erquickendem Schlaf in einem jener vortrefflichen Fe-
derbetten, die bei den amerikanischen Farmern zu Hause sind,
und einem vortrefflichen Frühstück, erwartete ich den Hausherrn
gesprächiger zu finden, als ich nach meiner Schulvigkeit frug,
aber ich irrte mich, denn seine einzige Antwort war: „Nichts."
Ich machte ihm ein Geschenk aus meinen Waaren unv bot ihm
andere zum Verkauf an, was er jedoch abschlug; überhaupt
machte ich in vielversprechenden Gebäud e n weniger Geschäfte, als
in unansehnlichen Häusern; natürlicher Weise! denn wären die
Wohlhabenden nicht vorsichtiger im Geldausgebcn, alö die weni-
ger Bemittelten, wie gäbe es Reiche und Arme?
Von Haus zu Hause ziehend schlug ich mit abwechselndem
Glücke meine Waaren los, und saß am zweiten Abende am
n mache». 19
Herde eines Farmers, der nicht zu den schweigsamen, sondern
zu jenen fraglustigen Aankees gehörte, deren eben so zudring-
liche, als lächerliche Wißbegicrve Alles übertrifft.
„Welche Religion haben Sic?" war eine seiner ersten
Fragen.
„Ich bin ein Protestant!" antwortete ich, „und verkaufe
Gebetbücher für alle Sekten; wünschen Sie eines?"
„Wie, doch keine für Katholiken?" frug er.
„Gewiß!" versicherte ich, „sehenSie, welche schöncnEinbände!"
„Ich bin ein Presbyterianer!" rief er eifrig, „und Sie
als Protestant, was beinahe eben soviel ist, sollten die Sünde
fürchten, durch Verbreitung katholischer Schriften dem römischen
Götzen zu dienen, ja Sie sollten vielmehr nach Kräften seine
Kirche zu untergraben suchen!"
„Jeder nach seinen Kräften!" antwortete ich, „ich muß
als Pcvlar mein Leben machen, Sie hingegen sind ein vermög-
licher, unabhängiger Gutsbesitzer, und in Ihrer Macht steht es
nun, ein doppelt schönes Werk zu vollbringen, wenn Sie mir
all' die Bücher abkaufen und verbrennen!"
Sein Fanatismus war plötzlich abgcknhlt, und ohne das
doppelt schöne Werk zu vollbringen, stellte er hundert Fragen >
an mich, wie ick sic fast in jedem Hause zu beantworten hatte, !
z. B. ob ich Amerika und Maisbrod liebe, ob Deutschland un-
ter englischer Oberherrschaft stehe, welche religiöse Sekten und j
Landesprodukte es hervorbringe, ob man dort Eisenbahnen und
Zündhölzchen kenne? und hundert weitere Fragen, die man mir
sonst seltener vorlegte, ncmlich, „was ich werth sei," (wie viel
Vermögen ich besitze), wann ich heirathen wolle, und ob ich auch
schon den Schluchzer gehabt hätte? Nichts weniger als Ucber- >
treibung! Ach! ein solcher Peiniger fragt nach Allein, nur
Nichts nach dem Denken, und ihrer Fragen sind so viele und
so betäubend dumme, daß man sie nicht mehr alle hören, ge-
schweige behalten kann! Mehr als einmal frugen mich sonst
vernünftige Aankee's im vollsten Ernst, als ich mit Landsleuten
Deutsch sprach, „ob wir uns denn wirklich auch gut verstehen J
könnten?"
Einige Zeit vor dem Schlafengehen sang er mit Weib
und Kind religiöse Lieder mit vieler Geschicklichkeit durch die '
Nase, und forderte dann auch mich auf, ein deutsches Kirchen-
lied hören zu lasten. Ich entschuldigte mich mit meiner Un-
kenntniß, allein er hielt das für Blödigkeit, und drang so
lange in mich, bis ich in der Verzweiflung das Lied: „Zu Olym-
pias festlichen Gelagen" zum Besten gab, was auch mit großer
Andacht ausgenommen wurde, und nur dann, als mich fröhlich
erwachende Erinnerungen zu einem: „Zum Zipfel, zumZapfel,
zum Kellerloch'nein!" fortrissen, schüttelte der Farmer bedächtig '
das Haupt und meinte, solche Lieder müßten viel langsamer
und würdevoller gesungen werden.
Nach dem Singen beobachtete er einen andern religiösen
Gebrauch, der von den Gliedern verschiedener Sekten befolgt
wird, er las ncmlich erst einige Stellen aus der Bibel vor,
kniete dann, während zugleich seine Familie daffelbe that, vor
seinen Stuhl, über dessen Sitz er den Kopf beugte, und betete
laut mit Inbrunst und Andacht.