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Der verhängnißvolle Hecht.

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| dankbar das Trinkgeld in die Hand und ließ meinem gastfreien
! Vetter sagen, daß ich noch vor der bestimmten Stunde unfehl-
bar cintreffen würde.

Um Zeit zu verlieren, beschloß ich den Weg zu Fuße zu-
rück zu legen, steckte ein halbes Dutzend feiner Havannacigarren
in die Tasche und trat gegen zwei Uhr die Wanderung an.
Gegen vier Uhr traf ich bei meinem Vetter ein; aber wie er-
staunt war ich, als er, statt wie gewöhnlich mir heiter und
scherzend entgegcnzukommen, mir jetzt ein Gesicht zeigte, bei des-
sen Anblick die charakterfesteste Milch sich des Gerinnens nicht
hätte enthalten können. Ich konnte dieses Gesicht mit der eben
erhaltenen Einladung gar nicht in Zusammenhang bringen und
dachte an ein großes Unglück, das ihn plötzlich überfallen, zu-
mal da ich seine Frau nicht erblickte, die doch stets, wenn sie
meine Stimme hörte, mir freundlich entgcgenzukommen pflegte.

„Was ist Dir, Eduard?" rief ich. „Und wo ist Fanny?"

Statt diese zwei Fragen zu beantworten, führte mich mein
Vetter schweigend in sein Zimmer und rief, nachdem er sich
neben mir auf's Sopha niedergelassen, mit einem unendlich
langen Seufzer: „Es ist am Ende doch dumm!"

„Was ist am Ende dumm?" fragte ich.

„Zu heirathen!" antwortete mein Vetter.

„Wenn das dumm ist, so ist es nicht am Ende dumm,
sondern am Anfänge," bemerkte ich. weil mir in diesem Augen-
blicke keine bessere Anmerkung einfiel und fragte dann, was
dieser antihymenäische Stoßseufzer mit dem schönen Hechte zu
thun habe, der doch die Hauptursache meiner angenehmen Ge-
genwart sei.

„Der Hecht!" rief mein Vetter, indem seine essigsauren
Züge noch essigsaurer wurden, „der Hecht, das ist's eben!"

„Hast Du denn das Geschäft der Sphynx übernommen?"
fragte ich. „Ich bin sehr ungeschickt, Räthsel zu lösen. Davus
sum, non Oedipns! wie wir Lateiner sagen. Antworte mir
kurz und bündig: Wie geht's Deiner Frau? Warum siehst Du
so niedergcwettert aus und" —

„Wie steht's mit dem Hechte? Willst Du ferner fragen,"
unterbrach mein Vetter. „Nun," fuhr er lebhaft fort, „mein
Weib schmollt, das ist die Antwort auf Deine erste und daher
auch auf Deine zweite Frage und die Ursache des häuslichen
Ungewitters ist der Hecht, und einigermassen — Du."

„Ich?" rief ich erstaunt.

„Wie liebst Du den Hecht zubereitet?" fragte mich mein
Vetter mit einem sonderbaren Ernst.

„Du weißt ja, a la maltre d’hötel!" antwortete ich.

„Ta haben wir's!" rief mein Vetter, indem er vom So-
pha aufsprang und heftig auf und abging. „Da haben wir's
ja! ä la maltre d’hötel. O Weiber, Weiber!" —

Ich muß gestehen, daß mir das Gebühren meines Vetters
höchst sonderbar vorkam und fast glaubte ich, daß sein Verstand
einen Urlaub auf unbestimmte Zeit genommen, als er — mein
Vetter nämlich — sich wieder neben mich setzte und mit epischer
Ruhe begann: „Der Hecht ist wirklich von seltener Schönheit.

Als ich ihn nach Hause brachte, sagte ich zu meiner Frau: liebe
Fanny, wir bereiten ihn ä la maltre d’hötel zu; mein Vetter

Emil liebt ihn so. Da sagte sie aber gleich: ich denke, wir
lassen ihn blaugesotten mit zerlassener Butter auftragen; mein
Vetter Paul, den du doch auch eingeladen, liebt diese Zubereit-
ung sehr. — Ich bat nun mein Weib, sie möchte mir doch
darin nachgeben, ich sei einmal für die vorgeschlagene Sauce
gestimmt und es würde wir höchst unangenehm sein, wenn in
dieser Beziehung mein Wunsch nicht berücksichtigt würde. Da
fing meine Frau au zu weinen und behauptete: es sei mir ei-
gentlich gar nichts an der Sauce a la maltre d’hötel gelegen;
ich wollte ihr nur widersprechen und hätte sie die fragliche
Sauce vorgeschlagen, so hätte ich gewiß gegen dieselbe irgend
eine Einwendung gemacht; ich sei nie geneigt, auch nur den
kleinsten ihrer Wünsche zu erfüllen und ich könnte den Hecht zu-
bereiten lassen wie ich wollte; das aber sei ausgemacht, daß sie
sich nicht würde bei Tische blicken lassen. — Sie zog sich schluch-
zend und mit dem Battisttaschentuche vor den Augen, in ihr
Boudoir zurück und hat bis jetzt allen meinen Versuchen zu ihr
zu gelangen, den beharrlichsten Eigensinn entgegengesetzt. Ick;
weiß nun nicht, was ich mit mir, was ich mit meinen Gästen,
was ich mit dem Hechte anfangen soll. Beharre ich auf der
Sauce ä la maltre d’hötel, so sammeln sich die häuslichen Ge-
witterwolken noch mehr an; geb’ ick) allzubereitwillig nach, so ist
mein Ansehen dahin auf immerdar. Ich sehne mich nach Frie-
den, aber ich scheue die Bedingungen und weiß nicht, auf welche
Weise die Präliminarien eingeleitet werden sollen."

„Was mich betrifft," rief ich, „so thut's mir herzlich leid,
daß meine Zuneigung zu der bekannten Sauce, Euren häuslichen
Streit verursacht hat, der so komisch ist, daß er mir die beste
Würze zu dem problematischen Hecht ist. Deine Frau wird und
muß kommen. Sie ist zu schön und liebenswürdig, als daß
wir ihrer Gesellschaft so leichtfertig entsagen könnten. Jä) will
als Jnternuntius vor sie treten und einen für beide Seiten
ehrenvollen Frieden erwirken."

„Thu' das, Emil!" bat mein Vetter, und fügte daun hinzu:
„Aber ich beschwöre Dich, nimm all Dein diplomatisches Talent
zusammen und gib Dir keine Blöße. Es ist mir in der Thal
weniger um die Sauce, als um die Behauptung meiner Haus-
herrenwürde zu thun."

Ich bat meinen Vetter, sich zu beruhigen, und trat meine
diplomatische Reise an, um bald unverrichteter Sache zu meinem
Vetter zurückzukehren. Es war mir nicht einmal gelungen, Zu-
tritt zu der schmollenden Frau zu erhalten. Während meiner
kurzen Abwesenheit aber hatte sich Paul, der Vetter Fanny’s,
bei Eduard eingefunden; er war, als ich in's Zimmer trat,
noch immer im Lachen begriffen. Eduard hatte ihn bereits von
der elektrischen Spannung, die im Hause herrschte, in Kenntniß
gesetzt.

„Ich bin also der blaugesottene Vetter?" rief Paul, „und
wegen meiner vorgeblichen Schwäche für zerlassene Butter hat
meine reizende Cousine, zornig wie Achilleus, sich in ihr Bou-
doir zurückgezogen. Ich hätte mir wahrlich nicht träumen lassen,
daß die Liebe meiner Cousine so beharrlich auf brauner Butter
schwimmt."

Wie die drei Männer auf dem Rütli, fingen wir nun an
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