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Der Schneider von Ulm.

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platz, um wo möglich den berühmten Schneider vor seinem
Abflug in der Nähe zu sehen. Es war in allen Straßen und
auf allen Plätzen ein entsetzliches Gedränge, und die Rippen
und Hühneraugen halten wahrlich keine beneidenswerthe Lage.

Die Häuser aber Waken nicht weniger vollgepfropft als die
Gaffen. Da sah man kein Fenster, aus dem nicht fast ein
Halbdutzend muntere Schwabenköpfe jedes Geschlechtes und
jedes Alters schauten. Jeder Dachgucker wurde zum Rahmen
eines Bildes, und selbst Orte, wo sonst nur Spatzen fich güt-
lich thaten, nämlich die Drachenköpfe an den Dachrinnen und
die Schornsteine dienten zum luftigen Throne der verwegensten
Gaffer

Der Volkswitz sorgte dafür, daß Keinem, weder unten noch
oben, die Zeit lang wurde. Ein um das andere Mal erscholl
bald hier bald dort unbändiges Gelächter, daß oft der harmo-
nische Lärmen schreiender Clarinetten, lustiger Fideln und schnur-
render Baßgeigen im allgemeinen Toben unterging.

Endlich schlug die Glocke vier Uhr, und aufging unter
einem langgezogenen tausendstimmigen: „Ah!" mit den muth-
willigsten und tollsten Variationen, die Thüre des Rathhauses.

Mit hochwichtigen Mienen traten zwei, Stadtdiener mit ge-
zogenen Säbeln heraus, und geboten der nach beiden Seiten
zurückweichenden Menge Platz zu machen.

Diesem vierbeinigen Vortrabe mit sehr ansehnlichen preußi-
schen Hüten folgte eine Bande spielender Stadtmufikanten;
und hinter diesen wehte das neue Banner eines ehrsamen

Schneiderhandwcrks, mit aller möglichen Anmuth, von Joseph's
srüherm Meister getragen, der nun stolz darauf war, ihn einst
den Seinigcn genannt zu haben.

Im Gefühle seiner Würde ging majestätischen Schrittes
der Zunftmeister, der würdige Vorstand des Gewerbes, hinter
dem Banner einher.

An den Zunftmeister schloßen flch an die beiden Ladenmei-
ster, auch Ober- und Unterführer genannt, jeder mit einem
Schlüssel der Lade betraut.

Nun kam ein uns wohlbekanntes Geficht, der Lehrbub' aus
Joseph's ehemaligem Atelier. Der glückliche Junge genoß die
hohe Ehre, auf sammtenem Kissen den Meisterbrief seines ge-
feierten Schlafkameraden vor ihm her tragen zu dürfen.

Dieser selbst war so seltsam bekleidet, daß ein abermaliges *
„Ah!" sein Erscheinen begrüßte. Vom Fuße bis zum Halse !
war er ein ausgemachter Vogel; denn auf sein faltenloses, knapp
anliegendes Gewand hatte er mit Annamarie's Hülfe Federn
von allen Farben so dicht genäht, daß es schien, als seien fie
ihm aus dem Leibe gewachsen. Joseph kümmerte fich, als wäre
er das gewohnt wie ein Fürst, wenig um das ihn begaffende
Volk. Nur sein erster Blick streifte flüchtig über die ihn um-
gebenden Menschenmauern hin, dann erhob er aber sogleich
die stolze Nase, und sein Auge suchte den Münsterthurm und
seine guten Freunde und Kunstgenoffen, die Dohlen, welche
jenen wie sonst lustig umkreisten.

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Schneider von Ulm"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Schneider
Schneiderzunft
Flügel <Zoologie, Motiv>
Karikatur
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 3.1846, Nr. 71, S. 179
 
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