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einige derbe Züge aus dem Bierkruge gestärkt hatte, „sehn
Se, das war Sie ä so. Mein Vater war meinswegen ü
Schulmeester in's Altenborgsche nn hatte zwee Jungens, wo-
von ich, Gottlieb Miller der eene war nn mei Bruder Gustav
Miller Ivar der andre. Ich tvar Sie meinswegen immer ä sehre
stilles Gemüthe und that Sie keenen Menschen nischt nich zu
Leede aber mei Bruder Gustav, das war Sie ä Schwäre-
nether. Bei allen Dummheeten war der der Erschte nn mit
eenen Worte eene ausgelassne Range, worum se'n ooch immer
blos kurzweg Millergustavchen nannten. Uff alle Beeme that
der klettern und brauchte in eenen Jahre mehr Hosen als wie
ich in zehn Jahren. Mei Vater fuchtelt'n aber immer ge-
herig mit den B auk elarins, wie er de Haselsteckchen nannte,
aber s'half Sie ooch nischt niche, Millergustavchen blieb
immer so wilde nn balde gab's in unser Gehelze gar keene
Haselstecker nich mehr, tveil mei seliger Vater de ganze An-
flanzung an Gustavchen verbraucht hatte. Nn sagte aber
mei Vater: „Nee, die Sache muß meinswegen andersch werden,
Gustav du mußt Sitzefleesch kriegen nn da is es gleich am
Allerbesten wenn ich Dich zu ä Schuster in de Lehre gebe;
das is ser Dich s'Gescheidtste!" Un richtig, Millergustavchen
kam ooch noch in dasselbe Jahr zu Meester Sohlingern nach
Altenborg in die Lehre. Ei Herr Jeminechen, da ging Sie's
aber meinen Bruder bitter un böse, denn Sohlinger war ä
strenger Mann und der nahm ooch keene Haselsteckchen niche,
sondern aber meinswegen gleich den Knieriem, na nn der
schlegt dorch, das kennen Se sich wohl denken, meine Herrens!
Aber mei liebes Gustavchen kriegte s' balde satt das Brigeln
un ooch das Stillesitzen und tvie Meester Sohlinger früh ä
Mal uffmachen thnt, is mei Gustavchen nich da. Aha,
denkt Meester Sohlinger, der imfamichte Strick hat's ver-
schlafen, geht mer keens nich nuff in seine Bodenkammer un
weckt'n nich etwa; ich will meinswegen schon mit'n reden,
wenn er runter kommt. Ja, aber sehn Se, meine Herrens,
s'schlug Sie sechse, s'schlng Sie sieb'n, s'schlng Sie achte,
der Koffee war Sie schone vorbei, aber mei Gustavehen kam
immer noch niche. Nn worde aber der Meester Sohlinger
ganz fucksfeierroth vor Wuth und nahm n'Knieriem un ging
nu nuff in meinen Bruder seine Bodenkammer. Wie er
aber da 'neintrat, nn schon mit'n Knieriem losfuchteln wollte,
da Ivar Sie s'Nest leer; Gustavchen war heemlich fortge-
macht nn uff'n Tische lag ä Zettel, tvoruff er mit eener
ganz unortigrafischen Feder geschrieben hatte:

Meester Sohlinger, ich verfinge Dir Bach auf dein
Haicht nebst Familiche. Such mir Nicht ich bin tod
in das Wasser gegangen un erscheine Dich in die Nacht
als Albendricker

Millergustavchen!

Da erschrack freilich Meester Sohlinger nich schlecht nn
wie er wieder runter kam, war er so blas >vie ä Altenborger
Ziegenkäse ohne Simmel un zittern that er Sie, wer tvees
wie sehre. Na, s' war nischt nich weiter zu thun, Sohlinger j
kam mit den Abschiedsbriefe raus zu meinen Vater un mir
waren Sie alle ganz außer sich, denn s'konnte doch fee Mensch

<3 tam ntgäfte erzählen.

nich was Andersch denken, als daß Gustav sich erseeft hatte.
Mer waren alle ganz traurig darüber und an allermerschten
hatte Sohlinger Angst, weil der dachte, d,aß Gustav nu in
der Nacht als Gesbenst sbucken thete, Isiovor er sogar noch
wollte was Extras von meinem Vater bezahlt haben. Wie's
aber so in der Welt geht, mer vergißt Sie Alles, Freude
und Schmerz nn meinswegen in ä Jahre dachte ooch Nie- ;
mand mehr sehre an Gustaven. Ich war nn ooch ans der
Schule, und weil ich immer viel Anlage zur Reenlichkeet
hatte, ließ mich mei Vater ä Seefensieder Werren. Na,
das is alles meinswegen ganz scheene nn Seefensieder is
ooch ä ganz gutes Metjeh, aber ich hatte niemals kee Glick
niche. Mei Vater starb und hinterließ mer ooch nischt niche,
worum, er hatte selbst nischt un dadermit kann Eener frei-
lich nich viel anfangen. Ich zog in der Fremde hin un her,
aber s'war Sie meinswegen noch nergends nischt los, denn
überall wo man hinkommen that, hieß es: Ja, mei Gntester,
Arbeit kennen Se keene nich kriegen, denn mer haben selbst
nischt zu thune un iberall is Krieg un der Teufel los. Das
machte Sie aber damaliger Zeit der Nabolijon, der mit de
ganze Welt Krakehl hatte un sei Musjeh Refft; in Paris is
grade wieder so Eener; Se werden sehn, was ich Se sage,
meine Herrens. Endlich kriegte ich Sie meinswegen Anno
Zwelfe noch in Bantzen Arbeit, aber noch mehr ans Gnade
un Barmherzigkeet als aus Nothdorft. Mei Meester, Schubert
hieß er, ivar ä guter Mensche un gab s'letzte Hemde vom
Leibe, wenn er Eenen helfen konnte, aber du lieber Gott!
ich ivar kaum ä Jahr dort, da kamen ooch ivieder die Fran-
zosen so ungefähr um'n Mai rum nach Bantzen un da ging's
nu wieder nicht schlecht los. Acht Tage lang haben mehr
kaum s'liebe trockne Brot gehabt, aber Meester Schubert
sagte immer: „Bleiben Se nur da, Miller, Sie sein meins-
wegen ooch ä guter Kerl, un mer ivollens uns schon dorch-
fressen." Un sehn Se meine Herrens, mer frassen uns ooch
dorch, aber sehre kimmerlich. So vergingen nu wieder ä
Paar Monate und setz hieß es: Kinder baßt nff, s'geht los,
bei Leibz'g ivollen se Nabolijonen uff's Leder. Nu saßen
mer ä Mal Abends bei Schuberten und aßen ä Bischen,
da trat der Bolizeidiener Naumann rein un hatte ä großen
Brief in der Hand. „Der is an Sie/' sagte er zu mir,
„er is durch s'Gerichte gekommen." Ich wurde Sie ganz blaß
un wußte gar nich ob ich wachen that oder ob ich treemte,
aber Schubert gab den Bolizeidiener ä Groschen un sagte:
„S'is schon gut." Ich mache also nu den großen Brief uff un
sehe ,mch der Unterschrift und von >vem is er? Na, das kennen
Se sich Alle nich denken — von meinen Bruder war er,
von Millergustavchen! Und schreiben that er ungefähr so:
Lieber Bruder!

Ich bin nich tod sondern Artullerieleutnant bei de
Oestreicher. Dorch de Gerichte habe ich erfahren, daß
mein Vater tod und Du ä Seufensieder bist. Jetz
marschieren wir nff Leibz'g und ivollen dort Nabolijonen
besiegen. Ader da mer dabei nicht wissen kann, wie
es Eenen geht, so komm gleich in das östreichsche Lager
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