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Bilder aus den Erlebnissen des Herrn Hieronymus Stränßle.
und schau so in die Finsterniß hinaus, — geschneit hat's
schon, was's nur'könnt hat; — nachdem ich lang' wart', hör'
ich endlich ein' Wagen Vorfahren, einen Kracher und einen
Schrei; — „Stöpsle," sag' ich, „da drunt' hat g'rad' einer
umgeworfen, wenn's nur unser Wagen nicht ist." — „Ah
pah," sagt' er, „unser Kutscher fahrt sicher, ich kenne ihn,
gch'n wir nur 'nunter und steigen wir einstweilen ein" —
„auch recht," sag' ich. — Wie wir g'rad' zur Thür hinaus
wollen, kommt uns der Wirth entgegen und sagt': unser
Kutscher sei beim Vorfahren an einen andern Wagen angc-
fahren, Hab' die Hintere Radachse gebrochen, den Wagen nm-
geworfen und alle Fenster cingcschlagen, wir könnten jetzt in
dem Wagen unmöglich fort, cs war' aber g'rad ein Kutscher
von Winkelheim mit einem leeren Wagen da, der könnt' uns
schon mitnchmen.
Ich handle also gleich mit dem Kutscher auS und der
sagt', daß er erst in einer guten halben Stund', aber nicht
eher, cinspannen könnt.' — No, was wollten wir machen?
— Die kleine Verzögerung mußten wir uns schon gefallen
lassen, vor neun Uhr konnten wir ja doch noch auf dem Ball
erscheinen. —
Es ist schon auf acht Uhr g'angen und noch alleweil
hat sich nichts gerührt mit'n Einspanncn; endlich bin ich wild
worden, Hab' mein' Mantel nmgehängt und bin hinunter
vor's Hans. Da sind nun zwei Chaisen gestanden, eine war
eingespannt, die andere nicht, ich frug' also den Hausknecht,
welcher Wagen der unsere wäre, und der sagt' L'ranf: „ist schon
cing'spannt." — Ich ruf' gleich den Stöpsle und wir steigen
also alle zwei in den cingcspanntcn Wagen ein, machen die
Glasscnstcr fest zu und drucken uns, schön warm in d'Mäntel
eingcwickclt, jeder in eine Ecke hinein, — gleich d'rauf kommt
auch der Kutscher, setzt sich, ohne sich um uns im Wagen zu
kümmern, auf seinen Bock und fahrt weiter. — Wir fahren
da gewiß schon mehr als ein und eine halbe Stunde, als
endlich der Stöpsle zu mir sagt: „Stränßle! — schläfst Du?
— Du red'st nichts; ich meine der Kutscher fahrt gar nicht
vom Fleck, wir müssen ja doch schon an Winkelheim d'ran
sein?" — „Mir kommt's auch lang vor," sag' ich d'rauf,
„wart' ich frag' den Kutscher, wie viel Uhr es ist;" „ja thu's,"
sagt' er d'rauf, — ich mach' also das Fenster auf und ruf:
„Kutscher," der schaut um, sieht mich' zum Wagenfcnstcr heraus-
schaucn, hält gleich an, steigt ab und ruft mir zu: „Du Him-
melsakrakerl, wie kommst Du denn in mein'Wagenrein ? — jetzt
machst gleich, daß Du raus kommst, oder ich weise Dir den
Weg." Wie der rcd't, kenn' ich gleich, daß das der Kutscher
gar nicht ist, mit dem ich ausgchandelt Hab', ich sag' daher
gleich zu ihm: „hören's mein Freund, da muß ein Irrthum
vorg'angen sein; ich und mein Freund, der Stöpsle da, —
„was?" schreit er, mir in die Rede fallend, „noch Einer is
im Wagen drinn?" — „No ja" sagt ich, der Stöpsle ist's"
underzähl' ihm da, so geschwind als möglich, unser Malheur
mit nnserm Wagen, wer wir sind, und daß wir aller Wahr-
scheinlichkeit nach in einen Unrechten Wagen cingestiegen sind.
„Ja," sagt er d'rauf, „da haben's Ihnen freilich geirrt, und
von Winkelhcim ist's heut Nacht nichts mehr, denn wir sind
nur mehr eine Stund' von Lapplstadt, wo ich daheim bin,
Sie sind also acnrat entgegengesetzt gefahren, — übrigens
wenn's nur zwei Gnlven geben, will ich Ihnen gar hinein-
nchmen nach Lapplstadt." — „Was / sag' ich, „um zwei
Gulden und nach Lapplstadt? das ist ja doch unverschämt. — "
„Nachher stcigen's nur gleich aus, und gchen's zu Fuß zurück,
ich kann mich nicht lang Herstellen", sagt er d'rauf und will
den Kntschenschlag aufmachen. —
Wär' ich nicht:» dcr Mask' als Ritter in seidenen Strümps
und Schnallenschuh gewesen, ich war'wirklich ansgesticgcn, aber
was wollten wir machen? — mitten auf der Landstraß' und ein
Regen und Schnee durcheinander zum Durchweichen. — End-
lich haben wir unS doch so geeinigt, daß wir also nach Lappl-
stadt hineinfahren, denn wir sind jetzt fünf Stund' von da-
heim weggewesen, — von Winkclheim war jetzt keine Rede
mehr, dahin hätten wir noch weiter gehabt, und umgekehrt
wär' der Kutscher nicht um die Welt. Wir fahren also kreuz-
wild gegen Lapplstadt dahin, der Stöpsle ist ganz un-
glücklich gewesen, wegen seiner Braut, die natürlich ver-
gebens ihn erwartet hat; — geschimpft hat er schon
über den Hausknecht, der niir den Unrechten Wagen
zeigt hat, daß ich gemeint Hab', aus ist's. —
Endlich sind wir in's Städt'l hincin'kommcn, hal-
ten beim Kutscher an, und seine Frau macht auf, um
den Wagen zum Thor hincinzulasse», während dem stei-
gen wir ans, um in's Zimmer hineinzngehcn. — „Hcr-
je" schreit den Lohnkntschcr seine Frau, „Du bring'st
ja gar Kommödianten!" — „Den Teufel bringt er,"
sag' ich d'rauf, „wir sind reisende Masken, machen Sie
nur auf. daß wir in'S warme Zimmer kommen." —
Sic hat schon hcrausfahren wollen gegen mich, als ihr
der Kutscher die nöthigc Belehrung geben hat, — wir
sind d'rauf in die Stuben und haben's uns bequem ge-
macht, der Kutscher ist auch bald 'kommen, währenddem
hat die Fran einen Kaffee gemacht, den wir alle vier
Bilder aus den Erlebnissen des Herrn Hieronymus Stränßle.
und schau so in die Finsterniß hinaus, — geschneit hat's
schon, was's nur'könnt hat; — nachdem ich lang' wart', hör'
ich endlich ein' Wagen Vorfahren, einen Kracher und einen
Schrei; — „Stöpsle," sag' ich, „da drunt' hat g'rad' einer
umgeworfen, wenn's nur unser Wagen nicht ist." — „Ah
pah," sagt' er, „unser Kutscher fahrt sicher, ich kenne ihn,
gch'n wir nur 'nunter und steigen wir einstweilen ein" —
„auch recht," sag' ich. — Wie wir g'rad' zur Thür hinaus
wollen, kommt uns der Wirth entgegen und sagt': unser
Kutscher sei beim Vorfahren an einen andern Wagen angc-
fahren, Hab' die Hintere Radachse gebrochen, den Wagen nm-
geworfen und alle Fenster cingcschlagen, wir könnten jetzt in
dem Wagen unmöglich fort, cs war' aber g'rad ein Kutscher
von Winkelheim mit einem leeren Wagen da, der könnt' uns
schon mitnchmen.
Ich handle also gleich mit dem Kutscher auS und der
sagt', daß er erst in einer guten halben Stund', aber nicht
eher, cinspannen könnt.' — No, was wollten wir machen?
— Die kleine Verzögerung mußten wir uns schon gefallen
lassen, vor neun Uhr konnten wir ja doch noch auf dem Ball
erscheinen. —
Es ist schon auf acht Uhr g'angen und noch alleweil
hat sich nichts gerührt mit'n Einspanncn; endlich bin ich wild
worden, Hab' mein' Mantel nmgehängt und bin hinunter
vor's Hans. Da sind nun zwei Chaisen gestanden, eine war
eingespannt, die andere nicht, ich frug' also den Hausknecht,
welcher Wagen der unsere wäre, und der sagt' L'ranf: „ist schon
cing'spannt." — Ich ruf' gleich den Stöpsle und wir steigen
also alle zwei in den cingcspanntcn Wagen ein, machen die
Glasscnstcr fest zu und drucken uns, schön warm in d'Mäntel
eingcwickclt, jeder in eine Ecke hinein, — gleich d'rauf kommt
auch der Kutscher, setzt sich, ohne sich um uns im Wagen zu
kümmern, auf seinen Bock und fahrt weiter. — Wir fahren
da gewiß schon mehr als ein und eine halbe Stunde, als
endlich der Stöpsle zu mir sagt: „Stränßle! — schläfst Du?
— Du red'st nichts; ich meine der Kutscher fahrt gar nicht
vom Fleck, wir müssen ja doch schon an Winkelheim d'ran
sein?" — „Mir kommt's auch lang vor," sag' ich d'rauf,
„wart' ich frag' den Kutscher, wie viel Uhr es ist;" „ja thu's,"
sagt' er d'rauf, — ich mach' also das Fenster auf und ruf:
„Kutscher," der schaut um, sieht mich' zum Wagenfcnstcr heraus-
schaucn, hält gleich an, steigt ab und ruft mir zu: „Du Him-
melsakrakerl, wie kommst Du denn in mein'Wagenrein ? — jetzt
machst gleich, daß Du raus kommst, oder ich weise Dir den
Weg." Wie der rcd't, kenn' ich gleich, daß das der Kutscher
gar nicht ist, mit dem ich ausgchandelt Hab', ich sag' daher
gleich zu ihm: „hören's mein Freund, da muß ein Irrthum
vorg'angen sein; ich und mein Freund, der Stöpsle da, —
„was?" schreit er, mir in die Rede fallend, „noch Einer is
im Wagen drinn?" — „No ja" sagt ich, der Stöpsle ist's"
underzähl' ihm da, so geschwind als möglich, unser Malheur
mit nnserm Wagen, wer wir sind, und daß wir aller Wahr-
scheinlichkeit nach in einen Unrechten Wagen cingestiegen sind.
„Ja," sagt er d'rauf, „da haben's Ihnen freilich geirrt, und
von Winkelhcim ist's heut Nacht nichts mehr, denn wir sind
nur mehr eine Stund' von Lapplstadt, wo ich daheim bin,
Sie sind also acnrat entgegengesetzt gefahren, — übrigens
wenn's nur zwei Gnlven geben, will ich Ihnen gar hinein-
nchmen nach Lapplstadt." — „Was / sag' ich, „um zwei
Gulden und nach Lapplstadt? das ist ja doch unverschämt. — "
„Nachher stcigen's nur gleich aus, und gchen's zu Fuß zurück,
ich kann mich nicht lang Herstellen", sagt er d'rauf und will
den Kntschenschlag aufmachen. —
Wär' ich nicht:» dcr Mask' als Ritter in seidenen Strümps
und Schnallenschuh gewesen, ich war'wirklich ansgesticgcn, aber
was wollten wir machen? — mitten auf der Landstraß' und ein
Regen und Schnee durcheinander zum Durchweichen. — End-
lich haben wir unS doch so geeinigt, daß wir also nach Lappl-
stadt hineinfahren, denn wir sind jetzt fünf Stund' von da-
heim weggewesen, — von Winkclheim war jetzt keine Rede
mehr, dahin hätten wir noch weiter gehabt, und umgekehrt
wär' der Kutscher nicht um die Welt. Wir fahren also kreuz-
wild gegen Lapplstadt dahin, der Stöpsle ist ganz un-
glücklich gewesen, wegen seiner Braut, die natürlich ver-
gebens ihn erwartet hat; — geschimpft hat er schon
über den Hausknecht, der niir den Unrechten Wagen
zeigt hat, daß ich gemeint Hab', aus ist's. —
Endlich sind wir in's Städt'l hincin'kommcn, hal-
ten beim Kutscher an, und seine Frau macht auf, um
den Wagen zum Thor hincinzulasse», während dem stei-
gen wir ans, um in's Zimmer hineinzngehcn. — „Hcr-
je" schreit den Lohnkntschcr seine Frau, „Du bring'st
ja gar Kommödianten!" — „Den Teufel bringt er,"
sag' ich d'rauf, „wir sind reisende Masken, machen Sie
nur auf. daß wir in'S warme Zimmer kommen." —
Sic hat schon hcrausfahren wollen gegen mich, als ihr
der Kutscher die nöthigc Belehrung geben hat, — wir
sind d'rauf in die Stuben und haben's uns bequem ge-
macht, der Kutscher ist auch bald 'kommen, währenddem
hat die Fran einen Kaffee gemacht, den wir alle vier
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bilder aus den Erlebnissen des Herrn Hieronymus Sträußle"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 30.1859, Nr. 712, S. 58
Beziehungen
Erschließung
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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg