130 Bilder aus den Erlebnissen des
„Sie sind freilich irr gangen," sagt' er, „und doch sind I
Sic ganz nahe am Wirthshaus — wcnn's mit mir gehen >
wollen, in einer Viertelstund können's dort sein." — Ich geh'
also mit und richtig sind wir in kurzer Zeit auf der Straß'
gewesen, und hundert Schritt vor mir Hab' ich's Wirths-
haus stehen sehen; ich bedank' mich bei dem Mann, gcb ihm
zwei Sechser, und stcurc flott auf das Wirthshaus los. —
Wie ich in's Zimmer hincinkomm', ist Niemand drinn, im Eck
hat eine Ocllampe gebrannt, die das Zimmer nur schwach er-
leuchtet hat, — ich schau mich näher um und seh' endlich hinterm
Ofen eine Gestalt sitzen, die ich gleich, der Beschreibung nach, für
den Wirth gehalten Hab, ichsag' also ganz artig: „HerrWirth ! ich
Hab' Hunger und Durst, kann ich für Geld und gute Worte etwas er-
halten?" — Statt aller Antwort, nimmt er einen Finger in Mund
und thut einen Pfiff, daß mir Hören und Sehen vergangen
ist; gleich d'ranf tritt hastig eine Weibsperson mit dem Licht
in der Hand herein, — ein schmuckes Ding — und fragt,
was cs gibt; wie sie mich aber sieht, sagt's — „aha a
Fremder, a Stadtherr." — Ich bring' also, weil der Wirth
hintern Ofen kein' Shlbc sagt, mein Gesuch um Essen und
Trinken bei ihr an; — „Bier kricgcn's gleich" — sagt' sie
d'ranf, „zum Essen ist nichts mehr da, als ein bratcns Hähndl."
— „No," sag' ich, „das ist gerade recht, bringcn's mir's nur
gleich." Kaum aber Hab' ich das letzte Wort gesprochen,
als die Gestalt hinterm Ofen schreit: „'s Hähndl iß ich."
— Die Weibsperson sagt' d'ranf: „hast denn nit schon
eins 'gcssen?" — Darauf schreit der Wirth noch ärger
als zuerst: „'sHähndl iß ich." — „Janachherhaben wir nichts,"
sagt die Weibsperson, „aber Brod können's haben, zweierlei,
altbachnes und ncubachnes." — „Wer ist denn der Lümmel
dahinten," sag ich im Aerger, „daß er nicht weiß, wie man
sich gegen einen Fremden und Gast zu benehmen hat? —
Ist es etwa der Wirth?" — „Was," schreit mich jetzt die
Weibsperson an, „was, — Sie wollen mein' Mann in sein'
eigenem Haus ein' Lümmel schimpfen? — ein einziges Wort
wenn's noch sagen, so laß ich Ihnen den Weg zur Thür hin-
aus durch mein' Hausknecht zeigen." Ich bin still gewesen,
aber ich Hab nur so gestaunt, wie das wirklich nette Mädl
so ein Monstrum von einem häßlichen Mann, wie der Wirth,
hat heirathen mögen. Ich Hab' g'rad' austrinken wollen, als
ich bemerk', daß die Wirthin unter der Küchenthür' steht und
mir hinauswinkt, — ich geh' also in die Küche zu ihr hinaus,
sie geht gleich auf mich zu, entschuldigt sich wegen ihren Be-
nehmen gegen mich ganz anständig und sagt mir, daß wenn
sic nicht gleich znm Aufbegehren angefangcn hält', der Wirth
wahrscheinlich ein' Ungeheuern Spektakel gemacht hält', denn der
könnt alles leiden, nur kein' Lümmel dürft' man ihn heißen.
— „Schen's," sagt sic weiter, „auf die Art, und wcil's der
Wirth gern sicht, wenn ich mich seiner annehm', Hab ich schon
viel Streit verhindert, — jetzt will ich Ihnen was sagen,"
sagt sic wievcr, „wcnn's was Essen wollen, von Eiern kann
ich Ihnen schon was richten, nur in der Stuben thun's nichts
dergleichen, daß der Wirth nichts merkt, trinken's Ihr Bier
aus, und zahlen's mich, wenn ich hineinkomme, damit cs der
Herrn Hieronymus S t r ä u ß l c.
Wirth sieht, — nachher thun's als wenn Sie fortgingen, ich
geh' dann mit Ihnen heraus und führ Ihnen 'in mein hin-
tcr's Zimmer, da kommt kein Mensch hin, da können's ungc-
nirt essen und trinken und wcnn's über Nacht bleiben wollen,
ein gutes Bett steht auch d'rinn." •— „Mir auch recht," sag'
ich d'ranf, „ich niuß nur staunen, und es kommt mir in mein'
Leben zum ersten Male vor, daß ich in einem Wirthshaus
heimlich und vcrstohlens essen und trinken muß." — „Jaes ist
halt so," sagt sic, „der Wirth gab Ihnen nichts mehr und wcnn's
für jeden Bissen einen Dukaten hergäben." Ich mach' es
also so, wie die Wirthin es gesagt hat, und sie führt mich
nachher in ein Zimmer gegen den Hof, macht die Läden und
Vorhäng zu und bringt mir Licht, Bier und Essen. „Lassen's
Ihnen schmecken," sagt' sie, „heut können's doch nimmer weiter,
heut müssen's schon bei uns bleiben." — Ich sag' d'ranf,
„das kann nicht sein, ich muß heut noch fort, wie weit ist
denn in die Stadt?" — „Drei Stund," sagt sie d'ranf,
„wenn's aber über Nqrht dableibcn wollen, in der Früh um
fünf Uhr fahr' ich hinein, und da können's mit, — Sie dürfen
ganz nngcnirt da bleiben, in dem Zimmer sind Sie sicher." —
D'ranf geht sie fort. — Ich wart' eine Stunde gewiß, weil
ich ohne zu zahlen nicht fort wollte, — ich schau auf meine
Uhr, und seh' daß cs schon auf acht Uhr geht, ich leg' also
ein Guldenstückl auf den Tisch und will fortgchen, wie ich
die Thür aufmachen will, brummt mich was an, und ich seh'
durch den Spalt ein'
' mächtig großen Hund
vor der Thür sitzen, ich
mach' also gleich wieder
zu und denk' mir, er
wird schon weiter gehen,
allein kaum bin ich alle-
mal auf die Thür zu,
so hat der Hund außen
schon wieder brummt.
— Was Hab' ich machen
wollen, ich Hab' in Got-
tesnamen warten müssen.
Endlich um neun Uhr kommt die Wirthin, entschuldigt sich
wegen dem Hund, und sagt: daß er alle Nacht vor der Thür
liegt, und Niemand heraus und Niemand hinein läßt, weil
sic in dem Zimmer ihr schönstes Sach hätten. Die Wir-
thin redet mir wieder zu zum Dableibcn, und bringt end-
lich eine Flaschen Wein, indem sie sagt: „Die Flasche trinken
wir nachher mit einander, der Wirth geht g'rad' in's Bett."
Ich Hab' mich also ergeben, Hab' mit der Wirthin die Fla-
schen Wein getrunken, und bin am andern Tage mit ihr in
die Stadt hineingefahrcn, — den Wirth Hab' ich gar nimmer
gesehen. — Beim Hinein fahren in die Stadt hat mir die Wir-
thin erst eingcstandcn, daß sie den Hund eigens nur dcßwegen
als Schildwacht vor die Thür gestellt hat, daniit ich nicht fort
gekönnt Hab', er liege sonst immer an der Kette.
„Sie sind freilich irr gangen," sagt' er, „und doch sind I
Sic ganz nahe am Wirthshaus — wcnn's mit mir gehen >
wollen, in einer Viertelstund können's dort sein." — Ich geh'
also mit und richtig sind wir in kurzer Zeit auf der Straß'
gewesen, und hundert Schritt vor mir Hab' ich's Wirths-
haus stehen sehen; ich bedank' mich bei dem Mann, gcb ihm
zwei Sechser, und stcurc flott auf das Wirthshaus los. —
Wie ich in's Zimmer hincinkomm', ist Niemand drinn, im Eck
hat eine Ocllampe gebrannt, die das Zimmer nur schwach er-
leuchtet hat, — ich schau mich näher um und seh' endlich hinterm
Ofen eine Gestalt sitzen, die ich gleich, der Beschreibung nach, für
den Wirth gehalten Hab, ichsag' also ganz artig: „HerrWirth ! ich
Hab' Hunger und Durst, kann ich für Geld und gute Worte etwas er-
halten?" — Statt aller Antwort, nimmt er einen Finger in Mund
und thut einen Pfiff, daß mir Hören und Sehen vergangen
ist; gleich d'ranf tritt hastig eine Weibsperson mit dem Licht
in der Hand herein, — ein schmuckes Ding — und fragt,
was cs gibt; wie sie mich aber sieht, sagt's — „aha a
Fremder, a Stadtherr." — Ich bring' also, weil der Wirth
hintern Ofen kein' Shlbc sagt, mein Gesuch um Essen und
Trinken bei ihr an; — „Bier kricgcn's gleich" — sagt' sie
d'ranf, „zum Essen ist nichts mehr da, als ein bratcns Hähndl."
— „No," sag' ich, „das ist gerade recht, bringcn's mir's nur
gleich." Kaum aber Hab' ich das letzte Wort gesprochen,
als die Gestalt hinterm Ofen schreit: „'s Hähndl iß ich."
— Die Weibsperson sagt' d'ranf: „hast denn nit schon
eins 'gcssen?" — Darauf schreit der Wirth noch ärger
als zuerst: „'sHähndl iß ich." — „Janachherhaben wir nichts,"
sagt die Weibsperson, „aber Brod können's haben, zweierlei,
altbachnes und ncubachnes." — „Wer ist denn der Lümmel
dahinten," sag ich im Aerger, „daß er nicht weiß, wie man
sich gegen einen Fremden und Gast zu benehmen hat? —
Ist es etwa der Wirth?" — „Was," schreit mich jetzt die
Weibsperson an, „was, — Sie wollen mein' Mann in sein'
eigenem Haus ein' Lümmel schimpfen? — ein einziges Wort
wenn's noch sagen, so laß ich Ihnen den Weg zur Thür hin-
aus durch mein' Hausknecht zeigen." Ich bin still gewesen,
aber ich Hab nur so gestaunt, wie das wirklich nette Mädl
so ein Monstrum von einem häßlichen Mann, wie der Wirth,
hat heirathen mögen. Ich Hab' g'rad' austrinken wollen, als
ich bemerk', daß die Wirthin unter der Küchenthür' steht und
mir hinauswinkt, — ich geh' also in die Küche zu ihr hinaus,
sie geht gleich auf mich zu, entschuldigt sich wegen ihren Be-
nehmen gegen mich ganz anständig und sagt mir, daß wenn
sic nicht gleich znm Aufbegehren angefangcn hält', der Wirth
wahrscheinlich ein' Ungeheuern Spektakel gemacht hält', denn der
könnt alles leiden, nur kein' Lümmel dürft' man ihn heißen.
— „Schen's," sagt sic weiter, „auf die Art, und wcil's der
Wirth gern sicht, wenn ich mich seiner annehm', Hab ich schon
viel Streit verhindert, — jetzt will ich Ihnen was sagen,"
sagt sic wievcr, „wcnn's was Essen wollen, von Eiern kann
ich Ihnen schon was richten, nur in der Stuben thun's nichts
dergleichen, daß der Wirth nichts merkt, trinken's Ihr Bier
aus, und zahlen's mich, wenn ich hineinkomme, damit cs der
Herrn Hieronymus S t r ä u ß l c.
Wirth sieht, — nachher thun's als wenn Sie fortgingen, ich
geh' dann mit Ihnen heraus und führ Ihnen 'in mein hin-
tcr's Zimmer, da kommt kein Mensch hin, da können's ungc-
nirt essen und trinken und wcnn's über Nacht bleiben wollen,
ein gutes Bett steht auch d'rinn." •— „Mir auch recht," sag'
ich d'ranf, „ich niuß nur staunen, und es kommt mir in mein'
Leben zum ersten Male vor, daß ich in einem Wirthshaus
heimlich und vcrstohlens essen und trinken muß." — „Jaes ist
halt so," sagt sic, „der Wirth gab Ihnen nichts mehr und wcnn's
für jeden Bissen einen Dukaten hergäben." Ich mach' es
also so, wie die Wirthin es gesagt hat, und sie führt mich
nachher in ein Zimmer gegen den Hof, macht die Läden und
Vorhäng zu und bringt mir Licht, Bier und Essen. „Lassen's
Ihnen schmecken," sagt' sie, „heut können's doch nimmer weiter,
heut müssen's schon bei uns bleiben." — Ich sag' d'ranf,
„das kann nicht sein, ich muß heut noch fort, wie weit ist
denn in die Stadt?" — „Drei Stund," sagt sie d'ranf,
„wenn's aber über Nqrht dableibcn wollen, in der Früh um
fünf Uhr fahr' ich hinein, und da können's mit, — Sie dürfen
ganz nngcnirt da bleiben, in dem Zimmer sind Sie sicher." —
D'ranf geht sie fort. — Ich wart' eine Stunde gewiß, weil
ich ohne zu zahlen nicht fort wollte, — ich schau auf meine
Uhr, und seh' daß cs schon auf acht Uhr geht, ich leg' also
ein Guldenstückl auf den Tisch und will fortgchen, wie ich
die Thür aufmachen will, brummt mich was an, und ich seh'
durch den Spalt ein'
' mächtig großen Hund
vor der Thür sitzen, ich
mach' also gleich wieder
zu und denk' mir, er
wird schon weiter gehen,
allein kaum bin ich alle-
mal auf die Thür zu,
so hat der Hund außen
schon wieder brummt.
— Was Hab' ich machen
wollen, ich Hab' in Got-
tesnamen warten müssen.
Endlich um neun Uhr kommt die Wirthin, entschuldigt sich
wegen dem Hund, und sagt: daß er alle Nacht vor der Thür
liegt, und Niemand heraus und Niemand hinein läßt, weil
sic in dem Zimmer ihr schönstes Sach hätten. Die Wir-
thin redet mir wieder zu zum Dableibcn, und bringt end-
lich eine Flaschen Wein, indem sie sagt: „Die Flasche trinken
wir nachher mit einander, der Wirth geht g'rad' in's Bett."
Ich Hab' mich also ergeben, Hab' mit der Wirthin die Fla-
schen Wein getrunken, und bin am andern Tage mit ihr in
die Stadt hineingefahrcn, — den Wirth Hab' ich gar nimmer
gesehen. — Beim Hinein fahren in die Stadt hat mir die Wir-
thin erst eingcstandcn, daß sie den Hund eigens nur dcßwegen
als Schildwacht vor die Thür gestellt hat, daniit ich nicht fort
gekönnt Hab', er liege sonst immer an der Kette.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Bilder aus den Erlebnissen des Herrn Hieronymus Sträußle"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 30.1859, Nr. 721, S. 130
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CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg