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Eine it et ment

nitum durchzuführen. Der Erfolg war ein vollständiger, alles
war in der heitersten Stimmung, und die Dame des Hauses
lächelte sehr freundlich und sagte mir einige verbindliche Worte
über meine gute Methode. Hierdurch mutig gemacht, bot ich
meine ganze, große Tanzfertigkeit und meine ganze, eben so
große Liebenswürdigkeit auf, um die erste und letzte Lektion
zu einem heiteren, erinnerungswürdigen Abschluß zu bringen.
Dieß gelang mir auch, und Fräulein Camilla war ganz ent-
zückt, als sie die Coeur-Schritte zu meiner größten Zufrieden-
heit effektuiren konnte. Aber nun war diese schöne Stunde
zu Ende, und mit ihr das unnennbare Gefühl, das ich empfand,

! so oft Camilla's sammtweiches Händchen in meiner Hand
' geruht, der elektrische Strom, der mich dnrchschauerte, wenn
dieses Alabasterhändchcn sich mit sanftem Drucke an meine
Schulter lehnte und die Augen des seitwärts gewandten Locken-
köpfchens meinen Augen begegneten. Nun näherte sich mir
j die Dame des Hauses, gab mir ihre vollste Zufriedenheit zu
erkennen, und nachdem sich mich noch durch das vorzunehmende
Stunden - Arrangement in unendliche Verlegenheit gebracht
hatte, honorirte sie meine Lektion — mit einem Dukaten!
— es war der erste meines Lebens und sollte vorläufig auch
der letzte sein — denn ich wollte ja nicht wiederkommen.
Das Gold brannte mir ordentlich ans der Hand, und bitter
zuckte es in mir auf: Der Jurist Falke hätte 14 Tage Latein
und Griechisch unterrichten müssen, um diesen Goldsegen ans
einer flachen Hand schimmern zu sehn! Bin ich nicht ein
i Betrüger? sprach es laut in mir, dieser Dnval ist gewiß
irgend eine choreographische Berühmtheit, und ich usurpire
> seine Stelle! Dieser Dukaten gehört nicht mir!

Schon wollte ich mit brennender Watige der freundlichen
Dame das beschämende Geständniß machen, daß ich ein Nichts-
würdiger sei, als die Thüre sich öffnete, der Banquier herein-
trat, und ich demselben als der neue Tanzmeister vorgestellt
wurde. Camilla umarmte den lieben Papa mit großer Herz-
lichkeit und versicherte ihn, sich auf mein Urtheil berufend, heute
bereits die xas cks eoeur vorzüglich getanzt zu haben. Dem
j stimmten sämmtliche Geschwister einstimmig bei, wobei der
kleinste Junge den größten Lärm machte. Nun blieb mir
nichts anderes übrig, als nach einigen mit dem Herrn Banquier
! gewechselten Redesarten mich höflichst zu empfehlen, und als ich
zwei Minuten später unten an der Pforte stand, da tummelten
sich meine Gedanken auf sonderbare Weise in meinem fieber-
haft glühenden Kopfe herum. Mangel, Hofmeister, Camilla,
Tanzmeister, Dukaten, Mangel! Und jetzt fielen mir die eigen-
thümlichen Worte meines alten, biederen Professors ein: „Sie
sind arm? — Nun, nun, das ist noch nicht Alles!"

„Wohl, alter Mann," rief ich aus, „ist die Arniuth
nicht Alles; aber auch der Reichthum nicht - dieser Du-
katen gehört nicht mir, sondern dem Herrn Dnval. Also
auf zum Herrn Dnval!"

„Wissen Sie nicht, wo Herr Duval wohnt?" fragte ich
I den ersten Vorübergehenden.

„Herr Dnval? — Friedrichstraße, im Lamberti'schcn
i Haus." Dieser Herr Duval, sagte ich mir, ist jedenfalls be-

ose Novelle.

kannter hier zu Lande, als meine Wenigkeit. „Sie, entschuldigen,
wer ist dieser Herr Duval?" fragte ich mit gespannter Erwart-
ung weiter. Mein Auskunftssubjekt sah mich mit einem eigen-
thümlichen Blicke an, schüttelte den Kopf und ließ mich stehen.
Die Ansicht dieses Mannes über die Funktionen meines Ge-
hirnes scheint keine für mich schmeichelhafte gewesen zu sein.
Meine Frage Ivar, wie ich nachträglich einsah, eine sonder-
bare. Die Friedrichsstraße war bald erreicht, das Lambertiffche
Haus bald gefunden. Ein schnippisches Stubenmädchen, das
vor dem Hansthore stand, sah mich fragend an, worauf ich
sie fragte, ob Herr Duval hier wohne. „Herr Duval logirt
im 1. Stock, er hat den ganzen 1. Stock, ich bin das Stuben-
mädchen des Herrn Balletmeisters und werde Sie gchorsamst
melden" setzte sie schnippisch hinzu. „Also Balletmeister ist
der Herr Duval?" fragte ich. „Balletmeister und Tanz-
meister," erwiderte das Stubenmädchen, „doch hört er es
lieber, wenn man ihn „Herr Balletmeister" titulirt. Herr
Duval," rief das Stubenmädchen „ein fremder Herr wünscht
Sie zu sprechen." Ich trat ein, und ein noch junger schön- '
gewachsener Mann stand vor mir in schwarzem, ballmäßigen
Anzug. In der Hand hielt er eine kleine Balancirstange
und erwiderte freundlich meinen Gruß.

„Mit ivas kann ick Ihne diene, Monsieur?" fragte er
mit einer graziösen Verbeugung. „Herr Balletmeister," er-
widerte ich ganz zerknirscht, „ich komme, um Ihnen zu sagen,
daß ich mir gegen Sie ein schlechtes Benehmen habe zu Schulden
kommen lassen und bitte Sie reuevoll um Ihre Verzeihung."
Ich begann nun, mein sonderbares Abenteuer dem Herrn Duval
haarklein zu erzählen, wobei er von Zeit zu Zeit in ein helles
Lachen ausbrach, das für mich sehr viel Ermnthigendes hatte.
Schließlich eröffnete ich ihm meine ganze Lage und meine
schlechten Aussichten. Herr Duval sah mich mit einem lieb-
reichen, gutmüthigen Ansdrucke an, faßte meinen Arm und
schob mich sanft durch eine Thüre. Harmonische Klänge strömten
mir entgegen. Noch eine Thüre, und tanzende Paare sah ich
dahinschweben in fröhlichem Reigen. „Wie gefällt cs Monsieur
in dieser Salon?" fragte Herr Dnval freundlich. Ich machte
meine tiefste Verbeugung und versicherte dem Herrn Ballet-
meister, daß mir sein Salon ausnehmend gut gefalle. „Wie
gefällt Monsieur dieser Mademoiselle mit blonden Äaren dort
in der Ecke?" fragte er schmunzelnd. Ich versicherte mit einer
abermaligen Verbeugung, daß Mademoiselle eine sehr interessante
Physiognomie habe. Diese Versicherung gab ich ihm in fran-
zösischer Sprache, die ich nach seiner Aussprache für seine
Muttersprache halten mußte. Diese Aufmerksamkeit rührte den
braven Balletmeister, und er forderte mich ans, mit Made-
moiselle, die seine Schwester sei, an der Polka-Marzurka, die
eben getanzt wurde, theilzunehmen. Ich entledigte mich meiner
Aufgabe so gut, daß der Herr Balletmeister freundlich nickte,
und als ich gar in raschem Tempo den Salon hindurchgalop-
pirtc, um schließlich mit Aplomb eine künstlerisch ausgeführte
Schwenkung zu machen, klatschte Herr Duval mir Beifall zu,
und meine Tänzerin sah mich freundlich lächelnd an. Erschöpft
von meiner Force-Tour kehrte ich zu Herrn Duval zurück.
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