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Wie man seine Töchter rc. rc.

lich und drückend war. Da er durchaus kein eigenes Vermögen
besaß, so reichte sein Gehakt eben nur zur Bestreitung eines
höchst einfachen Haushaltes hin, »erschloß ihm aber auch eben
so streng den Zutritt zu der Gesellschaft und ihren Freuden.
Er sah ein, daß die geringste Acnderung seiner Lebensweise
und ein Heraustrcten aus den bisherigen beschränkten Verhält-
nissen ihn unfehlbar in Schulden stürzen müßten, in Schulden,
die schwer zu machen und noch viel schwerer zu tilgen wären.
Vor diesem Schritte aber bebte daö ehrliche, einfache Gemüth
des Assessors entsetzt zurück und er beschloß, lieber mit seiner
Familie das freudenleere Leben fortzuführcn, als aus Kosten
seiner Ruhe und seines Gewissens aus den bisherigen Ver-
hältnissen herauszugehen.

Dieser Entschluß bchagtc jedoch der Frau Asscssorin
keineswegs und ihre tägliche Unterhaltung bestand deßhalb in
nichts Anderem als tausendfachen Variationen zu den Klage-
liedern Jcrcmiae. Tilbchen und Tinchen fühlten sich ebenfalls
1 vor dem abscheulichen Leben, das sie in der Hauptstadt führ-
tcn, ihren früheren Hoffnungen gegenüber, immer mehr ent-
täuscht und ihre kummervollen Mienen sprachen vernehmlicher
zu dem Herzen des Vaters als die ewigen lauten Klagen der
Mama.

Die Frau Assessorin hatte all' ihr Herzenleid in die eine
Befürchtung znsammengedrängt, daß nämlich ihre Töchter
hier in der Residenz nun und nimmermehr einen Mann be-
kommen würden und wenn sie selbst noch zehnmal so hübsch
wären. Müller tröstete seine Frau zwar immer mit dem alten
Sprichworte: Kommt Zeit, kommt Rath! — allein Frau
Müller entgcgncte dann stets mit einem bekümmerten Seiten-
blicke nach dem Spiegel: „Kommt Zeit, kommen —
Runzeln und keine Freier! Wenn wir in diesem ein-
samen Vorstadtwinkel auf Freier warten wollen, wird uns
wohl die Ewigkeit überrumpeln."

Der Assessor ward durch diese immer wiederkchrendcn
Klagen zur Verzweiflung gebracht. Tag und Nacht mühte er
sich ab, ob es nicht ein Mittel geben möchte, seine beiden
hübschen Töchter mit der jungen Biännerwelt bekannt zu
machen, denn er sagte sich: Tildchen und Tinchen sind so hübsch,
daß sich unfehlbar bald genug Freier finden, wenn nur erst
die Mädchen etwas bekannt geworden sind. Aber wo war solch
ein Mittel zu finden, ohne die Familie mehr oder weniger
zu compromittiren!

Wochen, Bionate lang mühte er sich vergebens ab; viele
Nächte verbrachte er schlaflos in solchen Gedanken. Eines
Morgens aber sprang er mit einem jubelnden: Ich hab's
— aus dem Bette, eilte an seinen Schreibtisch, warf rasch
einige Zeilen auf Papier und stürzte dann fort, ohne seiner
Frau auf ihr dringendes Bitten Rede zu stehen.

Als der Assessor wieder hcimkchrte, war er vollständig
verändert; er herzte Weib und Töchter und rief ein Bial über
das andere: „Freut Euch! jetzt muß es anders werden; wenn
das nicht hilft, so hilft nichts mehr auf der Welt."

(Schluß folgt.)

Der Freimaurer.

Der Sohn eines wohlhabenden Bäckers in einer schwä-
bischen Stadt sollte seine Wanderschaft antrcteu. Da sprach
sein Nachbar Flaschner zu ihm: „Ich will Dir einen guten
Rath geben, wie Du in der Fremde manche Zehrung und
manchen Schoppen Dir unentgcldlich verschaffen und überhaupt
Dir Freunde machen und Beschützer erwerben kannst. Es gibt
nämlich eine weitverbreitete Brüderschaft, „die Freimaurer,"
sie erkennen sich an einem geheimen Zeichen und sind gern
bereit, Fremde, die zu ihrer Bruderschaft gehören, zuvorkom-
mend und freundlich aufzunchmen und kräftig zu unterstützen.
Kommst Du nun irgendwo mit anständigen Leuten zusammen,
so gib Dich nur auch für einen Freimaurer ans und sie werden
Dich freundlich aufnehmen." Karle fragte: „woran aber kann
ich die Freimaurer erkennen?" Der pfiffige Flaschner sprach
geheimnißvoll: „Die Freimaurer zeigen sich gegenseitig die Zun-
genspitze." Karle merkte sich dieses, und als er am andern
Tage in Waiblingen angekommen war, ging er in den Gast-
hof zum Adler, verlangte einen Schoppen Zwölfer und setzte >
sich, zur großen Verwunderung des Wirths, im „Herrenstüble"
auf den besten Platz. Er saß nicht lange, da kam der Ober-
amtsrichter, um sein Abendschöppchen zu trinken. Unangenehm
berührt, einen ziemlich ordinären Gast auf seinem gewohnten
Platze zu finden, sah er ihn unwillig au, sprach aber nichts.
Karle begann seine Recognoscirung und schob, den Oberamts-
Richter starr ansehend, die Zungenspitze zwischen die Lippen.
Als der vermeintliche Freimaurer es nicht zu bemerken schien,
kam die Zunge immer weiter heraus: endlich stand Karle mit
hcrausgestrccktcr Zunge vor dem Obcramtsrichtcr, der, in der
Meinung, der Bursche wolle ihn verhöhnen, ihm eine kräftige
Biaulschelle zog. Karle rief, sich den Backen reibend: „Das
is Koancr!" (Keiner.)

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Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Freimaurer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Busch, Wilhelm
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Zunge
Erkennungszeichen
Missverständnis
Geselle
Karikatur
Freimaurer
Gaststätte
Satirische Zeitschrift
Thema/Bildinhalt (normiert)
Ohrfeige <Motiv>

Literaturangabe

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
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Public Domain Mark 1.0
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Fliegende Blätter, 30.1859, Nr. 714, S. 75

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