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Der Heidengott.

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ein eigcnthümliches, Geräusch und wandte sich rasch um. WaS
mußte er scheu? Einer der Bauern hatte eine erst kürzlich
als Geschenk angekommene Steinplatte mit der nackten Figur
eines Gottes ergriffen und schlich sich eben, dieselbe in dem
Arme haltend, der Thüre zu. „Halt! was soll das heißen?"
rief der Gelehrte und wollte auf ihn zueilen, als er sich plötz-
lich von den fünf anderen Bauern umringt sah. Sic hatten
die Hüte auf den Kopf gestülpt und fest in die Stirne herein-
gedrückt, keine Hand streckte sich nach ihm aus, keiner sprach
ein Wort, aber mit finsterer Entschlossenheit bildeten sic einen
undurchdringlichen Kreis um ihn und hielten ihn an die Stelle
gebannt. Es hatte etwas Beängstigendes, Schreckliches dieses
wortlose entschloffcne Handeln der Bauern. Der sechste mit
der Steinplatte war schon durch die Thüre in den anstoßenden
Saal cingetrcten, und man hörte ihn mit raschen Tritten durch
denselben hindurch eilen, da löste sich der magische Kreis und
die fünfe eilten ihrem Kameraden nach. Aber auch der Ge-
lehrte hatte sich schnell wieder von seiner Bestürzung erholt,
folgte ihnen und rief mit lauter Stimme den Sekretär. Sein
' Rufen schreckte diesen aus seinen Gedanken auf, er erhob sich
schnell und eilte der Saalthürc zu. In demselben Augenblicke
' erschiene» die Bauern mit erhitzten Gesichtern unter der Thüre.
Der Sekretär sah, daß einer, der in der Mitte lief, mit ge-
waltiger Kraftanstrengung einen schweren Gegenstand trug,
was cs war, vermochte er nicht zu unterscheiden; den» die
fünfe drängten sich wie eine Mauer um ihn her und alle
stürmten als eine festgeschloffene Phalanx der Treppe zu.
Der Sekretär stürzte herbei und wollte ihnen den Weg ver-
treten, allein der Ansturz der sechs Männer war zu gewaltig.
Zur Seite geschleudert erfaßte er noch eben recht daS Geländer
der Treppe, um nicht unsanft auf den Boden niedergesetzt zu

werden. Der Gelehrte, welcher den Bauern auf dem Fuße »ach-
gefolgt war, sprang ihm bei; er befürchtete, der Sekretär
möchte Schaden genommen haben. Dann eilten beide die Treppe
hinab. Allein sic kamen bereits zu spät. Mit Blitzesschnellig-
kcit hatte einer der Bauern die an das Gitter eines Fensters
angebundenen Züg»l losgcmacht, während die andern die Stein-
platte auf den Wagen hoben und als die zwei Herren unter
der Hausthüre anlangten, jagte eben der stattliche Baucrn-
wagen fort, indem die darauf Sitzenden höflich grüßend die
Hüte abnahmen. Man sah deutlich, wie die zwei auf dem
Mittclsitze sorgsam die Steinplatte vor sich hingestellt hatten
und fcsthielten.

„Was war das?" fragte der Gelehrte, indem die beiden
Herren einander voll Erstaunen ansahen. „Das ist Gewalt,
Raub!" rief der Sekretär, „ich eile, die Hilfe der Polizei
anzurufen." Er wollte fortstürzcn. „Gemach," sprach der Ge-
lehrte, „die Sache hat keine solche Eile. Lassen Sie's uns über-
lege». Sic haben ja die Namen dieser Leute, nicht wahr?
sowie den Namen ihres Wohnorts?" „Allerdings, es ist alles
genau notirt." „Nun gut, dann können wir ruhig erwägen,
was zu thun ist. Das geraubte Stück hat ja nur antiguari-
schcn Werth, und die Leute sahen so ernst und feierlich drein
und handelten nach einem so wohlüberlegten, festen Plane, daß
hier jedenfalls ein intcreffantes Gehcimniß obwalten muß,
das zu ergründen mehr Werth hat als das Stück selbst. Die
Ausstellung ist geschlossen ; ich gehe, den Herrn Vorstand unseres
Vereines von dem Ereigniffc in Kenntniß zu setzen."

Mit Erstaunen vernahm der Vorstand den Bericht des
Gelehrten. Auch er dachte nicht daran, die Polizeigcwalt zu
Hilfe zu rufen. Das entwendete Stück war erst kürzlich durch
den Ortsgcistlichcn dem Altcrthumsvereine zugcsandt worden.
Schon an einem der nächsten Tage fuhr er zu diesem hinaus
und theillc ihm das Vorgcsallene mit. 'Dieser war betroffen.
„Gestern habe ich zu ungewohnter Stunde den ganzen Ge- !
meinderath mit einigen Handwerkern einen Gegenstand in die
Kirche schaffen sehen," sprach er, „ich ahne jetzt, was geschehen
ist. Doch überzeugen wir uns selbst." Der Geistliche nahm
die Kirchcnschlüffcl und ging mit dem Vorstande hinüber in
die Kirche. Richtig, da stand er wieder, frisch angemauert an
der Wand, auf seiner alte» Stelle der Kanzel gegenüber, mit
festen, eisernen Klammern versehen, der alte Hcidengott und
grinste die Herren freundlich an, als freue er sich seiner wicder-
gewonnenen Ruhestätte. Der Geistliche wollte sich ärgern und
sprach davon, ihn unverzüglich wieder fortschaffen zu lassen,
allein der Vorstand brachte ihn durch triftige Gründe davon
ab. Man citirtc den Kirchenpfleger in das Pfarrhaus, und
bald gelang cs dem wohlwollenden, an den Verkehr mit dem
Landvolkc gewöhnten Vorstande, den Mann zum Reden zu
bringen. Tic Herren vernahmen jetzt auö seinem Munde
alles das, waS der geneigte Leser schon weiß. Als er geendet,
war keine Rede mehr vom Abnchmcn des Bildwerks. Der
Vorstand verzichtete im Namen des Vereins feierlich auf den
Besitz desselben und sprach nur die Hoffnung aus, daß die
Alterthumsfreunde vom Lande auch fernerhin Mitglieder des
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Heidengott"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Hilflosigkeit
Kunstraub
Wagen <Motiv>
Gelehrter <Motiv>
Steinrelief
Flucht
Karikatur
Bauer <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 732, S. 11
 
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