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Poesie und Prosa.

könne nicht schaden, wenn die gespannten Saiten der Erwart-
ung durch den Stimmhammer der Nüchternheit ei» wenig her-
abgelassen würden.

Und Arm in Arm hüpften die Mädchen zum Zimmer
hinaus, jede bedachte eine etwas sorgfältigere Toilette als ge-
wöhnlich zu machen.

Eine Stunde später öffnctd sich die Thür eines an das
Speisezimmer anstoßenden Gemaches, in welchem sich bereits
Emmelinc von Birkendust und Clothilde von Lilienthal be-
fanden — und Baron von Müller trat herein.

Er war ein großer stattlicher Mann mit aristokratischem
Backenbart und jener auf den ersten Blick erkennbaren, leichten,
nachlässigen Haltung und Bewegung, wie sic nur das Leben
in der vornehmen Welt erzeugt. Sein Anzug war superfein
und saß ihm wie angegossen, die Leibwäsche von der blenden-
sten Weiße, doch kein Schmuck an ihm bemerkbar, als eine
kleine Nadel im Chemisett, die für den Kenner einen un-
schätzbaren Werth haben mochte.

Nach der ersten Begrüßung und nachdem der Fremde
Clothilden vorgestellt worden, bat jener mit kräftiger sonorer
Stimme sehr artig wegen seines unfreiwilligen Erscheinens
um Verzeihung und die Herrin des Eulenhorst lehnte in ver- I
kindlicher Weise allen Dank mit dem Bemerken ab, daß sic
ihr Stillleben durch den noch glücklich genug abgelaufcnen
Unfall angenehm unterbrochen sehe.

Inzwischen hatte sich das Zinknagel'sche Ehepaar einge-
funden, ein kurz darauf cintretcnder Diener meldete, daß an- j
gerichtet sei, und an des Barons Arme schwebte Emmeline
dem Speisezimmer zu. Die Uebrigen folgten.

Des Freiherr« klangvolle Stimme belebte bald die kleine
Tafel. Er sprach von seinen Reisen, die ihn durch halb Deutsch-
land geführt, von seinen Gütern, von Jagd und Pferden,

Theater und Bällen. Emmeline und Clothilde waren sehr auf-
merksame Zuhörcrinnen und bemühten sich ihrerseits, durch
cingestreute Bemerkungen dem Gaste das Geschäft der Unter-
haltung zu erleichtern. So erzählte er nicht ohne humoristische
Färbung eine Geschichte, nicht, wie er lächelnd bemerkte, wie
man Präsident wird, sondern wie man seinen Bedienten ver-
liert. Er hatte diesen, der seine Schwärmerei für den Com-
munismus praktisch bethätigt, Knall und Fall zum Henker
gejagt und es vorgezogcn, bis zur Ankunft in der Residenz,
wo er sich einige Tage auszuhaltcn gedenke, sich selbst zu be-
dienen. Im Augenblicke daraus war er in Schlesien, um bei
Erwähnung seines Grundbesitzes dem Inspektor hinsichtlich seiner
Ansichten über die Dreifelder- und Wechsclwirthschaft ein wenig
auf den Zahn zu fühlen. Sodann durchwanderte er mit den
Damen die Pariser Modehandlungcn, in denen er ebenso zu |
Hause war, wie auf seinen Feldern, um in der nächsten Minute
Madame Zinknagel in ein Gespräch über Mehlspeisen zu ver-
wickeln. Und so ging cs fort bis lange nach dem Dessert, >
und als nun endlich die kleine Gesellschaft sich erhob, mußten !
die Eulenhorstcr gestehen, daß sic kaum je so gut unterhalten
worden und der Freiherr ein ganz charmanter Mann sei.

Dieser nahm das Anerbieten der Schloßbesitzcrin, bis
zu seiner hoffentlich baldigst zu erfolgenden gänzlichen Her-
stellung ihr Gast zu bleiben, nach einigem Sträuben dankend
an und zog sich sodann auf sein Zimmer zurück. Den Damen
aber blieb er den ganzen Abend hindurch — denn das Diner
hatte den Nachmittag rein absorbirt — fast ausschließlicher
Gegenstand der Unterhaltung und sic gratulirten sich zu der
so angenehmen Unterbrechung ihres Stilllebens.

Als sie am folgenden Morgen erwachten, waren sie durch
die plötzliche Veränderung, welche am Himmel vor sich gegan-
gen, freudig überrascht. Statt des grauen Regenmantels, den
er die Tage vorher um sich geworfen, lachte er jetzt im heiter-
sten Blau auf den düstern Eulenhorst herab, und die Spitzen
der Blitzableiter funkelten hoch oben im Sonnenlicht. Ganz
im Einklänge mit dem Festgesichte des Himmels stand auch
das äußere Aussehen des Barons, als dieser, der Einladung
Emmelinens zum Frühstück folgend, eine Stunde später in
das Besuchszimmer trat. Die Nachtruhe hatte ihn wunderbar
gestärkt und erquickt, und nur eine leichte Lähmung beim
Gehen erinnerte noch an den ihn betroffenen Unfall des ge-
strigen Tages. Dies hinderte ihn jedoch nicht, die Damen später
auf einer kleinen Fußwanderung, die der steinige Boden bereits
wieder zulässig machte, zu begleiten. Hier war cs nun, wo
Emmelincn die letzten Bedenken über die Etikette schwanden,
denn ein rücksichtsvolleres Benehmen als das ihres Gastes
war kaum denkbar.

Es folgten nun Tage der gcmüthrcichstcn Geselligkeit
und eine Woche war fast vergangen. Da erklärte der Baron,
daß er seine Abreise auf den nächsten Morgen festgesetzt habe,
und mühte sich dabei augenscheinlich, seiner Stimme die ge-
wohnte Festigkeit zu geben. Er war sichtlich bewegt und die
feine weiße Hand schien sogar etwas zu zittern, als er sie
ausstrecktc, die Richtung seines Rcisewegs anzudeuten. Emme- !
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

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Titel/Objekt
"Poesie und Prosa"
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Fliegende Blätter
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Aufbewahrungsort/Standort (GND)
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Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Stauber, Carl
Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Adel <Motiv>
Paar <Motiv>
Krinoline
Reifrock
Karikatur
Baron
Damenmode <Motiv>
Satirische Zeitschrift

Literaturangabe

Rechte am Objekt

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Künstler/Urheber (GND)
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Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 735, S. 34

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