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58 Wie die zu Schildburg einen Fackclzug halten.

das Feuer unbewacht sehr gefährlich werden. Darum schließen
wir es ein und mein Rath ist, daß zwei zu einer Fackel ge-
hören; der Eine trägt sie brennend und der Andere hält darüber
eine große Tonne. So ist das Feuer bewahrt und bewacht.
Der Vorschlag würde angenommen worden sein, hätte nicht ein
Zweiter also gesprochen: „Wohl erkenne ich die Weisheit des
Herrn Vorredners und seine große Belesenheit in der deutschen
Literatur. Wie nun aber, wenn die Tonne anbrennt und mit
ihr der Träger?"

Alles erstaunte ob solcher Weisheit. Daran hatte Niemand
gedacht. Nun war der hohe Rath wieder rath- und thatlos.
Der Vorschlag eines Dritten, zwei Spritzen den Zug begleiten
zu lassen, fanden keinen Anklang. — „Ich kenne einen andern
Ausweg," rief jetzt, wie von einer höheren Eingebung inspirirt,
ein Vierter. „Die Nacht ist keines Menschen Freund! Lasset
uns den Fackelzug am Tage halten!"

Schon war man im Begriffe, diesen Vorschlag anzunehmen,
als sich der Herr Bürgermeister, das non plus ultra aller
Weisheit, erhob, seinen Mund aufthat und also sprach: „Wollt
Ihr Euch denn zum Gelächter der Welt machen? Wie kann
man denn am Tage einen Fackclzug halten! habt Ihr das je
einmal gelesen oder gehört? Da sieht man recht, wie geistes-
beschränkt Ihr noch seid, und daß ich hier, wie auch wohl im
ganzen Lande, der Klügste bin. Doch hört meinen Rath: Wir
halten, trotz des großen Sturmes, zur festgesetzten Stunde
unser» Fackclzug. 8£ Uhr nehme jeder seine Fackel zur Hand,
aber, um Feuersgcfahr zu verhüten, stecke er sie nicht an.
j Kann man denn nicht auch einen Fackelzug halten, ohne daß
| die Fackeln brennen? Das ist mein Rath." — Dieser ward
mit großer Stimmenmehrheit angenommen und wirklich in der
von Herrn Bürgermeister angegebenen Weise ausgeführt. Doch
erzählt man sich, daß des andern Tages Viele in Schildburg
mit verbundenen Köpfen umhcrgcwandelt seien, da sie sich die-
selben an Straßenecken und Laternenpfählen wund gestossen in
der fürchterlichen Dunkelheit während des Fackelzuges.

Offener Schreibebrief an die Redaktion der
Fliegenden Blätter in München.

Jedermann hat mit Genugthuung wahrgenommen, wie
eine Anzahl Verleger deutscher Zeitschriften in den letzten Jah-
ren in einer bis dahin nie gesehenen Weise bemüht gewesen
ist, der deutschen Literatur durch Aussctzen von Preisen für
die beste Arbeit in diesem oder jenem Fache so zu sage» kräf-
tigst unter die Arme zu greifen, ja quasi derselben wieder
auf die Strümpfe zu helfen. Fast alle belletristischen Zeit-
schriften, von Westermann's illustrirten Monatsheften bis zu
Paync's illustrirtem Familien - Journal, sind dem einmal ge-
gebenen Beispiele gefolgt und, wie ich höre, sind der deut-
schen Literatur daraus so ersprießliche Früchte erwachsen, daß
zukünftige Literarhistoriker wahrscheinlich von dem Augen-
blicke der Einführung der Preisausschreibung eine neue Aera
zu datiren haben werden.

Offener Schreibebrief re.

Um so mehr hat es mich und andere "Freunde der „Flie-
genden Blätter" in gerechtes Erstaunen versetzt, daß Sie bis dato
nicht darauf verfallen sind, auch Ihrerseits dieses Mittel zu
ergreifen, einmal, um der Literatur ebensowohl wie der Kunst
eine förderliche Anregung zu geben, und dann, um nicht
durch etwaiges Zurückbleiben bei diesem allgemeinen Wetteifer
vielleicht gar an Ihrem alten guten Rufe etliche Einbuße zu
erleide». Denn in der That, die Kunst soll nicht zurückblci-
bcn, wenn die Literatur so rüstig voranschreitct! Und da beide
zur Erzeugung der Fliegenden Blätter zusammenwirken müssen,
jo käme es nur darauf an, einen Weg zu entdecken, wodurch
in der angedeuteten Weise die Interessen der Literatur sowohl,
als der Kunst gleichmäßig gefördert, gewiffermassen zwei
Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden würden.

Wie dieß anzustellen, das möchte ich mir erlauben, Ih-
nen hiermit kurz anzudeuten. Ich will Ihnen zu dem Ende
folgende kleine Geschichte erzählen, in welcher Sie selbst An-
regung zu einem weiterem Vorgehen auf dem -bezeichneten
Wege unschwer entdecken werden. Zur Sache!

Wer in der schönen und biedern Residenzstadt Kassel ge-
wesen ist, der weiß auch, daß dieselbe berühmt ist: 1) durch
schöne Straßen und große Plätze, die die Eigenthümlichkeit
besitzen, daß zwischen den Steinen Gras hervorwächst; 2) durch
die Erfindung dcö Lau de Cassel und des passiven Wider-
standes; 3) durch die Fclscnkeller. Auf einem dieser Felsen-
keller vor dem Frankfurter Thore spielt diese eben so wahr-
hafte als einfache Geschichte. Dort nämlich, es ist nun schon
ziemlich lange her und die beiden vorerwähnten Erfindungen
waren noch nicht gemacht, versammelte sich allabendlich eine
lustige Gesellschaft, die sich die Zeit mit Trinken des höchst
vortrefflichen Bieres und mit Stadtneuigkeiten vertrieb, die
bald dieser, bald jener der Gäste zu erzählen wußte. Be-
sonders stark aber in diesem Punkte waren der Maler Mahl-
mann und der Registrator Lichtau, ja sie waren so eifersüchtig
auf ihren Ruf als Anekdotencrzähler, daß sie meinten eine
Niederlage erlitten zu habe», und ganz unglücklich waren,
wenn ihnen nicht die Palme des Abends von allen Anwesen-
den zuerkannt wurde.

Eines Abends zur Zeit der Frühjahrsmesse kam Regi-
strator Lichtau ganz außer Athem auf den Felsenkeller, wo in
einem bestimmten Zimmer die gewöhnliche. Tafelrunde schon
versammelt saß. „Seid Ihr schon in der großen Kunstreiter-
bude auf dem Schloßplatze gewesen?" rief er schon unter der
Thüre. — „Nein!" — „Na, das muß ich sagen, so was
kriegt Ihr nicht alle Tage zu sehen. Macht nur, daß Ihr
hinkommt und das leibhaftige Wunder mit eigenen Augen
anseht!"

Von allen Seiten mit Fragen bestürmt, erzählte der Re-
gistrator nach einem guten Zuge auö dem Glase: „Von den

vortrefflichen Reitern und schönen Reiterinnen will ich gar
nichts sagen, aber der Hanswurst, der Hanswurst, das ist ein
wahres Prachteremplar, ein leibhaftiges Wundcrthier. Sprengt
der Kerl hoch zu Roß in den Cirrus, grüßt nach allen Sei-
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