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Herrn Graf's Neisetagebuch über Helgoland.
(Schluß.)
Wenn nun einmal ein recht eingefleischter Austeresser dahin
kommt, so ist es schon dagewcscn, daß er ist bei Nachtzeit hin-
geschwommen, sich eine Semmel, Wein, Ziteronc und Fester
hat eingesteckt und nun in die Ticse getaugt ist, wo er dann
ganz ungestört ein baar hundert Fuß unter die Wasserfläche
so seine tausend Stick verzehrt hat.
Dieses Vergnigen war mir jedoch ein bischen zu seichte,
warum ich mich erkundigen that, ob man nicht auf ruhigere
Weise sich kennte seine Austern dort sangen.
Da sagten sic mir: ,,O ja wohl, mein liebes Herrchen,
aber dann missen sic ein eingeborener Helgoländler sein, oder
eine Hclgoländlcri» hciraden."
„Nun aus das Letztere soll cs mir nicht ankommen," sagte
ich. „Sind denn »och ein baar weibliche Eingeborene lcdigt?"
„Zwei Stick und die werden mir Sic gleich zur Auswahl
bringen," sagten sic nun und balde darauf brachten sie mir
auch wirklich diese zwei Damen.
Damit daß man weiß wie sic aussahen, so hänge ich ihre
zwei Bohrdrehs hier mit aus und da wird es Jedermann ein-
sehen, daß Einen wohl der Abedit auf Austern kann vergehen.
So waren wir nun schon einige Tage auf diese wiste
Fclseninsel und hatten alle Eigcnthiemlichkeitcn kennen gelernt
von die Lasterallec unten bis oben hinauf zu die beriemte Kar-
toffclallee, welches letztere der einzigste Ort ist, wo Einer Schatten
finden kann, wenn er sich nämlich blatt aus den Bauch unter
das Kartoffelkraut legt.
Auch die Seebäder thatcn uns sehr gut bekommen, aber
grade diese sollten beinahe die gegrindete Ursache zu unser Ver-
derben werden, woribcr ich mich jetz deitlicher ausdehnen will.
Eines Tages brohmenirten wir an die Fclsenklibfen der
Insel herum, weil cs grade Ebbe war und freiten uns über
unser Dasein. Da sagte auf einmal Kohle zu mir:
„Lieber Graf," sagte er, „cs ist doch eigentlich eine rechte
Sindc, daß man so viel Geld wegwcrfen thut und alle Tage
zwclf SchillingSe für ein Seebad auf die Diene und vier Schil-
lingsc für das Hinundherfahren geben soll. Kann man dieses
denn hier nicht Alles für umsonst haben, wo man sich blos
auszuziehe» und hineinzusetzen braucht in daö große Weltmeer?"
„Wenn man dieses wagen dirfte, dann hettest Du schon
recht," sagte ich, „aber wenn sie Einen erwischen, dann kann
es Einen auch schlecht gehn."
Kohle bemihte sich jedoch, alle meine Bedenklichkeiten zu
beruhigen und balde hatte auch ich nrich überreden lassen. Wir
hakten uns von unsre Hillen befreit und saßen hinter einer
Felsenklibfe geschitzt vor alle neigierigc Blicke in Entzicken und
Secwasser bis an den Hals.
Man glaubt es gar nicht, was für selichte Gefihle man
sihlt, wenn man so bei dieser Naturruhe in das Wasser sitzt.
Die Vergangenheit malt Einen alle frühere Bilder in das Ge-
dechtnis und die Zukinftigkcit lechclt Einen mit Befriedigung
entgegen, von die Gegenwcrtigkeit weiß man aber gar Nichts
nickt, weil man sich eben wohlbefindet.
Aber oh weh: Wie schrecklich sollte dieses werden! Wie
hatten wir uns in die Billigkeit von dieses einfache Bad ver-
rechnet.
Wie wir noch so in unsre stille Seligkeit dasaßen, hatten
wir gar nicht bemerkt, daß sich die Fluth wieder eingestellt
hatte und in demselben Augenblicke brach auch ein Gewitter
mit furchtbarem Sturmwinde- los. Nun sbrangen wir rasch in
die Höhe und wollten an das Ufer zu unsre Sachen zurück
— aber wer denkt (ich unser» Jammer, als von unsre Klei-
dungssticke und das Ufer nichts mehr zu sehn ist. Beides war
vcrjchwunden und nur die beiden Hite, die sogenannten Sicd-
wester segelten noch etwas sichtbar in die Ferne nach der Ge-
gend von Italien zu.
Wir wollten in unsre Verzweiflung rasch nach das Ufer
zurücke, aber auch dieses ließen die immer mehr und mehr
angcwachscnen Wellen nicht mehr zu und in unsre Todesängst-
lichkeit mußten wir die Felsenklibfe erklimmen, wo wir nun
wie zwei Adämcr bei die Sindfluth uns aneinander anklam-
Herrn Graf's Neisetagebuch über Helgoland.
(Schluß.)
Wenn nun einmal ein recht eingefleischter Austeresser dahin
kommt, so ist es schon dagewcscn, daß er ist bei Nachtzeit hin-
geschwommen, sich eine Semmel, Wein, Ziteronc und Fester
hat eingesteckt und nun in die Ticse getaugt ist, wo er dann
ganz ungestört ein baar hundert Fuß unter die Wasserfläche
so seine tausend Stick verzehrt hat.
Dieses Vergnigen war mir jedoch ein bischen zu seichte,
warum ich mich erkundigen that, ob man nicht auf ruhigere
Weise sich kennte seine Austern dort sangen.
Da sagten sic mir: ,,O ja wohl, mein liebes Herrchen,
aber dann missen sic ein eingeborener Helgoländler sein, oder
eine Hclgoländlcri» hciraden."
„Nun aus das Letztere soll cs mir nicht ankommen," sagte
ich. „Sind denn »och ein baar weibliche Eingeborene lcdigt?"
„Zwei Stick und die werden mir Sic gleich zur Auswahl
bringen," sagten sic nun und balde darauf brachten sie mir
auch wirklich diese zwei Damen.
Damit daß man weiß wie sic aussahen, so hänge ich ihre
zwei Bohrdrehs hier mit aus und da wird es Jedermann ein-
sehen, daß Einen wohl der Abedit auf Austern kann vergehen.
So waren wir nun schon einige Tage auf diese wiste
Fclseninsel und hatten alle Eigcnthiemlichkeitcn kennen gelernt
von die Lasterallec unten bis oben hinauf zu die beriemte Kar-
toffclallee, welches letztere der einzigste Ort ist, wo Einer Schatten
finden kann, wenn er sich nämlich blatt aus den Bauch unter
das Kartoffelkraut legt.
Auch die Seebäder thatcn uns sehr gut bekommen, aber
grade diese sollten beinahe die gegrindete Ursache zu unser Ver-
derben werden, woribcr ich mich jetz deitlicher ausdehnen will.
Eines Tages brohmenirten wir an die Fclsenklibfen der
Insel herum, weil cs grade Ebbe war und freiten uns über
unser Dasein. Da sagte auf einmal Kohle zu mir:
„Lieber Graf," sagte er, „cs ist doch eigentlich eine rechte
Sindc, daß man so viel Geld wegwcrfen thut und alle Tage
zwclf SchillingSe für ein Seebad auf die Diene und vier Schil-
lingsc für das Hinundherfahren geben soll. Kann man dieses
denn hier nicht Alles für umsonst haben, wo man sich blos
auszuziehe» und hineinzusetzen braucht in daö große Weltmeer?"
„Wenn man dieses wagen dirfte, dann hettest Du schon
recht," sagte ich, „aber wenn sie Einen erwischen, dann kann
es Einen auch schlecht gehn."
Kohle bemihte sich jedoch, alle meine Bedenklichkeiten zu
beruhigen und balde hatte auch ich nrich überreden lassen. Wir
hakten uns von unsre Hillen befreit und saßen hinter einer
Felsenklibfe geschitzt vor alle neigierigc Blicke in Entzicken und
Secwasser bis an den Hals.
Man glaubt es gar nicht, was für selichte Gefihle man
sihlt, wenn man so bei dieser Naturruhe in das Wasser sitzt.
Die Vergangenheit malt Einen alle frühere Bilder in das Ge-
dechtnis und die Zukinftigkcit lechclt Einen mit Befriedigung
entgegen, von die Gegenwcrtigkeit weiß man aber gar Nichts
nickt, weil man sich eben wohlbefindet.
Aber oh weh: Wie schrecklich sollte dieses werden! Wie
hatten wir uns in die Billigkeit von dieses einfache Bad ver-
rechnet.
Wie wir noch so in unsre stille Seligkeit dasaßen, hatten
wir gar nicht bemerkt, daß sich die Fluth wieder eingestellt
hatte und in demselben Augenblicke brach auch ein Gewitter
mit furchtbarem Sturmwinde- los. Nun sbrangen wir rasch in
die Höhe und wollten an das Ufer zu unsre Sachen zurück
— aber wer denkt (ich unser» Jammer, als von unsre Klei-
dungssticke und das Ufer nichts mehr zu sehn ist. Beides war
vcrjchwunden und nur die beiden Hite, die sogenannten Sicd-
wester segelten noch etwas sichtbar in die Ferne nach der Ge-
gend von Italien zu.
Wir wollten in unsre Verzweiflung rasch nach das Ufer
zurücke, aber auch dieses ließen die immer mehr und mehr
angcwachscnen Wellen nicht mehr zu und in unsre Todesängst-
lichkeit mußten wir die Felsenklibfe erklimmen, wo wir nun
wie zwei Adämcr bei die Sindfluth uns aneinander anklam-
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Herrn Graf's Reisetagebuch über Helgoland"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 740, S. 78
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg