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110 Der Briefkäufer.

Es war noch vor dcr Zeit des Gases, der Cigarren, des
Dampfes, der Crinolincn und dcr Briefmarken. Rentmeister
Boldy war wieder einmal so geschäftig wie immer. Er saß
nemlich in einem seiner drei reservirtcn Zimmer vor dem gro-
ßen Tische, durchsah Rechnungen, dann stand er unversehens
auf und schien noch Wichtigeres zu thun zu haben, nemlich
die verschiedenen thönernen Büchsen durchzuprüsen, in denen
sich dcr geschnittene Rauchtabak befand, mit dem er allstündlich
andere Mischungsprobcn anstellte, oder er nahm eine der Vo-
gelflintcn aus dem Kasten, untersuchte genau den Hahn, legte
an, visirtc, und hing das Gewehr wieder auf den Nagel.
Plötzlich rannte er zur Thüre hinaus und man hörte ihn vom
Hofe her mit lauter Stimme irgend welchen Befehl schreien,
worauf er zurückkehrte, die Rechnungen neuerdings zur Hand
nahm, aber auch jetzt sie bald weglegtc und nach einem Buche
emsig suchte. Er fand es, setzte sich an's Fenster und las.
Dabei lag der Sonnenschein hell auf den Fenstern der länd-
lichen Wohnung, warf aber blos seine Reflere und Lichtcrchcn
in die Stube, da dichtes Grün die offenen Fenster verdeckte.
Der gute Rentmeister, der so sehr die Abwechslung liebte,
pflegte anch alle Augenblicke mit den Pfeifen zu wechseln.
Bald zündete er ein langes Rohr mit hängender Quaste und
braunem Debrecziner Thonkops an, that einige Züge, mit sol-
cher Ernsthaftigkeit den Geschmack des Rauches prüfend, als
sei er Mitglied einer Jury;-bald langte er wieder nach einem
tiefbraunen glänzenden Kopse aus Meerschaum, wahrscheinlich
ein Schnitt des berühmten Nagy, und sog an dem kurzen
Rohre zehn bis zwölf Minuten lang, bis sich ein cigenthüm-
lichcs röhrendes Geräusch'vernehmen ließ, worauf er de» Kopf
mit einem Fetzen von Hirschfcll fein säuberlich polirtc und ihn
behutsam rechts in die Pseisenetagen stellte, wo die ausge-
rauchten Köpfe rcihweis standen, während die „Gestopften"

die linke Seite der rcichbcsctzten Stellage einnahmcn, und kaum
war das gethan, so griff er schon wieder nach einem neuen
Rohre, dießmal nach einem langen Weichsclast, den eine dicke
Dute aus Bernstein als Tschibouk zierte, und roch es bisher
nach frischgcmähtem Heu, durch welchen Geruch sich der unga-
rische Tabak auszcichnet, so roch jetzt plötzlich die Atmosphäre
nach harzartigem Parfüm, denn das türkische Blatt stand in
Gluth' rtnd es roch nach Benzoe. Mitten in dieser Manipu-
lation wurde jedoch Boldy durch das Zuschlägen einer Thüre
im Nebenzimmer gestört, und eine Dame im Pndcrmantcl,
das Haar in Wickeln gedreht, schlürfte mit klappernden Pan-
toffeln herein, blieb aus der Schwelle stehen und sagte leicht-
hin: „Laczi, Du, ich vergaß völlig, Dir zu sagen, daß dcr
Jud' gestern Abend sagte, cs lägen Briese für Dich auf dcr
Station." Boldy drehte sich rasch um, that einen langen Zug
aus dem Tschibouk, blies den Rauch in Ringeln von sich,
welche aus seinen Nasenlöchern zu kommen schienen, und srug
dann: „Und warum hat dcr Esel sie nicht gleich mitgenom-

men?" Die Dame erwiderte, indem sic zunächst der Thüre
ein Tischchen mit ihrer Schürze abwischtc: „Er sagte, er habe
nicht so viel Geld bei sich gehabt, der Posthaltcr habe bald an
zwei Zwanziger verlangt." Boldy sprang empor, riß die
Thüre auf, welche nach dem Gange führte und schrie, daß die
kleine Stube von der starken Stimme widerhallte: „Jschtvün!"
Dann kehrte er zurück an's Fenster, nahm das Buch und las
weiter. Die Dame aber kam ganz in die Stube, ging auf
eine Spinde los, machte sie auf, nahm ein Gläschen hervor
und eine Flasche mit braunem Safte, füllte sich eine Neige
und trank den Nektar goustirend hinab. „Dcr Tokayer," sagte
sie, „ist hier zu warm, auch der Slibovicz wird in diesem Ka-
sten ganz schlecht; ich werde die Flaschen zu mir hinüber neh-
men und Du kannst heute schon von dem auf gebrannten
Kaffee angesetzten Franzbranntwein kosten." — „Zch banke
Dir, liebe Sarolta, ich habe eben nicht Durst; da lese ich je-
doch ein ganz anderes Rezept." In demselben Momente
trat ein Hajduk ein, aber nicht in blauer Schnürenhose und
im knappen Dolmüny, sondern in weiten leinenen Gatyen und
ganz bespritzt von Kalk. Er blieb vor Boldy stehen und frug
unterthänig: „Was befehlen dcr gnädige Herr Rentmeister?"
— „Wie siehst denn Du aus?" meinte dcr Herr. „Jschtvün
tüncht heute die Hintergebäude," meinte die Herrin des Hau-
ses. „Ganz gut, aber cs soll Jemand sogleich nach Szcntvür
gehen, die Briefe für mich zu holen. Wo ist denn der Bub',
der Jantschi?" — „Den Hab' ich in aller Früh schon hinüber
nach Belck ge;chickt, um mir die neue Haube für Sonntag
holen zu lassen", erklärte die Dame. „Nun, zum Teufel",
meinte dcr Gemahl, „so wird doch noch Jemand da sein, den
man unk die Briefe schicken kann? Freilich sind die Knechte
eben jetzt im Felde; der Börcs fuhr auch in den Wald; was
ist's denn mit dem Juhüsz, weidet dcr nicht heute noch am
Dorfe?" — „O nein, Euer Gnaden", bemerkte dcr Diener
Jschtvan, „dcr ist heute in der Gegend dcr Kolompol-Esürda.
Aber", setzte er schüchtern hinzu, „dcr Zigeuner Petö ist eben
im Stalle, der kann doch wohl nach Szentvar lausen und
Bildbeschreibung

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
"Der Briefkäufer"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

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Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES

Objektbeschreibung

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Entstehungsort (GND)
München

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Rentamt
Brief <Motiv>
Bote <Motiv>
Rentmeister
Tabakspfeife <Motiv>
Übergabe
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Ungarn <Motiv>

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 744, S. 110
 
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