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Allzuwortgetreue Auslegung.
Dcr dicke Adlerwirth von Dußlingen hat einen Garten,
in welchem Sonntags oder auch Werktags, wenn eben Leute
kommen, den Sommer über ausgcschcnkt wird. Der Garten
, liegt aber zum großen Vergnügen des Publikums und nament-
lich dcr lieben Jugend, dem Adlerwirth aber zum großen Acr-
gcr so, daß er meistens nur zur Paffagc von einer Straße in
die andere benützt wird, ohne vorher den Weinen, Schinken,
Würsten und ähnlichen Leckerbissen einen Besuch gemacht zu haben.
Da war nun neulich unser dicker Adlerwirth in der Re-
sidcnz und fand bei einem College,: einen ähnlichen Garten,
aber unten und oben eine Warnungstafel mit den vielsagenden
j Worten: „Dcr Durchgang durch diesen Garten ist bloß meinen
Gästen gestattet!" — Dieß merkte sich der Adlerwirth, zog
seine Schreibtafel und schrieb sich die Sache auf.
Einige Tage darauf wurden die Dußlingcr durch Etwas
äußerst Merkwürdiges überrascht. Im Garten zum schwarzen
Adler prangten oben und unten zwei große weiße Tafeln,
welche mit kolossalen Buchstaben dcr staunenden Menschheit
verkündeten: „Allhier ist das Durchgehen blos meinen Gästen
erlaubt!" —
„Und weiter wandert die Straße entlang" ein Wandcr-
bürschlein, das schon seit zwei Tagen keinen warmen Bissen mehr
im Leib gespürt hatte, das mehr im Kopfe als im Beutel
hatte — wohl verstanden! mehr Conduitc als baare Münze, —
wurde zu derselben Zeit vom Geschick hichcr geschleudert! die
schwarzen Buchstaben auf weißer Tafel fielen ihm auf und er
las wie die Andern das verhängnißvolle: „Allhier ist das
Durchgehen blos meinen Gästen erlaubt!"
Gut mir, dachte sich unser Straubinger und trat in den
Garten. „Kellner, eine Flasche rothen Neckarwein, vom besten!"
Der Kellner schaute zwar den bestaubten und zerlumpten
Allzuwortgetreuc Auslegung. 119
Kerl ordentlich an, aber weil er so zuversichtlich that, so ging
er endlich und brachte das Verlangte — blieb aber etwas
zweideutig vor unserem Strqubinger stehen.
„Sehr aufmerksam!" dachte sich dieser.
„Kellner! Schinken, grünen Salat mit Eiern! Etwas
Senf dazu!!"
Dcr machte immer größere Augen, ging und brachte das
Gewünschte, behielt aber unser» Freund immer im Gesicht.
Mit einer wahren Wuth wurden Schinken, Salat, Senf, Eier
aufgezchrt und der Rest des rothen Ncckartranks hinabgcspühlt.
Jetzt, nachdem dieß geschehen, stand er, wie wenn Nichts
vorgefallcn, auf, räusperte, setzte sich den Hut zurecht, drehte
seinen Blonden, nahm den Knüppel und wollte sich entfernen.
Aber — das Unglück reitet schnell. — Da kam wie ein
wüthender Drache dcr Kellner (dem die Sache schon vorher
nicht geheuer vorkam, wcßhalb er den Adlerwirth davon in
Kcnntniß setzte) mit dem dicken Prinzipal dahergerannt. — „Wo-
hin? Wohin? guter Freund! Durchgehn? So, So, das wär'n
schöne Sach'n — da köllnte mer zu sein, Theil komma? Ent-
weder bezahl« Se oder wenn Se net bezahle, so geht's in's
Loch mit Jhna! und damit Punktum! Verstand«?" — Diese
Rede hielt der Adlerwirth mit großer Mühe an den keines-
wegs verschüchtert vor ihm Stehenden. — „Meine Herren!"
wendete sich dieser an die ihn umstehenden und gaffenden
übrigen Gäste, „meine Herren! ich appcllire an Sie! Herr
Gastgeber, beim Eintritte in ihren Garten und auch hier, (er
zeigte auf die Tafel) findet sich eine Tafel mit den Worten:
„Allhier ist das Durchgehen blos meinen Gästen erlaubt!"
Ich war ihr Gast, also ist mir auch das Durchgehen erlaubt!"
— Da veränderte sich die Scene, die Gäste lachten, dcr gute
Adlerwirth am Ende auch, der Kellner verzog freilich das Ge-
sicht, daß er sich hatte anführen lassen, aber was half's? —
„Sie Voeativus! Sie!" sagte, nachdem das Lachen etwas vor-
über war, dcr Adlerwirth, „Sic sind auch net auf den Kopf
gefall'n! Was für a Landsmann?" — „A Sachse, bei Laip-
zich dahcme! gutestes Herrchen!"— „Komme sc, Sie Spitz-
bua! — Kellner noch a Butell von mein best« Neckarwein!"
Weise Sprüche des Confucius.
Wer stets von seinem Fühlen spricht,
Der ist gewiß ein kalter Wicht.
Wer immer prahlt mit seinem Muth,
Den macht oft bleich ein Tröpflein Blut.
Wer täglich schwört: „auf Ehr' und Treu'!
Der denkt nicht mehr daran dabei.
Die taube Nuß viel Lärmen macht,
Wenn sic zerbrechend knackt und kracht!
Du mußt Dich nicht gleich rächen wollen,
Wenn der und jener Dir mißfällt;
Du kannst nicht jedem Steine grollen,
Der plump auf Deinen Weg Dir fällt.
Allzuwortgetreue Auslegung.
Dcr dicke Adlerwirth von Dußlingen hat einen Garten,
in welchem Sonntags oder auch Werktags, wenn eben Leute
kommen, den Sommer über ausgcschcnkt wird. Der Garten
, liegt aber zum großen Vergnügen des Publikums und nament-
lich dcr lieben Jugend, dem Adlerwirth aber zum großen Acr-
gcr so, daß er meistens nur zur Paffagc von einer Straße in
die andere benützt wird, ohne vorher den Weinen, Schinken,
Würsten und ähnlichen Leckerbissen einen Besuch gemacht zu haben.
Da war nun neulich unser dicker Adlerwirth in der Re-
sidcnz und fand bei einem College,: einen ähnlichen Garten,
aber unten und oben eine Warnungstafel mit den vielsagenden
j Worten: „Dcr Durchgang durch diesen Garten ist bloß meinen
Gästen gestattet!" — Dieß merkte sich der Adlerwirth, zog
seine Schreibtafel und schrieb sich die Sache auf.
Einige Tage darauf wurden die Dußlingcr durch Etwas
äußerst Merkwürdiges überrascht. Im Garten zum schwarzen
Adler prangten oben und unten zwei große weiße Tafeln,
welche mit kolossalen Buchstaben dcr staunenden Menschheit
verkündeten: „Allhier ist das Durchgehen blos meinen Gästen
erlaubt!" —
„Und weiter wandert die Straße entlang" ein Wandcr-
bürschlein, das schon seit zwei Tagen keinen warmen Bissen mehr
im Leib gespürt hatte, das mehr im Kopfe als im Beutel
hatte — wohl verstanden! mehr Conduitc als baare Münze, —
wurde zu derselben Zeit vom Geschick hichcr geschleudert! die
schwarzen Buchstaben auf weißer Tafel fielen ihm auf und er
las wie die Andern das verhängnißvolle: „Allhier ist das
Durchgehen blos meinen Gästen erlaubt!"
Gut mir, dachte sich unser Straubinger und trat in den
Garten. „Kellner, eine Flasche rothen Neckarwein, vom besten!"
Der Kellner schaute zwar den bestaubten und zerlumpten
Allzuwortgetreuc Auslegung. 119
Kerl ordentlich an, aber weil er so zuversichtlich that, so ging
er endlich und brachte das Verlangte — blieb aber etwas
zweideutig vor unserem Strqubinger stehen.
„Sehr aufmerksam!" dachte sich dieser.
„Kellner! Schinken, grünen Salat mit Eiern! Etwas
Senf dazu!!"
Dcr machte immer größere Augen, ging und brachte das
Gewünschte, behielt aber unser» Freund immer im Gesicht.
Mit einer wahren Wuth wurden Schinken, Salat, Senf, Eier
aufgezchrt und der Rest des rothen Ncckartranks hinabgcspühlt.
Jetzt, nachdem dieß geschehen, stand er, wie wenn Nichts
vorgefallcn, auf, räusperte, setzte sich den Hut zurecht, drehte
seinen Blonden, nahm den Knüppel und wollte sich entfernen.
Aber — das Unglück reitet schnell. — Da kam wie ein
wüthender Drache dcr Kellner (dem die Sache schon vorher
nicht geheuer vorkam, wcßhalb er den Adlerwirth davon in
Kcnntniß setzte) mit dem dicken Prinzipal dahergerannt. — „Wo-
hin? Wohin? guter Freund! Durchgehn? So, So, das wär'n
schöne Sach'n — da köllnte mer zu sein, Theil komma? Ent-
weder bezahl« Se oder wenn Se net bezahle, so geht's in's
Loch mit Jhna! und damit Punktum! Verstand«?" — Diese
Rede hielt der Adlerwirth mit großer Mühe an den keines-
wegs verschüchtert vor ihm Stehenden. — „Meine Herren!"
wendete sich dieser an die ihn umstehenden und gaffenden
übrigen Gäste, „meine Herren! ich appcllire an Sie! Herr
Gastgeber, beim Eintritte in ihren Garten und auch hier, (er
zeigte auf die Tafel) findet sich eine Tafel mit den Worten:
„Allhier ist das Durchgehen blos meinen Gästen erlaubt!"
Ich war ihr Gast, also ist mir auch das Durchgehen erlaubt!"
— Da veränderte sich die Scene, die Gäste lachten, dcr gute
Adlerwirth am Ende auch, der Kellner verzog freilich das Ge-
sicht, daß er sich hatte anführen lassen, aber was half's? —
„Sie Voeativus! Sie!" sagte, nachdem das Lachen etwas vor-
über war, dcr Adlerwirth, „Sic sind auch net auf den Kopf
gefall'n! Was für a Landsmann?" — „A Sachse, bei Laip-
zich dahcme! gutestes Herrchen!"— „Komme sc, Sie Spitz-
bua! — Kellner noch a Butell von mein best« Neckarwein!"
Weise Sprüche des Confucius.
Wer stets von seinem Fühlen spricht,
Der ist gewiß ein kalter Wicht.
Wer immer prahlt mit seinem Muth,
Den macht oft bleich ein Tröpflein Blut.
Wer täglich schwört: „auf Ehr' und Treu'!
Der denkt nicht mehr daran dabei.
Die taube Nuß viel Lärmen macht,
Wenn sic zerbrechend knackt und kracht!
Du mußt Dich nicht gleich rächen wollen,
Wenn der und jener Dir mißfällt;
Du kannst nicht jedem Steine grollen,
Der plump auf Deinen Weg Dir fällt.
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Allzuwortgetreue Auslegung"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)