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Die gelungene List.
In einem kleinen Fürstenthum war das Factotum des
SouverainS sein Kammerdiener, ein gewesener Seminarist. Von
diesem seinem frühern Stand hatte er verschiedene geistliche
Bekanntschaften bewahrt und diese rechneten hie und da aus
seinen vielvermögcnden Einfluß. Unter diese Bekanntschaften j
gehörte auch der Pfarrer von Leinendors, der schon lange daran
laborirte, von seiner Hungerstelle auf eine bessere Pfründe sich ver-
sehen zu lassen. Immer war es fehlgcschlagcn, theils weil be-
sagter Pfarrer nicht eben zu den ausgezeichnetsten gehörte, theils
weil in dem kleinen Ländchen überhaupt nicht viele Pfründen
zu besetzen waren. Eines Tags kommt er voller Freuden zu
seinem Freunde, dem Kammerdiener Friedrich. „Brüderchen,
Brüderchen, Du mußt mir helfen; Unterbrunn ist offen, die
Stelle mußt Du mir schassen." — „Bist Du klug?" erwidert
Friedrich, „Unterbrunn ist die beste Pfarrei im Land und die
soll ich Dir verschaffen? Wie sollte ich das anfangen?"
„Du kannst Alles, was Du willst," antwortete der geist-
liche Freund.
„Nun denn," sagte der geschmeichelte Kammerdiener, der '
seine Macht gern anerkannt sah, „wir wollen sehen, was sich
thun läßt. Ich werde Dir demnächst brieflich Nachricht gebe»,
befolge genau, was ich Dir vorzuschrciben für gut befinden werde."
Der Pfarrer versprach pünktlichsten Gehorsam und hielt
es. Worin bestanden die Vorschriften, die er nach wenigen
Tagen erhielt? Der Leser wirk sie leicht aus dem Folgenden
crrathen.
Der Fürst war ein lcidcnschaftlichcr Jäger. Einige Tage
nach der Zusammenkunft des Pfarrers und des Kammerdieners
wußte der letztere seinen Herrn zu einer Morgenfahrt nach dem
Leinendorfer Forst zu berede». Es war noch früh am Tage,
als der Fürst, von seinem treuen Friedrich begleitet, den Wald
betrat, wo er der edlen Jagd auf den Auerhahn obzulicgcn ge-
dachte. Der Morgen war wie dazu geschaffen und der Fürst
freute sich im Voraus seiner Beute. Aber kaum sind
sie zwanzig Schritte in den Forst eingedrungen als
ein wüthendes Geschrei an die Ohren des Fürsten
schlägt.
„Wer zum Teufel schreit denn so gewaltig, als
ob er am Spieß stecke?" fragte der erzürnte Fürst.
„Der Kerl wird uns alles jagdbare Wild verscheuchen."
„Ach Gott, kehren wir um, Durchlaucht," ant-
wortete Friedrich. „Da ist nichts zu machen. Ich
muß um Verzeihung bitten, daß ich nicht eher daran
gedacht und Ew. Durchlaucht davon avcrtirt habe."
„Woran gedacht und wovon avcrtirt, Dumm-
kopf? der Kerl wird doch auch wieder aufhören,
wenn er sich heiser geschrieen hat."
„Er wird nicht aufhören, Durchlaucht."
„Wer zum Henker ist denn der Schreier? Kennst
Du ihn?"
„Ob ich ihn kenne?" antwortete Friedrich. „Nur
zu gut. Es ist der Pfarrer von Leinendors."
„Der Pfarrer von Leinendors?" fragte der
Fürst höchlich erstaunt. Aber warum brüllt er denn so?"
„Es ist ein cigcnthümlicher Mensch," erwiderte Friedrich,
„er mcmorirt seine Predigt."
„Und dazu schreit er wie unsinnig und gerade, wenn ich
auf die Aucrhahubalz gehen will?" sprudelte der erzürnte Jäger.
„Durchlaucht, er behauptet, nur laut memorircn zu können
und nur im Freien. So zieht er denn vom Dienstag bis Sonn-
abend (am Montag macht er seine Predigt) im Wald herum
und brüllt sic den Bäumen vor. Es ist also nicht Malice des
Schicksals, daß wir gerade heute hierher kommen; wir würden
cs die andern Tage auch nicht besser gefunden haben, als heute."
„Den Pfaffen soll ja der Henker holen," rief der Fürst
nun seinerseits sich selbst vergessend. „Der verdirbt mir ja
mein bestes Revier, der muß. sofort entfernt werden."
„Aber Durchlaucht," bemerkte Friedrich, „absctzcn können
Sic den armen Alan» doch nicht, weil er durchaus beim Mc-
moriren schreien muß, und eine andere Pfarrstellc ist nickt
offen, außer Unterbrunn, wohin Durchlaucht ihn doch auch
nicht setzen können, da sic viel zu gut für ihn ist."
„Ich kann nicht?" eiferte der Fürst. „Was verstehst Du
davon, Naseweis? Nun gerade soll er nach Untcrbrunn kom-
men, blos um Dir zu zeigen, daß ich mich nicht bevormunden
lasse. Dort mag er brülle», so lange er Lust hat."
„Wie Durchlaucht befehlen," antwortete Friedrich dcmüthig,
sich tief verneigend.
„Das fehlte noch," brummt der Fürst im Weggehen, „daß
auch die Pfarrer die Jagd herunterbringen hülfen."
Acht Tage darauf las man in dem Wochenblättchen:
„Sr. Durchlaucht haben gnädigst geruht, den Pfarrer T. in
Anerkennung seiner Verdienste als Prediger »ach Unterbrunn
zu versetzen." -—
Auflösung des Rebus
in Nr. 740 der Fliegenden Blätter:
Ein festgesetzter Preis (Preuß).
Die gelungene List.
In einem kleinen Fürstenthum war das Factotum des
SouverainS sein Kammerdiener, ein gewesener Seminarist. Von
diesem seinem frühern Stand hatte er verschiedene geistliche
Bekanntschaften bewahrt und diese rechneten hie und da aus
seinen vielvermögcnden Einfluß. Unter diese Bekanntschaften j
gehörte auch der Pfarrer von Leinendors, der schon lange daran
laborirte, von seiner Hungerstelle auf eine bessere Pfründe sich ver-
sehen zu lassen. Immer war es fehlgcschlagcn, theils weil be-
sagter Pfarrer nicht eben zu den ausgezeichnetsten gehörte, theils
weil in dem kleinen Ländchen überhaupt nicht viele Pfründen
zu besetzen waren. Eines Tags kommt er voller Freuden zu
seinem Freunde, dem Kammerdiener Friedrich. „Brüderchen,
Brüderchen, Du mußt mir helfen; Unterbrunn ist offen, die
Stelle mußt Du mir schassen." — „Bist Du klug?" erwidert
Friedrich, „Unterbrunn ist die beste Pfarrei im Land und die
soll ich Dir verschaffen? Wie sollte ich das anfangen?"
„Du kannst Alles, was Du willst," antwortete der geist-
liche Freund.
„Nun denn," sagte der geschmeichelte Kammerdiener, der '
seine Macht gern anerkannt sah, „wir wollen sehen, was sich
thun läßt. Ich werde Dir demnächst brieflich Nachricht gebe»,
befolge genau, was ich Dir vorzuschrciben für gut befinden werde."
Der Pfarrer versprach pünktlichsten Gehorsam und hielt
es. Worin bestanden die Vorschriften, die er nach wenigen
Tagen erhielt? Der Leser wirk sie leicht aus dem Folgenden
crrathen.
Der Fürst war ein lcidcnschaftlichcr Jäger. Einige Tage
nach der Zusammenkunft des Pfarrers und des Kammerdieners
wußte der letztere seinen Herrn zu einer Morgenfahrt nach dem
Leinendorfer Forst zu berede». Es war noch früh am Tage,
als der Fürst, von seinem treuen Friedrich begleitet, den Wald
betrat, wo er der edlen Jagd auf den Auerhahn obzulicgcn ge-
dachte. Der Morgen war wie dazu geschaffen und der Fürst
freute sich im Voraus seiner Beute. Aber kaum sind
sie zwanzig Schritte in den Forst eingedrungen als
ein wüthendes Geschrei an die Ohren des Fürsten
schlägt.
„Wer zum Teufel schreit denn so gewaltig, als
ob er am Spieß stecke?" fragte der erzürnte Fürst.
„Der Kerl wird uns alles jagdbare Wild verscheuchen."
„Ach Gott, kehren wir um, Durchlaucht," ant-
wortete Friedrich. „Da ist nichts zu machen. Ich
muß um Verzeihung bitten, daß ich nicht eher daran
gedacht und Ew. Durchlaucht davon avcrtirt habe."
„Woran gedacht und wovon avcrtirt, Dumm-
kopf? der Kerl wird doch auch wieder aufhören,
wenn er sich heiser geschrieen hat."
„Er wird nicht aufhören, Durchlaucht."
„Wer zum Henker ist denn der Schreier? Kennst
Du ihn?"
„Ob ich ihn kenne?" antwortete Friedrich. „Nur
zu gut. Es ist der Pfarrer von Leinendors."
„Der Pfarrer von Leinendors?" fragte der
Fürst höchlich erstaunt. Aber warum brüllt er denn so?"
„Es ist ein cigcnthümlicher Mensch," erwiderte Friedrich,
„er mcmorirt seine Predigt."
„Und dazu schreit er wie unsinnig und gerade, wenn ich
auf die Aucrhahubalz gehen will?" sprudelte der erzürnte Jäger.
„Durchlaucht, er behauptet, nur laut memorircn zu können
und nur im Freien. So zieht er denn vom Dienstag bis Sonn-
abend (am Montag macht er seine Predigt) im Wald herum
und brüllt sic den Bäumen vor. Es ist also nicht Malice des
Schicksals, daß wir gerade heute hierher kommen; wir würden
cs die andern Tage auch nicht besser gefunden haben, als heute."
„Den Pfaffen soll ja der Henker holen," rief der Fürst
nun seinerseits sich selbst vergessend. „Der verdirbt mir ja
mein bestes Revier, der muß. sofort entfernt werden."
„Aber Durchlaucht," bemerkte Friedrich, „absctzcn können
Sic den armen Alan» doch nicht, weil er durchaus beim Mc-
moriren schreien muß, und eine andere Pfarrstellc ist nickt
offen, außer Unterbrunn, wohin Durchlaucht ihn doch auch
nicht setzen können, da sic viel zu gut für ihn ist."
„Ich kann nicht?" eiferte der Fürst. „Was verstehst Du
davon, Naseweis? Nun gerade soll er nach Untcrbrunn kom-
men, blos um Dir zu zeigen, daß ich mich nicht bevormunden
lasse. Dort mag er brülle», so lange er Lust hat."
„Wie Durchlaucht befehlen," antwortete Friedrich dcmüthig,
sich tief verneigend.
„Das fehlte noch," brummt der Fürst im Weggehen, „daß
auch die Pfarrer die Jagd herunterbringen hülfen."
Acht Tage darauf las man in dem Wochenblättchen:
„Sr. Durchlaucht haben gnädigst geruht, den Pfarrer T. in
Anerkennung seiner Verdienste als Prediger »ach Unterbrunn
zu versetzen." -—
Auflösung des Rebus
in Nr. 740 der Fliegenden Blätter:
Ein festgesetzter Preis (Preuß).
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Fliegende Blätter
Titel
Titel/Objekt
"Die gelungene List"
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Fliegende Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
G 5442-2 Folio RES
Objektbeschreibung
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
Public Domain Mark 1.0
Creditline
Fliegende Blätter, 31.1859, Nr. 747, S. 134
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg