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hat, der äußerste Rand dieses Kleidungsstückes mit dem ober»
Rande des Sticfelschaftes eine genau abschließende Linie bildet. Zu
seinen Füßen, auf einen Schemel, sitzt das jüngste Kind, ein
braunlockigcs Mädchen und der freundliche Blick der von Zeit
zu Zeit aus des Alten Auge auf sic fällt, zeigt hinreichend,
daß sie sein vorzugsweiser Liebling sei. Aus der andern Seite
sehen wir ein junges, kaum fünfzehnjähriges Mädchen, um
dessen Mund ein schelmisches Lächeln spielt, wie sie die in
tausend kunstreichen Falten verschobene Weste und die unbe-
deckten Stiefclschäfte des alten Herrn betrachtet. Jetzt wird
die Thüre aufgeriffen und mit dem Ausruf: „brr, ist das
ein Wetter!" stürmt ein junger Bursch herein, den Mantel
mit Schnee bedeckt und die Bücher unter dem Arm, an dessen
ganzem Aussehen und Wesen wir hinlänglich den Gymnasiasten
erkennen. Bald hat auch er einen behaglichen Platz eingenom-
men und wie ihm nun das junge Mädchen eine Tasse Kaffee
dargereicht hat, meint er: „ja, ihr könnt es hier wohl aus-
halten, während ich erst in der Claffc schwitzen und dann in
diesem Hundewetter beinahe erfrieren muß. Es ist nur gut,
daß ich hier bin, und das Gebräu meiner lieben Cousine
trinken kann, ohne daß mich vorher ein herabstürzcnder Ziegel
zerschmettert hat." Die Mutter sah besorgt auf, beruhigte sich
aber bald, als sie ihren Sohn frisch und gesund mit rothcn
Backen vor sich sitzen sah. „Aber, Frieda, der Kaffee ist wieder
so schwach!" fing jetzt der Primaner wieder an. „Du bist
aber gar zu unartig und immer unzufrieden," sagte das hüb-
sche Mädchen erröthend und wandte sich schinollend von ihm
ab. „Bist Du böse, Cousinchcn?" fuhr der Beleidiger begüti-
gend fort, „nein, das darfst Du nicht sein, Du weißt, in der
Schummerstunde ist jeder Streit verboten und wir können uns
ja immer noch genug zanken. Komm' Du mußt-mich freund-
lich anseh'n." Aber als Friederike nun seinen Willen that und
ihn ganz lieblich anlächelte, nahm er ihre Hand und sagte:
„Recht hatte ich aber doch!" da riß sie ihm ihre Hand weg
und indem sie ihn auf dcu Finger schlug, meinte sie: „Pfui,
Adolph, Du bist heute wieder recht garstig!" Der alte Herr
im Lehnstuhl hatte dieser kleinen Scene vergnügt zugesehen
und meinte dann schmunzelnd: „Ja, ja, was sich liebt, das
neckt sich!" worüber dem Mädchen das Blut in die Wangen
stieg, der junge Springinsfeld aber so vergnügt drcinschautc,
als wäre er ganz mit dem Ausspruche einverstanden. „Aber
warum necken sich denn Elise und ihr Mann gar nicht, Onkel?"
fragte plötzlich die Kleine zu den Füßen des Alten höchst naiv
und zeigte mit dem Fingerchcn auf das junge Ehepaar, das
sich im Dunkeln unbemerkt glaubend sein Liebesbündniß durch
einen Kuß besiegelte und nun an die Reihe kam, verlegen zu
werden. Während Adolph und Friederike das Lachen kaum ver-
beißen konnten, blies der Onkel große Wolken vor sich hin
und schien keine paffende Antwort finden zu können, bis er
sich endlich räusperte und mit großer Würde sprach: „Kind,
es gibt Situationen im Leben — es wird auch beim Herrn
Doktor und Elisen vielleicht eine Zeit kommen, wo sic nicht mehr
so friedlich" — „Aber Onkel!" rief jetzt die junge Ehefrau
ganz entrüstet und die Hausfrau nahm ihrer Tochter Parthci,

Schummerstunde.

indem sie sagte: „Nein, Doktcrchen, Sie dürfen mir hier
meine Kinder nicht alle nach der Reihe in Verlegenheit setzen.
Warten Sie nur, ich will dem Vorbeugen und eine kleine Ge-
schichte erzählen, die Sie auch vielleicht kennen." — „Es war
wirklich nur meine Absicht, gnädige Frau, eine Antwort auf
die Frage des Kindes zu geben und es ist doch wirklich ein
altes Sprüchwort," — „Was sich liebt, das neckt sich, ganz
richtig," fiel die Mutter ein, „und diesen Titel soll meine
Geschichte auch führen. Es ist schon ziemlich lange her, da
lebten hier in unserer guten alten Stadt zwei junge Advokaten,
beide recht tüchtige junge Leute, von gleichem Alter und sich
herzlich befreundet. Nur in einem Punkte konnten sie nie einig
werden. Schmidt, so wollen wir den Einen nennen, hatte
einen großen schwarzen Pudel, den er noch von der

Universitätsstadt mitgebracht hatte, und der ihm überallhin
folgte. Jedermann mochte den Hund wegen seiner Kunststücke
gern und man war gar nicht anders gewohnt, als den jungen
Mann stets in Begleitung seines Hundes zu sehen. Das war
nun aber seinem Freunde gar nicht recht. Dieser ging immer
sehr elegant gekleidet, stets mit gelben Glacehandschuhen, im
feinsten Modeanzuge und hielt überhaupt sehr viel auf's Aeußer-
liche. Sein Zimmer war äußerst sauber eingerichtet, stets wohl
gescheuert und alles darin hatte seinen wohlgeordneten Platz.
Eine eigne Antipathie hatte er aber gegen alle Thiere, wes-
halb er auch schon lange seinen Freund gequält hatte, doch
den garstigen zottigen Pudel abzuschaffcn. Als Schmidt nun
gar einmal bei nassem Wetter von einem Spaziergang zurück-
kchrend bei ihm vorsprach, war der Pudel, in der Meinung,
er könne bei seines Herrn Freunde thun, als wäre er zu Hause,
ganz ungenirt auf's Sopha gesprungen, und hatte, nachdem
der Herr des Hauses in höchster Entrüstung unter dem Ge-
lächter Schmidt's ihn davon verjagt hatte, nicht unerhebliche
Spuren seiner Anwesenheit zurückgelaffcn. Seitdem hatte der
aus diese Weise Gekränkte einen heftigen Haß gegen den
armen Caro gefaßt, und nicht damit zufrieden, daß derselbe
nie wieder sein Haus betreten durfte, quälte er das arme
Thier von jetzt an, wo er konnte, so daß dieses sich schon
ängstlich hinter 'seinen Herrn zurückzog, wenn es auf der Straße
nur von Ferne die gelben Glacehandschuhe und das zierliche
Stückchen in denselben erblickte. Das war nun wieder Schmidt
nicht recht und er sann darauf, seines Hundes fortwährende
Qual zu rächen, wozu sich bald die Gelegenheit fand. Eines
Morgens saß unser Thierfeind in seinem Zimmer, rauchte eine
feine Havanna!) zu Kaffee und Zeitung und sah sich so be-
haglich in seinem säubern Zimmer um, wo Alles blank polirt
und aufgeräumt war, wie in dein Boudoir einer Dame. Da
pochte cs plötzlich an der Thür und auf sein: „Herein!" trat
ein Bauer, für den er kürzlich einen Prozeß gewonnen, mit
einem ziemlich großen zugebundenen Sack in die Stube, ver-
beugte sich verschiedene Male und sagte dann ganz unterthänig:
„Herr Doktor, ick wull Se man 'ne lütje Schcnkaschc bringe
dafür, dat Sc mi uut den verflüchtigen Prozeß ruuttreckt
hebbcn." — Der junge Advokat steckte sein leutseligstes und
freundlichstes Gesicht auf, denn solche Geschenke kommen im

Plaudereien aus der
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