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202

Darbcra.

Bei meinen Großeltern war's etwas anders; aber ihre
Enkel segnen sie noch und eben jene Rückkehr, oder vielmehr
Einkehr in die neue Heimath, wovon wir eben ein ganz flüch-
tig gezeichnetes Bild aus der Gegenwart geliefert, war der
Anfang und Grund eines Lebens, weßhalb sie die Enkel
segnen, oder vielmehr aus welchem reicher Segen über die
Enkel strömt.

Der Großvater war Pastor weit hinauf an der Weser
und führte die Großmutter Ende November in ihre neue
Hciniath ein. Die Hochzeitreise hätte schon der Jahreszeit wegen
unterbleiben müffen, auch wenn der Schwiegervater die Reise-
gelder bezahlt hätte, denn der Großvater hatte nichts als seine
Pfarre und nun auch seine Quarre. Und die Hochzeitsreise
bestand darin, daß das junge Paar von dem Geburtsorte der
Großmutter nach Landesart auf einem großen Baucrnwagcn
fuhr, der als Ballast ein schönes Quantum Flachs zum Spin-
nen für der Großmutter kunstgeübtc Finger in den langen
Winterabenden, wenn der Großpapa ihr vorlas oder in den
alten Folianten studirte, enthielt. Darüber aber war der
übrige Hausrath aufgepackt in durabeln Kisten und Schrei-
ne» , die jetzt noch der Enkel Reichthum an Leinen bergen,
das von der seligen Großmutter gesponnen und gebleicht
wurde am schattigen Ufer der Weser.

Oben auf dem Wagen saß die Großmutter selbst auf
einem Kanapee, vor sich das neue Spinnrad mit unzähligen
Schnörkeln, Ringeln und Glöckchen. Auf dem Galgen steckte
ein dicker Rocken vom weißesten Flachse, umschlungen von
einem wollenen Bande in der Farbe der Hoffnung, hinter der
Großmutter steckte der Besen, auch umschlungen mit einem
Bande, und geziert mit einem Strauße. Und auf dem Schooße
lag der Großmutter ein Laib Brod und die Bibel.

Und wenn eine junge Frau so cinzicht und die eben
aufgczählten Gegenstände nicht nur Sinnbilder, sondern Zeugen
sind von dem häuslichen Fleiße der jungen Frau, von ihrer Rein-
lichkeit und Frömmigkeit, da ist sie dem Manne eine Bürg-
; schaff baß cs ihm, mögen die Zeiten auch noch so bös werden,
nie fehlen werde an dem täglichen Brode und Allem, was zur
- Leibcs-Nahrung und Rothdurft gehört. Und bei der Großmutter,
der lieben verehrten, war's wirklich so.

Nicht die Kälte kribbelte ihr in den Fingern, sondern
der Wunsch, sie zu regen in nützlicher Geschäftigkeit und nur
verstohlen schauete sie nach dem kleine» Schrein, in welchem
ihre Mutter die Hochzeitöpräscnte gepackt.

Lange sollte sic nicht harren, denn der Großvater, der
mit langem spanischem Rohre neben dem Wagen herschritt,

: hatte nach dem alten Sprichwort und Rath gewählt: kaufe
l Nachbars Rind und freie Nachbars Kind.

Die Großmutter war also in der That nicht weit her;
aber der Großvater schauete doch mit Heller Lust auf seine
junge Frau, deren schlanke, kräftige Gestalt von der winter-
! lichen Umhüllung eben so wenig verunstaltet werden konnte,
wie ihr scelenvolles Gesicht von dem Knüpftuch, welches sie
um den Kopf geschlungen hatte.

Endlich waren sic an Ort und Stelle. Glockengeläute,

Illumination, Ehrenpforten, Transparente und dergleichen
unnöthige Dinge waren nicht vorbereitet; nur die alte Emerentia,
des Großvaters bisherige Haushälterin, hatte vor der Haus-
thür ein klein wenig weißen Sand gestreut, und stand zier-
lich geputzt auf der Schwelle.

Als die Großmutter unter Beihilfe des Großvaters vom
Wagen gestiegen oder gesprungen war, den Besen in der
Hand, Bibel und Brod unter dem Arme, trat die Haus-
hälterin heran und präsentirte ihr, mit der Hand natürlich,
ein Glas funkelnden Weines. Die Großmutter nippte nicht,
sie trank, aber sic thciltc mit dem Großvater, dann nahm sie
das Glas und warf's vor sich auf die Steine, daß cs in
tausend Stücke zersprang. Das Glas muß brechen; aber das
Glück soll bleiben. Glück zu, Heil und Segen in Dein neues
Haus, in Deinen neuen Stand, Du liebes Paar!

Rasch und mit Freude wurde abgepackt und eingeräumt
und ein Gefühl der Wohlhabenheit und seligen Glückes er-
füllte den Großvater, wie er die leeren Räume sich füllen und
die Großmutter hindurch schweben sah.

Bis zum Abend war Alles unter Dach und Fach und
nachdem von den durch die Schwestern der jungen Frau sorg-
fältig verpackten Resten des Hochzeitsschmauses ein köstliches
Abendcsicn gehalten, wurde die bis jetzt unberührt gebliebene
Kiste mit den Hochzcitsgcschenken herbcigeholt, auf den Tisch ge-
stellt und ausgekramt. Der Inhalt würde von einem jungen
Paare unserer Tage kaum eines Blickes gewürdigt werden;
aber er entlockte der guten Großmutter manchen Ausruf der
Freude und des Entzückens und der Großvater nahm nicht
blos pflichtschuldigen, sondern herzlichen Anthcil an der Freude
seiner jungen Frau und seine Pfeife mußte er wiederholt an-
zündcn, da sic ihm, was sonst nie geschah, eben seiner Freude
wegen, öfter ausging.

Ganz zuletzt kam noch etwas sorgfältig in einer Schachtel
verpackt und als die Großmutter die Schachtel öffnete, strahlte
ihr ein schöner von Perlen und Schmelz gearbeiteter Schcllcn-
zug entgegen.

„Ach," ries sie, die kleine» Hände zusammenschlagcnd,
„das ist prächtig, das ist prächtig, wenn ich nur wüßte, von
wem der wäre!"

Der Großvater aber machte auch große Augen und stieß
mächtige Dampfwolkcn aus; dann bat er die Großmutter, sic
möge ihm diesen Schellenzug schenken. Das mar die erste
Bitte des lieben Mannes, die gewährte sic mit Freuden. Er
aber packte den Schcllenzug wieder sorgfältig ein, schnürte und
siegelte die Schachtel und schrieb darauf:

D a r b e r g.

Hatte auch die junge Frau das Geschenk gern hergcge-
bcn, in der Voraussetzung, daß es auf der Studicrstube des
lieben Mannes angebracht werden solle, so war sie doch nicht
wenig überrascht durch sein sonderbares Thun und schauete
ihn fragend an. Der aber stopfte sich eine frische Pfeife und
hob an, folgendermaßen zu erzählen:

Der Fürst des Landes kam von weiter Reise zurück und
gedachte noch heute seine Residenz zu erreichen; aber als er
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